Vor allem für Kinder ist die FSME-Impfung zum Schutz vor Zeckenstichen umstritten. Der Schaden sei höher als der Nutzen, sagt Allgemeinmediziner Niklas Schurig im Interview mit DocCheck. Durch die Impfung drohe das Risiko allergischer Reaktionen, die Erkrankung selbst verlaufe meist fast ohne Symptome.
Im Frühjahr kommen vermehrt Eltern in die Praxen mit der Frage, ob sie oder ihre Kinder sich gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) impfen lassen sollen. Die Krankheit wird durch ein Virus verursacht, das vor allem von der Zecke Ixodes (I.) ricinus übertragen wird. Sie ist vor allem im Frühjahr und Sommer aktiv. Die Impfung ist umstritten: „Zeckenschutz-Impfungen sind nur für einen kleinen Teil der Geimpften sinnvoll. Anders herum gesehen, werden zu viele Menschen gegen FSME geimpft, vor allem Kinder“, sagt Niklas Schurig, Allgemeinmediziner aus Rastatt. „Das Impfrisiko ist bei Kindern bis zwölf Jahre höher als der Impfschutz, den sie erreichen.“
Als Arzt in einem der Risikogebiete klärt Schurig regelmäßig besorgte Eltern auf. Impfungen könnten schwere allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock auslösen, sagt er. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Zeckenstich an FSME zu erkranken, sei häufig extrem gering: „Die FSME-Imfpung ist eine Indikationsimpfung, also keine Routineimpfung wie Tetanus. Es muss ein Risiko bestehen, FSME zu bekommen. Dazu reicht es nicht aus, wenn jemand nur in einem Risikogebiet wohnt - leider gibt es bereits Kindergärten, bei denen Kinder nur noch mit Impfung draußen spielen dürfen.“ Auch die Definition dessen, was ein Risikogebiet sei, kritisiert Schurig. Klassische Regionen seien Bayern und Baden-Württemberg. 2007 habe es eine plötzliche Erweiterung um rund 50 Ortskreise gegeben: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Gebiete vom Robert Koch Institut vergrößert wurden. Es wurde nicht nachgewiesen, dass es dort überhaupt jemals einen Zeckenbiss gab.“ Tatsächlich ist beim RKI zu lesen: „In den FSME-Risikogebieten Deutschlands sind nur wenige Zecken mit dem FSME-Virus infiziert. Nur diese wären auch in der Lage, eine Infektion zu verursachen.“
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des RKI empfiehlt die Impfung für Menschen, die in FSME-Risikogebieten Zecken exponiert sind und Personen, die durch FSME beruflich gefährdet sind. Die Erkrankungsgefahr ist gerade bei Kindern laut RKI nicht hoch: „In den beiden Bundesländern mit der höchsten Inzidenz, Baden-Württemberg und Bayern liegt die Inzidenz bei Kindern unter fünf Jahren sowie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren mit 0,5 bis 0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnern pro Jahr am niedrigsten, bei Kindern im Alter von fünf bis 14 Jahren bei 0,9 bis 1,0, um dann auf rund 1,7 bei Erwachsenen ab 40 Jahren anzusteigen“, heißt es. Und weiter: „Nach einer Infektion entwickeln bis zu 30 Prozent der infizierten Personen Symptome einer FSME.“ Insbesondere bei Kindern verlaufe die Krankheit oft fast unbemerkt und hinterlasse nur sehr selten bleibende Schäden, sagt Schurig: „Es ist unbestritten, dass man bei den meisten Kindern überhaupt nichts merkt, sie haben nicht einmal Symptome eines viralen Infekts.“ Auch das RKI sagt, die Krankheit verlaufe bei Kindern leichter als bei Erwachsenen. Bei einer retrospektiven Erhebung von 1001 FSME-Erkrankungen in Baden-Württemberg wurde der Verlauf bei 25 Prozent der Kinder und bei 50 Prozent der Erwachsenen als schwerwiegend eingestuft. Neurologische Folgeschäden gab es bei rund 35 Prozent der Erwachsenen, aber nur bei zwei Prozent der Kinder.
Ältere Menschen seien stärker gefährdet, sagt auch Schurig. „Doch es ist schwer nachzuvollziehen, warum Kinder geimpft werden und der Gefahr eines allergischen Schocks ausgesetzt werden sollen, wenn sie keine bleibenden Schäden bekommen.“ Er wünsche sich vonseiten der Kollegen mehr Aufklärung, sagt der Allgemeinmediziner: „In den Apotheken hängen Deutschland-Karten, wo diese rote Gefahr der FSME nach oben Richtung Norden schwemmt. Das ist unverantwortliche Panikmache von Impfstoffherstellern. Wir sollten dem entgegen treten.“