Wenn Männer in die Jahre kommen und weder Sportwagen noch Rohkost das Schwinden der Lebenskräfte bremsen, greifen manche Betroffenen zu Testosteron. Wogegen wenig zu sagen ist. Aber nur, wenn sie sich die Hände waschen. Denn über die geben sie oft umbemerkt die Hormone weiter - auch an ihre Kinder.
Zu Wasser und Seife sollten die Herren grundsätzlich dann greifen, wenn sie Testosteron als Gel nutzen, was heute überwiegend der Fall ist. Der Grund ist offensichtlich. Das Angenehme an den Hormongels ist ja, dass der Wirkstoff über die Haut aufgenommen wird, unangenehmes Pieksen also nicht erforderlich ist. Aber alles hat nunmal zwei Seiten. Und die unangenehme Seite der Testosterongele ist, dass man das Hormon auch ungewollt über die Haut aufnimmt, zum Beispiel bei häufigem Körperkontakt mit einem Mann, der sich kräftig einschmiert, aber das Waschen dann vernachlässigt.
US-Gesundheitsbehörde warnt
Dass dies ein durchaus reales und nicht nur theoretisches Problem ist, zeigt eine aktuelle Warnung der US-Amerikanischen Gesundheitsbehörde (FDA). Anlass der Warnung sind 20 in den vergangenen neun Jahren bei der FDA eingegangene Meldungen über schwere Testosteron-Nebenwirkungen bei Kindern. Die Fachinformationen weisen die Anwender zwar darauf hin, sich nach der Gelapplikation die Hände zu waschen und eingeschmierte Hautareale abzudecken. Auch sollte beim Körperkontakt mit Frauen und Kindern Vorsicht walten. Aber daran hält sich offensichtlich nicht jeder, so dass die FDA nun zwei Hersteller aufgefordert hat, ihre Testosterongel-Produkte mit Extra-Warnungen zu versehen und spezielle Sicherheitsstrategien für Kinder zu entwickeln. Die FDA-Maßnahmen sind keineswegs übertrieben, denn die gemeldeten Nebenwirkungen bei den Kindern im Alter von 9 Monaten bis 7 Jahren waren erheblich:
Bei mehr als der Hälfte der 20 Kinder wurden laut FDA erhöhte Testosteronwerte festgestellt. Nachdem die Kinder keinen Kontakt zu einem Testosterongel hatten, sind die Hormonwerte gesunken und auch die Nebenwirkungen zurückgegangen, aber nicht vollständig. Bei einigen Kindern sollen sich die vergrößerten Genitalien nur teilweise zurückgebildet haben. Bei zwei Mädchen wurde die Klitoris operativ verkleinert.
Testosteron wieder normal, aber...
Nur eine Fallgeschichte verdeutlicht schon, dass man Beipackzettel lesen und die FDA-Warnung ernst nehmen sollte. Ein drei Jahre und drei Monate altes Mädchen kam wegen Schambehaarung zur endokrinologischen Abklärung. Anamnestisch fiel auf, dass der Vater schon seit vor der Geburt des Mädchens ein Testosterongel verwendete. Statt der empfohlenen Tageshöchstdosis von 2x 5 Gramm schmierte sich der Mann jedoch nach dem Motto „Viel hilft viel“ 3x täglich je 5 Gramm auf Arm- oder Schulterhaut. Die Untersuchung des Mädchens ergab eine vorzeitige Brustentwicklung, eine präpubertale Schambehaarung, eine vergrößerte Klitoris und Labienadhäsionen. Der Testosteronwert war mit 68 ng/dl deutlich erhöht (Normwert liegt unter 5 ng/dl). Die Eltern wurden aufgefordert, sicherzustellen, dass das Kind nicht mehr in Kontakt zu dem Hormongel kam. Drei Wochen später war der Wert auf 41 ng/dl gefallen, einen Monat später mit 38 ng/dl aber immer noch viel zu hoch. Der Vater wechselte daraufhin von dem Gel auf Spritzen, die Familie rangierte ihre Bettwäsche aus und zog für einen Monat in ein Hotel. Eine Nachuntersuchung des Kindes im Alter von 5 Jahren ergab normale Testosteronwerte. Die Klitoris des Mädchens aber blieb vergrößert.
Schmalbrüstigkeit keine Indikation für Testosteron
Dass es zu unerwünschten Nebenwirkungen durch ungewollten Kontakt zu Testosterongel kommen kann, ist zwar bekannt, aber nicht der exakte Mechanismus. Rund 10 Prozent des Hormons gelangen über die Haut in den Blutkreislauf. Nach mehreren Studien bleibt ein großer Anteil des Hormons jedoch für mehr als 8 Stunden auf der Haut, wenn der Anwender sich nicht wäscht. Allerdings gibt es auch Hinweise dafür, dass Nebenwirkungen durch Testosteron in Handtüchern, Waschlappen und Bettwäsche verursacht wurden.
Die US-Gesundheitsbehörde empfiehlt daher dringend:
Und noch ein Hinweis der FDA sollte nicht fehlen: So groß die Verlockung und das Angebot im Internet auch sein mögen: Die Substitution von Testosteron hat eine mehr oder weniger klare Indikation: Das ist der klinisch symptomatische Testosteronmangel und nicht ein etwas schlapper Bizeps.