Hypnose hat mehr oder weniger ein Quacksalber-Image. Zwischen seriösen und unseriösen Praktiken zu unterscheiden, ist schwierig. Trotzdem oder gerade deswegen beschäftigen sich einige Wissenschaftler mit der Hypnose und schauen dabei ganz genau nach, was im Gehirn geschieht.
Eine Journalistin schilderte kürzlich ihre ersten Hypnose-Erfahrungen in NewScientist. Sie erlebte unter Hypnose, dass ihr linkes Bein schwer und ihr Arm von einer fremden Kraft bewegt wurde. Die ansonsten gesunde Frau fühlte sich dabei ganz normal – außer dass sie ein bisschen nervös war -, hörte den Straßenverkehr und nahm ihre Umwelt bewußt wahr. Offensichtlich gehört sie nicht zu der Personengruppe, die auf Hypnose besonders gut anspricht. Das Experiment fand bei David Oakley, emeritierter Professor am University College London, statt. Experimente dieser Art sind Teil eines wissenschaftlichen Projekts, das der Psychologe und einige Kollegen im United Kingdom starteten, um herauszufinden, was bei Hypnotisierten im Gehirn passiert. Dazu kreierte Oakley ein Versuchsdesign mit gesunden Menschen, bei denen er quasi per Fingerschnipp Symptome wie Lähmung oder fremd gesteuerte Bewegungen von Körpergliedern unter Hypnose ein- und ausschalten möchte. Mit diesen "virtuellen Patienten" sei es einfacher, die Gehirnaktivitäten zu studieren, so der Psychologe.
Krankheitssymptome per Hypnose nachstellen
Die UK-Forscher konzentrierten sich im Rahmen ihres Projekts auf seltene Konditionen, wie beispielsweise hysterische Blindheit, hysterische Lähmung oder das Capgras-Syndrom. Letzteres eine Wahnvorstellung, dass die geliebte Person durch einen Doppelgänger ersetzt wurde. Dass sich diese Symptome in gesunden Menschen per Hypnose nachstellen lassen, davon gingen die Wissenschaftler aus. Grundsätzliche Voraussetzung, dass es klappt, seien Personen mit einer sehr hohen Hypnotisierbarkeit. Außerdem müssten die virtuellen Patienten auch noch die gleichen Gehirnveränderungen wie die der tatsächlich Kranken aufweisen, damit sich der Ansatz für klinische Studien eigne. Um das herauszufinden, untersuchte sein Kollege Peter Halligan, Neuropsychologe der Universität Cardiff, die Gehirntätigkeit von hypnotisierten Studenten. Der einen Gruppe wurde suggeriert, dass das linke Bein gelähmt ist, und die andere wurde angehalten, die Lähmung vorzutäuschen.
Unterdrückt Hypnose Nervenprozesse?
Die Gehirn-Scans beider Gruppen zeigten klare Unterschiede. Allerdings ließ sich in beiden Fällen keine Übereinstimmung mit den Gehirnaktivitäten von Personen mit echter hysterischer Paralyse feststellen. Der Neurologe Dr. Yann Cojan, der an der Genfer Universität vergleichbare Studien betreibt, kam zwar zu dem gleichen Ergebnis. Aber er bezweifelt, dass Hypnose als Forschungs-Tool geeignet ist, klinisch relevante Ergebnisse für Personen mit echten Beschwerden zu erzielen. Kollegen und er beschäftigten sich mit der Frage, ob bei einer hypnotisch suggerierten Lähmung Nervenprozesse in gleicher Weise wie bei einer realen Paralyse unterdrückt werden. Für die Gehirn-Scans nutzten sie die funktionale Magnetresonanztomografie (fMRT). Das Ergebnis wurde im Fachmagazin "Neuron" veröffentlicht.
Schmerzlinderung ohne Nebenwirkung
Die Forscher aus Genf verglichen die Hirnaktivitäten von wachen und hypnotisierten Versuchspersonen. Dabei zeigte sich, dass die für die Bewegungssteuerung der Hand zuständigen Nervenzellen bei hypnotisierten Personen genauso aktiv waren, wie die bei wachen Menschen. Das heißt, die Bewegungsnerven werden nicht unterdrückt, wie bisher angenommen wurde. Die Schlussfolgerung der Forscher: Hypnose verursacht eine Unterbrechung der Verbindung zwischen den "befehlsgebenden “und den "ausführenden" Nervenzellen. Wozu dienen derartige Erkenntnisse? DocCheck fragte nach. "Sicher ist, dass Hypnose zur Schmerzreduzierung funktioniert. Sie wird auch bei Operationen eingesetzt, um den Einsatz von Opioiden wie Morphium zu senken und deren Nebenwirkungen zu vermeiden. Marie Elisabeth Faymonville hat sie für tausende Operationen in der Universität Lüttich eingesetzt. Mit unserer Forschung wollen wir klären, welche neuralen Prozesse Menschen erlauben, Zugang zu psychologischen Ressourcen zu erhalten.", erklärt Cojan.
Keine Bedeutung in der Medizin
Zum Thema Hypnotherapie finden sich haufenweise Angebote im Internet. Es geht mehr oder weniger um Abnehmen ohne Diät, Raucherentzug oder Behandlung von Burnout-Syndromen. Fehlanzeige dagegen bei ernst zu nehmender Hypnose im deutschen klinischen Umfeld. Der Leiter des Instituts für angewandte Hypnose und Mentaltraining, Martin Wiedmann, berichtet, dass inzwischen zigtausende Stümper, Scharlatane und schwarze Schafe mit Kenntnissen von einem Wochenendkurs das Bild des Hypnotiseurs verunglimpfen. "Solange die hypnotische Behandlung nicht gesetzlich geregelt ist, wird sich daran nichts ändern", so Wiedmann. Dipl. Psych. Dr. Burkhard Peter von der Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose, e.V., München, zur medizinischen Bedeutung: "Nur ganz wenige Kliniken bieten Hypnose an, allgemein ist der gesamte medizinische Bereich leider noch ziemlich unreaktiv." Vielleicht muss man kritische Mediziner erst hypnotisieren, um das zu ändern. ;-)