Nach langem Vorgeplänkel ist die Schweinegrippe in aller Munde. Der einzige, der nie gefragt wurde, ist Rüdiger Rüssel, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Mastschweine. In einem seiner seltenen Interviews legt er DocCheck seine Sicht der Dinge dar.
Herr Rüssel, lesen Sie regelmäßig die Medienberichte über die Schweinegrippe?
Rüdiger Rüssel: Ich lasse mir vom Bundesverband eine tägliche Presseschau zusammenstellen, die mich mit allen wichtigen Artikeln und mit Hinweisen auf relevante TV-Sendungen versorgt. Und ich muss schon sagen, manchmal ist mir dabei einfach nur zum Grunzen zu Mute. Schwein hier, Schwein da, Krankheit durch Schweine, Impfen gegen Schweine, Tod durch Schweine. Ich frage mich schon, was wir eigentlich getan haben. Mir ist bisher jedenfalls kein Schwein bekannt, dass einen deutschen Staatsbürger mit Grippeviren infiziert hätte. Wir bleiben brav in unseren Ställen. Wir husten niemanden an. Wegen uns braucht Deutschland jedenfalls keinen Pandemieplan.
Die Schweinegrippe wurde aber nun einmal ursprünglich von Schweinen auf den Menschen übertragen…
Rüdiger Rüssel: Ja und? Dass Krankheitserreger von einer Spezies auf die andere übertragen werden, passiert täglich. Da kräht kein Hahn danach. Das eigentliche Problem sind die Menschen, nicht die Schweine. Die Menschen meinen, sie seien so unverzichtbar, dass sie auch dann noch zur Arbeit, in die Schule, auf die Messe oder ins Fußballstadion gehen, wenn sie eigentlich zu Hause bleiben sollten. Gehen Sie doch einfach mal morgens in die Berliner S-Bahn. Da ist was los…
Was denn?
Rüdiger Rüssel: Dort wird gehustet, gerotzt und geniest was das Zeug hält. Und da wundern Sie sich noch über irgendetwas? Haben Sie schon einmal ein Schwein gesehen, dass sich in der S-Bahn mit einem Taschentuch von vorgestern den Rüssel schnäuzt und die Pfote danach genüsslich an der Haltestange abreibt? Oder kennen Sie irgendein Schwein, das seinem Gegenüber so dermaßen ins Gesicht keucht, dass außer Grippeviren gleich auch noch das ganze Mittagessen übertragen wird? Nein - denn wir begegnen den meisten Menschen nur als Schnitzel.
Der Präsident des Robert Koch Instituts, Professor Jörg Hacker, hat Befürchtungen geäußert, wonach uns in diesem Jahr dank Schweinegrippe eine der schlimmsten Grippewellen der letzten Jahrzehnte bevorstehen könnte…
Rüdiger Rüssel: Das sehe ich auch so. Aber wir sind daran nicht Schuld. Das ist die reinste Verleumdung. Ich habe allergrößten Respekt vor Herrn Professor Hacker. In dem ganzen politisch und ideologisch motivierten Geschwafel über Grippe und Grippeimpfungen ist er eine der wenigen Stimmen, die anzuhören sich lohnt. Leider muss ich aber sagen, dass er in linguistischer Hinsicht grandios gescheitert ist.
Inwiefern?
Rüdiger Rüssel: Unser Verband hat von Beginn der Grippe-Diskussion an für eine neutrale Nomenklatur gekämpft. Der Begriff der „Neuen Grippe“ wurde ursprünglich von uns in die Debatte eingebracht – aus nachvollziehbaren Gründen. Das RKI hat sich dem auch angeschlossen, jedenfalls am Anfang. Als dann aber irgendwann im Herbst die Diskussionen über die Impfungen an Schärfe gewannen, war es mit Konsequenz in Sachen Nomenklatur plötzlich nicht mehr so weit her. Wenn der Begriff der Schweinegrippe von offizieller Seite so konsequent gemieden worden wäre, wie wir das immer gefordert haben, dann hätten wir heute eine ganz andere Situation.
Wie beurteilen Sie den Umgang der Ärzteschaft mit der Schweine-, Verzeihung, mit der Neuen Grippe und mit der Impfung dagegen?
Rüdiger Rüssel: Grunz.
Wie genau meinen Sie das?
Rüdiger Rüssel: Wenn Sie Ihr ganzes Leben im Stall verbringen, dann ist da wenig Raum für irgendwelche ideologischen Sauereien. Essen, schlafen, Ferkel werfen, und zu Weihnachten mal ein paar Eicheln - das sind Dinge, die für uns relevant sind. Ich sag's mal so: Wenn sich deutsche Ärzte den weißen Kittel ab- und statt dessen unsere rosa Haut übergestreift hätten, wären sie sensibler mit diesem Thema umgegangen.
Werden Sie sich impfen lassen?
Rüdiger Rüssel: Ja, aber nicht gegen Schweinegrippe, sondern gegen das Schlachten.
(Das Interview führte Philipp Grätzel von Grätz)