Nachdem die Umsätze mit Impfungen gegen Schweinegrippe nicht ewig tragen werden, suchen Hersteller nach neuen Geldquellen. Mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen Nabi Biopharmaceuticals und GSK rückt der Impfstoff gegen blauen Dunst näher.
Es klingt eigentlich zu schön um wahr zu sein. Ein paar Injektionen in den Oberarm, und plötzlich schmeckt die Zigarette nicht mehr so wie zuvor. Statt uneingeschränktem Genuss nur noch ekliger Qualm ohne mentalen Effekt. Auspuffgase aus der Schachtel statt Duft der großen, weiten Welt.
Antikörper als Alliierter im Kampf gegen das Nikotin
So oder ähnlich soll sie funktionieren, die Impfung gegen die Sucht nach dem blauen Dunst. Entwickelt wurde sie von dem Biotech-Unternehmen Nabi Biopharmaceuticals. Wie es sich für eine Impfung gehört, ist das Funktionsprinzip ein immunologisches: Ein nikotinähnliches Antigen kommt zum Einsatz, das den Körper dazu veranlasst, verstärkt Antikörper gegen das Rauschmittel zu produzieren. Wenn aber im peripheren Blut ordentlich Nikotin-Antikörper herumschwimmen, dann, so die Idee, fangen diese das via Zigarette in den Organismus gequalmte Nikotin ab, bevor es über die Blut-Hirn-Schranke gelangt und dort seine berauschende Wirkung verbreitet. Denn das an einen Antikörper gekoppelte Nikotin ist viel zu groß, um durch den Flaschenhals der Blut-Hirn-Schranke hindurch zu kommen. Die Wirkung des Nikotins im Gehirn beruht unter anderem auf einer Freisetzung von Dopamin. Kein Nikotin im Hirn, kein Dopamin aus der Nervenzelle, kein Rausch, kein Entzug, kein Craving, das ist in etwa die Ereigniskette, die die Impfung auslösen soll.
Bisherige klinische Studien deuten darauf hin, dass das zumindest ansatzweise auch so hinhauen könnte. In einer Phase II-Studie konnte bei Rauchern ohne jegliche andere Intervention nach Applikation von sechs Impfungen eine Abstinenzrate von 35 Prozent erreicht werden, gegenüber 10 Prozent bei Placebo-Impfung. Auch die Sicherheitsdaten scheinen vertretbar zu sein: Es träten weniger neuropsychiatrische Nebenwirkungen auf als bei anderen Anti-Rauch-Interventionen, ist man bei dem Unternehmen bemüht zu versichern.
Big Pharma hat den Braten gerochen
Aufbauend auf diesen Phase II-Daten wurde jetzt eine Phase III-Studie gestartet, nach Angaben von Nabi Biopharmaceuticals die erste Phase III-Studie für eine Anti-Tabak-Impfung überhaupt. „Mit dieser Phase III-Studie einer Nikotin-Vakzine verbinden sich erhebliche Hoffnungen, dieses immense Problem dauerhaft in den Griff zu bekommen“, betonte Dr. Francis Collins, Direktor des NIH, anlässlich des Startschusses für die Studie am 12. November 2009.
Bei so viel Zuversicht wundert es nicht, dass Nabi Biophamaceuticals nur zwei Wochen nach Studienbeginn einen Kooperationsvertrag mit dem gerade wegen strittiger Verträge im Zusammenhang mit dem Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix in die Diskussion geratenen Impfstoffgiganten GSK. Das Unternehmen GSK zahlt initial 20 Millionen US-Dollar an Nabi, das dafür mit seiner Phase III-Studie zügig fortfährt. Mit fortschreitender klinischer Prüfung werden weitere Zahlungen fällig. Insgesamt geht es um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. GSK erhält dafür die Option, NicVax, so der Name der Impfung, weltweit zu vermarkten. Geschieht das, kann Nabi außerdem noch mit 10 bis 15 Prozent Umsatzanteilen rechnen.
Klar ist, dass die Zeit drängt. Für Ende 2011 planen Nabi und GSK derzeit die FDA-Zulassung. Mit weit über einer Milliarde Rauchern weltweit ist die Größe der potenziellen Zielgruppe beachtlich. Kein Wunder, dass die Konkurrenz den Pionieren auf den Fersen ist. Im vergangenen Jahr wurden die Resultate einer Phase II-Studie mit dem Alternativprodukt Nicotine-Qbeta veröffentlicht. In dieser Studie wurde der Nikotinsucht sowohl in der Impf- als auch in der Placebo-Gruppe mittels Verhaltenstherapie entgegen gearbeitet. Erschwerte Bedingungen für die Impfung also. Sie brachte in der Per-Protokoll-Auswertung dennoch einen Zusatznutzen. Von einer Phase III ist hier allerdings bisher nichts bekannt.