Weil die Impffreude der Deutschen in Sachen Schweinegrippe geringer ist als gedacht, rührt die Regierung jetzt kräftig die Werbetrommel für die Impfung. Pikant: Weil Geld fehlt, wird dafür die Kampagne für die Organspende zurückgefahren.
Zu den Merkwürdigkeiten des föderalen Gesundheitswesens gehört, dass derzeit niemand so richtig sagen kann, wie viele Deutsche sich bereits gegen die Schweinegrippe geimpft haben. Klar ist, dass die Behörden bis Ende November rund neun Millionen Dosen des GSK-Impfstoffs Pandemrix geordert haben.
Was tun mit dem ganzen Pandemrix?
Wie viele davon aber tatsächlich in den Oberarmen der Bevölkerung gelandet sind, ist völlig unklar. Die Bundesregierung gibt an, dass sich etwa fünf bis sechs Millionen Deutsche bisher hätten impfen lassen. Das ist eine Schätzung, sonst nichts. Es könnten auch viel weniger sein. Definitive Aussagen dazu wird es erst geben, wenn die ärztlichen Abrechnungsdaten für das vierte Quartal vorliegen, beziehungsweise wenn die Länder die entsprechenden Daten an die zuständigen Behörden übermittelt haben. Erst dann wird es auch möglich sein, definitive Zahlen über unerwünschte Impfreaktionen zu berechnen. Eine Sache scheint allerdings klar zu sein: Die 50 Millionen Impfstoffdosen des Impfstoffs Pandemrix, die die Bundesregierung bei GSK geordert hat, sind wohl zu viel. „Das hängt auch damit zusammen, dass wir zunächst annehmen mussten, dass zwei Impfungen nötig sind, während wir jetzt wissen, dass eine Impfung reicht“, sagte Annette Widmann-Mauz (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, bei einer Veranstaltung des Bundespresseamts zur Schweinegrippe in Berlin. Ursprünglich war geplant war, auch noch den Zellkulturimpfstoff von Novartis zu bestellen. Davon redet heute keiner mehr. Ein einziges Bundesland habe eine kleine Menge Novartis-Impfstoff bestellt, ist in Berlin zu hören. Das ist dann wohl das berühmte Feigenblatt…
Organspende, zurück ins Glied!
Der nicht-adjuvantierte Impfstoff für Schwangere und Bundesregierung, der in den nächsten Tagen verfügbar sein soll, wird die Gesamtbilanz nicht wesentlich beeinflussen. Bestellt wurde eine niedrige sechsstellige Anzahl an Dosierungen. Stellt sich die Frage, was tun. Wenn ein Händler auf einem Lager voll Ware sitzt, die er nicht los wird, dann hat er zwei Möglichkeiten, wenn er die Ware nicht vernichten will. Entweder er rührt die Werbetrommel oder er verscherbelt die Produkte. Die Bundesregierung scheint auf beide Strategien zu setzen. „Wir intensivieren derzeit die Informationsbemühungen, um mehr Menschen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen“, so Widmann-Mauz. Allerdings: Mehr Geld gibt es dafür nicht. Der PR-Topf von Gesundheitsminister Philipp Rösler bleibt so voll, wie er war. Für die laufende Schweinegrippe-Kampagne müssen demnach andere Kampagnen zurückstecken. Wo genau gespart wird, verriet Widmann-Mauz erst auf wiederholte Nachfrage: „Wir haben die Organspendekampagne zurückgefahren“, so die Staatssekretärin kleinlaut.
Frankreich hat ein echtes Problem
Auch mit einer PR-Kampagne freilich wird es nicht gelingen, kurzfristig 50 Millionen Dosen Impfstoff unters Volk zu bringen. Es besteht die Gefahr, dass die Bundesländer auf ihrem Impfstoff sitzen bleiben. Weil die Krankenkassen zudem nur dann für eine Impfung bezahlen, wenn diese auch tatsächlich im Muskel eines Impflings gelandet ist, könnten die Kosten für die Länder höher ausfallen als ursprünglich geplant. Den Bund sieht Gesundheitsminister Philipp Rösler dabei nicht in der Pflicht: „Die Länder müssen die Impfungen bezahlen“, sagte er nach einem Spitzengespräch Anfang der Woche. Allenfalls als Vermittler ein wenig unter die Arme greifen möchte der Minister den finanziell gebeutelten Länderregierungen: 2,2 Millionen Impfstoffdosen könnten in einer ersten Sales-Runde ins Ausland abgegeben werden.
Dabei ist unter Experten durchaus umstritten, ob der Impfstoff bereits jetzt abverkauft werden sollte. Erstens sei es durchaus denkbar, dass noch eine weitere Welle der Neuen Grippe komme, betonte der Ex-Präsident des Paul Ehrlich-Instituts, Professor Johannes Löwer. Und zweitens könnte der H1N1-Impfstoff durchaus auch noch später verimpft werden, wenn sich das H1N1-Virus, wie allgemein erwartet, von jetzt an in den Pool der saisonalen Grippeerreger eingliedert. Einen Trost gibt es übrigens in Sachen zu viel Impfstoff: In einigen anderen Ländern sind die Probleme größer. Vor allem Frankreich hat es mehr als gut gemeint mit seiner Bevölkerung und für 65 Millionen Menschen rund 100 Millionen Impfstoffdosen bestellt. Beim Verkauf ins Ausland wird Deutschland also nicht ohne Konkurrenz sein…