Die US-Zulassungsbehörde FDA hat Anfang Dezember verfügt, dass Diclofenac-haltige Salben und Gels in ihrem Beipackzettel künftig einen Warnhinweis auf Leberschäden enthalten müssen. In Europa verursacht das Kopfschütteln. Gefährdet ist niemand.
Wenn es irgendein Präparat aus dem Arsenal der modernen Pharmazie geschafft hat, einen „Omas Hausmittel“-Status zu ergattern, dann ist das die Schmerzsalbe Voltaren. Sie dürfte in nahezu jedem Haushalt zu finden sein, in dem über 40jährige wohnen. Gut, in Zeiten der generischen Medizin heißt ein Diclofenac-haltiges Lokaltherapeutikum im Arzneimittelschrank oder in der Sporttasche vielleicht nicht mehr immer so wie das Original. Aber kennen tut es trotzdem jeder. Voltaren ist so etwas wie das Tempo-Taschentuch unter den Schmerzmittelchen für den Hausgebrauch.
Jenseits des Atlantiks wird die Druckerpresse angeworfen
Vor allem der deutsche Patient fühlt sich ohne seine Diclofenac-Salbe oder sein Diclo-Gel nur als halbe Portion. Umso schwerer wog eine Mitteilung, die jetzt über die Ticker lief: Die US-Zulassungsbehörde FDA hat verfügt, dass die Fachinformationen Diclofenac-haltiger Schmerzgels wie eben Voltaren künftig einen Hinweis enthalten müssen, der vor einer potenziellen Erhöhung der Leberenzyme bei einer Behandlung mit Diclofenac-Natrium warnt. „In Post-Marketing-Analysen gab es Berichte über eine arzneimittelinduzierte Hepatotoxizität bei einer Therapie mit Diclofenac. Es gab es schwere hepatische Reaktionen, darunter Lebernekrosen, Ikterus, eine fulminante Hepatitis und Leberversagen“, so die FDA. Starke Geschütze also. Und damit nicht genug: Empfohlen wird sogar ein Monitoring der Transaminasen, zumindest in den ersten Wochen der Therapie. Der geneigte Voltaren-Nutzer hierzulande fragt sich angesichts solcher Monstrositäten, ob ihm da in den letzten 20 Jahren irgendetwas entgangen sein könnte. Denn immerhin sind Diclofenac-haltige Salben ja nicht erst seit gestern im Umlauf. Wer den Status als „Omas Hausmittelchen“ ergattern möchte, braucht einen langen Atem.
Diesseits des Atlantiks staunt man nur
Europäische Behörden schütteln angesichts der Entscheidung der FDA denn auch heftig mit dem Kopf. Ulrich Hagemann, Leiter der Abteilung Arzneimittelsicherheit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArm, kann die amerikanischen Kollegen überhaupt nicht verstehen. „Es gibt in Deutschland bisher keine einzige Meldung, wonach es nach Anwendung von Diclofenac-Gel zu Leberschäden und schon gar nicht zu schwerwiegenden Leberschäden gekommen sei“, so Hagemann im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter. Ein solches Schädigungsmuster sei auch wenig wahrscheinlich, weil nur geringe Mengen Diclofenac resorbiert würden und diese, anders als bei oral aufgenommenem Diclofenac, auch nicht sofort in der Leber landeten. „Wenn man den Beipackzettel ändert, sollte man schon Belege für ein Risiko haben. Die gibt es nicht. In der Datenbank des BfArm gibt es definitiv keinen einzigen Fall.“
Novartis: „Keine neuen Erkenntnisse“
Was also ist in die FDA gefahren? Das Grundproblem dürfte sein, dass es in den USA relativ wenig Erfahrung mit Diclofenac-haltigen Schmerzgels gibt, weil nicht alle Nationen so begeisterte Voltaren-Cremer hervorbringen wie Deutschland. Die Konsequenz war offensichtlich, dass die FDA den Warnhinweis für orales Diclofenac einfach per Analogschluss auf die Lokaltherapie übertragen hat. Denn dass oral aufgenommenes Diclofenac in seltenen Fällen Leberschäden verursachen kann, gilt mittlerweile als unbestritten. Entsprechend enthalten nicht nur die amerikanischen, sondern auch die europäischen Beipackzettel einen Warnhinweis.
Was die lokale Applikation angeht, so scheint es auch in den USA keine Berichte über tatsächlich aufgetretene Lebertoxizitäten zu geben. Darauf weist auch das Unternehmen Novartis hin, Hersteller des Voltaren-Gels. Als sich abzeichnete, dass das FDA-Verdikt zu Voltaren auch in Europa Anlass für Fragen gab, veröffentlichte das Unternehmen eine Stellungnahme, in der darauf hingewiesen wird, dass es sich bei dem Warnhinweis zum Voltaren-Gel um eine „Harmonisierung“ der Fachinformationen handele: „Es gibt keine aktuellen Erkenntnisse zu einer Änderung des bekannten Sicherheitsprofils von Voltaren Schmerzgel und Voltaren Emulgel“, so der Hersteller. Tatsächlich scheint hier einmal wirklich alles harmonisch zu sein, FDA hin oder her.