Die Schweinegrippe kommt – und macht Apotheker zum Cocktail-Shaker. Weil Tamiflu derzeit nur in kieselsteingroßen Hartkapseln über den HV geht, müssen andere Lösungen her, wenn Kleinkinder und Säuglinge erkranken. An die Messer, fertig, los!
Es bleibt dabei: Die Schweinegrippe stellt die bewährte Arzneimittellogistik weltweit vor eine echte Bewährungsprobe. Nicht nur in Sachen Impfstoff werden neue Wege gegangen. Auch bei den Neuraminidasehemmern ist längst nicht alles in trockenen Tüchern.
Tamiflu aufs Honigbrötchen?
Schon richtig, von einem Engpass bei Tamiflu und Co, wie es ihn in Zeiten der Vogelgrippehysterie kurzzeitig gab, kann heute keine Rede sein. Trotzdem gibt es Lücken. So ist derzeit kein Tamiflu-Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen erhältlich. Nach Angaben des Unternehmens Roche wird sich das auch in den nächsten Monaten nicht ändern. Zum Problem wird die Sache bei Kleinkindern und Säuglingen, für die die mächtigen 75mg-Tamiflu-Hartkapseln keine praktikable Therapieoption darstellen. Was tun? Der Hersteller empfiehlt in diesem Fall, dass die Kapsel geöffnet und der Wirkstoff in einem Teelöffel Honig oder Ähnliches eingerührt wird. „Das ist aber suboptimal, weil gerade bei kleinen Kindern oft geringere Dosierungen nötig sind“, sagt Dr. Andreas Kiefer, Vorsitzender der Kommission Neue Rezeptur Formularium (NRF) der deutschen Apothekerschaft. Wenn Eltern aber anfangen, das in Honig oder auch in Wasser eingerührte Tamiflu selbst zu portionieren, sind Fehldosierungen vorprogrammiert. „Schon ein halber Milliliter mehr oder weniger kann zu Abweichungen von zehn Prozent führen“, so Kiefer zu DocCheck. Er empfiehlt deswegen, die entsprechenden Herstellungsschritte nicht am Küchentisch zu machen, sondern dem Apotheker zu überlassen. Um den Apothekern einen Leitfaden an die Hand zu geben, hat das NRF eine qualitätsgesicherte Herstellungsanweisung veröffentlicht, die detailliert angibt, wie vorzugehen ist.
Präzise Dosierungen gibts nur in der Apotheke
Im Detail wird vorgeschlagen, eine größere Menge Oseltamivir-Lösung einer Konzentration von 15mg pro Milliliter anzufertigen, die mit Hilfe von Natriumbenzoat konserviert wird. Daraus können dann am Körpergewicht des Kindes orientierte, individuelle Dosierungen in Einmalspritzen abgefüllt und den Eltern ausgehändigt werden. Auf diese Weise lässt sich die benötigte Dosis fast beliebig genau verabreichen. „Im Pandemiefall steht den Apothekern Oseltamivir-Phosphat zur Verfügung. Damit kann eine Lösung angefertigt werden, die problemlos einsetzbar ist“, so Kiefer. Doch auch wenn nur Kapseln vorhanden sind, ist der Apotheker die bessere Adresse als das Heimlabor am Küchentisch. „In diesem Fall wird aus dem Inhalt der Kapseln eine Suspension hergestellt, die mit Hilfe von Einmalspritzen in der Apotheker ebenfalls gut portionierbar ist“, so Kiefer. Ein Problem freilich bleibt: Für Kinder unter einem Jahr ist Tamiflu nicht zugelassen. Allerdings gehen Experten davon aus, dass es bei Tamiflu keine spezifischen Toxizitäten im Säuglingsalter gibt, sodass ein off label-Einsatz prinzipiell möglich ist. Da die Schweinegrippe bisher bei Säuglingen und Kleinkindern – anders als die saisonale Grippe – besonders schwer verläuft, wird im Falle einer Pandemie der Einsatz auch bei unter Einjährigen erwogen. Dazu gibt es auch eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI): Wenn Säuglinge Oseltamivir erhalten, dann sollte eine Dosis von zwei bis drei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht gewählt werden, so die DGPI.
Fette Gewinne?
Während sich die Apotheker auf den Ernstfall vorbereiten, gehen die Diskussionen um die Schweinegrippe-Impfung weiter. Die Bundesländer haben angekündigt, 18 Millionen zusätzliche Dosen zu den bisher bereits georderten 50 Millionen Dosen des GSK-Impfstoffs zu bestellen. Damit könnten dann statt 25 Millionen 34 Millionen Menschen geimpft werden. Auch der zweite Impfstoff-Vertragspartner Deutschlands, das Unternehmen Novartis, hat mittlerweile Studiendaten zu seinem nach einem neuen Verfahren hergestellten Impfstoff vorgelegt. Sie sehen gut aus: Schon nach einer Impfung zeigen 80 Prozent der Geimpften eine adäquate Immunreaktion. Möchtegern-Bundesärztekammer-Chef Frank Montgomery wiederholt derweil seine Kritik an der bösen Pharmaindustrie. Sie habe die Länder unter Druck gesetzt und werde jetzt „fette Gewinne einfahren“, ist er sich sicher.