Was Akne ist, weiß sicher jeder. Aber bei der Frage, was Acne inversa sei, sieht es schon weniger erfreulich aus. Viele Patienten berichten, dass es Jahre gedauert habe, bis ihre Erkrankung erkannt worden sei. Viele kämpften bis dahin mit massiven Vorurteilen.
Besonders lange hat die Diagnose bei Karl Marx gedauert - bis 2007. Dabei ist die Erkrankung - früher hieß sie Hidradenitis suppurativa - keineswegs so selten. Man schätzt, dass es weltweit etwa 70 Millionen Erkrankte gibt, allein in Deutschland sollen 200 000 bis über 3 Millionen Menschen betroffen sein. Überwiegend sind es Frauen, die an der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung leiden, bei der es zu knotigen Entzündungen, Fisteln in den Achseln, Leisten, Bauchfalten und unter der weiblichen Brust kommt. Bei Männern tritt die in Schüben verlaufende Entzündung oft perianal auf. Am häufigsten ist die Acne inversa im Alter zwischen 20 und 30 Jahren; sie tritt aber auch während der Pubertät und im hohen Alter auf.
Sogar Krebsgefahr
Zu Beginn der Erkrankung entwickeln sich Riesenkomedonen und tastbare Knoten, im Spätstadium Abszesse, Fistelgänge und große zusammenfließende Knoten, aus denen sich auf Druck Eiter, Talg oder ein Sekret entleeren kann. Sogar bis zum Enddarm und Harnleiter können sich Fistelgänge ausbreiten. Wenn die Entzündungsherde nicht mehr aktiv sind, bleiben in der Regel Narben übrig. Bei langjähriger Erkrankung kommt es immer wieder zu bakteriellen Superinfektionen mit der Folge chronischer lokaler Schwellungen. Vereinzelt wurde auch schon über die Entstehung von Hautkrebs in Acne-inversa-Arealen berichtet; das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom im Perianalbereich etwa wird auf etwa 2 bis 3 Prozent geschätzt (Volker Wienert: Coloproctology 2009, 31, 175-179).
Vorurteil mangelnde Körperpflege
Ähnlich wie bei anderen schweren Hauterkrankungen ist auch bei der Acne inversa die Lebensqualität der Patienten erheblich eingeschränkt, nicht nur durch die Krankheitssymptome selbst, sondern auch durch Folgen wie Depressionen und gesellschaftliche Isolation. Immer wieder erleben Patienten zum Beispiel, dass man ihnen mangelnde Körperhygiene als Ursache ihrer Symptome unterstellt. Aber trotz intensiver Forschung ist die genaue Ursache der Erkrankung nicht bekannt. Sicher ist eine erbliche Veranlagung: Bei knapp einem Drittel der Patienten gilt die Erkrankung als genetisch bedingt. Als gesichert gilt heute, dass es sich um eine Erkrankung der Terminalhaarfollikel und nicht der apokrinen Schweißdrüsen handelt. Die Entzündung der apokrinen Schweißdrüsen ist ein Sekundärphänom, die alte Bezeichnung Hidradenitis suppurativa daher unzutreffend. Als begünstigende Faktoren diskutiert werden außer Rauchen immer wieder Übergewicht, vermehrtes Schwitzen, enge Kleidung, Diabetes mellitus und auch eine geschwächte Infektionsabwehr.
Die Diagnose kann meist klinisch gestellt werden. Problematisch ist, dass die Erkrankung häufig unbekannt ist. Oft werden die Hautveränderungen als wiederkehrende Schweißdrüsenabszesse fehlgedeutet. Erschwert werden kann die Diagnose durch mehrere Erkrankungen, die der Acne inversa ähnlich sein können, so dass oft erst eine histologische Untersuchung Klarheit bringt. Beispiele sind die durch Staphylokokken oder Streptokokken verursachten Furunkel bzw. Karbunkel, erregerbedingte Erkrankungen wie tiefe Trichophytie, Aktinomykose, Sporotrichose und vor allem im Leisten- und Genitalbereich Lymphogranuloma inguinale. Weitere Differenzialdiagnosen sind granulomatöse Erkrankungen wie Tuberculosis cutis colliquativa oder kutane Fisteln bei Morbus Crohn.
Standardtherapie ist die OP
Spontanheilungen sind sehr selten. Konservative Behandlungsmaßnahmen, Inzisionen, Abszess- oder Fistelspaltungen bringen auf Dauer nichts. Therapie der Wahl ist die radikale operative Entfernung der betroffenen Hautareale. Aufgrund der Größe dieses Eingriffes ist jedoch auch immer wieder nach konservativen Behandlungsmöglichkeiten gesucht worden. Aus den 50er Jahren gibt es Erfahrungen mit Röntgenstrahlen. Wegen möglicher Langzeitschäden an der Haut wird dieses Verfahren nur noch selten durchgeführt. Ablative Laserverfahren sind ebenfalls eingesetzt worden. Doch auch hier ist mit einer starken Narbenbildung zu rechnen. Da hohe Werte für männliche Hormone die Acne inversa fördern können, hat man auch Antiandrogene wie Cyproteronacetat verwendet. Diese Option besteht jedoch nur für Frauen und kann insbesondere dann effektiv sein, wenn vor der Therapie erhöhte Werte für Androgene vorlagen. Ähnlich wirken die bei Männern verwendeten 5-alpha Reduktase-Hemmer. Die bakterielle Infektion spielt eine herausragende Rolle für die Schwere des Verlaufs der Erkrankung. Durch spezifische Antibiotika, etwa topisches Clindamycin, ist eine radikale Operation zwar nicht zu vermeiden, häufig vermindern sich jedoch die Schmerzen und die Sekretion. Sinnvoll für die Rezidivprophylaxe und Symptomlinderung scheint auch die Therapie mit Retinoiden wie Acitretin und Etretinat zu sein. Orales Isotretinoin hat dagegen nur eine geringe Wirksamkeit. Eine weitere Option, die erforscht wird, ist die topische photodynamische Therapie. Selbst mit Botulinum Toxin A ist bereits behandelt worden.
Hoffnungsträger TNF-alpha-Antagonisten
Die Vielzahl der Therapieansätze lässt schon vermuten, dass es keinen therapeutisch-konservativen Königsweg gibt. Große Hoffnungen setzen viele Dermatologen daher auf die relativ neue Substanzgruppe der TNF-alpha-Antagonisten, die seit einigen Jahren schon mit Erfolg bei Patienten Morbus Crohn, Psoriasis und Rheumatoider Arthritis verwendet werden. Die ersten Fallberichte und Studien zu den TNF-alpha-Antagonisten bei Acne inversa wie Etanercept, Infliximab und Adalimumab sind recht vielversprechend. Weltweit laufen mehrere Studien, auch mit Beteiligung deutscher Kliniken, einige Studien sind sogar schon abgeschlossen, aber noch nicht publiziert. Aber selbst wenn die TNF-alpha-Hemmer alle Erwartungen an eine sehr wirksame und zudem sehr verträgliche Therapie erfüllen sollten, gilt natürlich, dass die beste Therapie an Wert verliert, wenn die Diagnose nicht oder viel zu spät gestellt wird. Ganz so lange wie bei Karl Marx sollte es, etwas überspitzt formuliert, wirklich nicht mehr dauern.