Zehn Millionen Menschen in Deutschland sollen am „Trockenen Auge“ leiden, einer keineswegs harmlosen Erkrankung, warnt der Berufsverband der Augenärzte. Zunehmend im Mittelpunkt der Forschung stehen die Sexualhormone und eine große Talgdrüse.
Die Ursachen des „Trockenen Auges“, das angeblich mehr als 60 Prozent der Büroarbeiter betrifft, sind vielfältig. Zum einen nimmt die Tränenproduktion mit dem Alter ab, zum anderen gibt es externe Faktoren, die das Austrocknen fördern, wie etwa Rauchen. Hinzu kommen chronische Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma und entzündliche Gefäßerkrankungen, bei denen das Symptom häufiger auftritt. Auch Medikamente können die Tränenproduktion beeinträchtigen, etwa Thiazid-Diuretika, Betablocker, tetra- und trizyklische Antidepressiva, Östrogene und Neuroleptika. Eine mögliche Ursache sind auch Ozon und Abgase; außerdem fördert Bildschirmarbeit in Räumen mit geringer Luftfeuchtigkeit eine verstärkte Verdunstung des Tränenfilms. Für die immer wieder geäußerte Vermutung, dass auch die Ernährung etwas mit der Augenerkrankung zu tun habe, gibt es allerdings keine Belege.
Noch zu wenig beachtet: die Meibom-Drüse
Zunehmend wird klar, dass nicht nur die Tränendrüsen, sondern auch die Meibom-Drüsen eine wesentliche Funktion bei Entstehung und Verlauf des „Trockenen Auges“ haben. Diese großen, nach dem deutschen Anatomen Heinrich Meibom benannten Talgdrüsen produzieren die äußere Lipidphase des Tränenfilms und sind daher notwendig, um eine zu starke Verdunstung der Tränenflüssigkeit zu vermeiden und die Stabilität des Tränenfilms zu erhalten. Funktionsstörungen der Meibom-Drüsen sind eine der wichtigsten Ursachen für Benetzungsstörungen der Augen, da sie zu einer mangelhaften Lipidschicht führen. Störungen der Lipidphase des Tränenfilms haben angeblich mehr als drei Viertel der Patienten mit „Trockenem Auge“, und bei rund zwei Drittel der Patienten ist dies Folge einer Dysfunktion der Meibom-Drüsen.
Die Dysfunktion der Meibom-Drüsen (auch hintere Blepharitis genannt) wird leider zu selten beachtet. Sie tritt meist als obstruktive Störung auf, die vor allem durch eine vermehrte Verhornung und/oder Veränderungen des Sekrets ausgelöst wird. Einen großen Einfluss auf die Funktion der Meibom-Drüsen hat das Alter. Die durchschnittliche Zahl aktiver Drüsen nimmt zwischen dem 20. bis 80. Lebensjahr um 50% ab. Nach aktuellen Untersuchungen ist auch das Tragen von Kontaktlinsen mit einer Abnahme der aktiven Drüsenmenge assoziiert - abhängig von der Dauer des Kontaktlinsentragens, aber unabhängig vom Linsenmaterial.
Androgene gut, Östrogene schlecht
Viele Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass ein Androgenmangel, wie er in der Menopause, im Alter und unter antiandrogener Therapie oder auch bei testikulärer Feminisierung auftritt, zur Drüsendysfunktion führt. Denn Androgene kontrollieren Entwicklung, Differenzierung und Lipidproduktion der Talgdrüsen im ganzen Körper des Menschen. Sie wirken primär an den epithelialen Azinuszellen der Talgdrüsen, wo sie unter anderem zu einer gesteigerten Transkription bestimmter Gene führen und Proteine herstellen, die zur Lipidsynthese und -sekretion benötigt werden. Im Gegensatz hierzu hemmt eine antiandrogene Therapie die Aktivität und Sekretion der Drüse.
Während Androgene die Funktion der Meibom-Drüsen eher fördern, wirken sich Östrogene negativ aus - ähnlich wie auch bei der Tränendrüse, wobei Art und Größenordnung der Östrogenwirkung auf die Tränendrüse noch unklar sind und kontrovers diskutiert werden. Im Gegensatz zum Androgeneinfluss weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine Östrogen-Hormonersatztherapie zu einer Meibom-Drüsendysfunktion und einem „Trockenen Auge“ führt. Nach Ansicht von Dr. Frank Schirra von der Klinik für Augenheilkunde im Universitätsklinikum des Saarlandes und seinen Kollegen „basiert dieser Östrogeneinfluss in erster Linie auf einer Suppression der Meibom-Drüsen“ mit der Folge, dass Größe, Aktivität und Lipidproduktion der Talgdrüsen abnehmen.
Östrogene wurden daher auch viele Jahre verwendet, um die Talgproduktion zu unterdrücken. Da Östrogene die Androgenwirkung in den Talgdrüsen antagonisieren, wurden sie laut Schirra auch als das „Haupttherapeutikum zur Reduktion der Androgeneffekte an Talgdrüsen bezeichnet“. Die antiandrogene Wirkung der Östrogene ist dosisabhängig und kann durch physiologische Androgenmengen aufgehoben werden. Androgene reduzieren außerdem die Zahl der Östrogenbindungsstellen in Talgdrüsen. Es ist daher nachvollziehbar, dass Östrogene bei Frauen in der Menopause, die ja einen Androgenmangel haben, zu einer Meibom-Drüsendysfunktion und einem „Trockenen Auge“ führen.
Die Meibom-Therapie: Tupfer, Tropfen, Tetrazykline
Wie sieht nun die Therapie beim „Trockenen Auge“ durch eine Dysfunktion der Meibom-Drüsen aus? Es hat sich bewährt, nach Schweregrad und Beschwerdebild in einem abgestimmten Stufenplan vorzugehen. Selten werden auch chirurgische Eingriffe notwendig.
1. Lidhygiene Die Lidhygiene wird als Basisbehandlung empfohlen und bewährt sich bei den meisten Patienten. Die Patienten sollen zweimal täglich für etwa 5 Minuten feuchte, warme Kompressen oder Tupfer auf die geschlossenen Lider legen und dann Verkrustungen auf dem Lidrand entfernen.
2. Tränenfilmersatz Hilfreich sind häufig auch Tränenersatzlösungen. Bei hoher Tropffrequenz sollte dies möglichst mit konservierungsmittelfreien Lösungen erfolgen, um die Oberflächenepithelien nicht zusätzlich zu schädigen. Es kann vorteilhaft sein, wenn diese Tränenersatzmittel Lipide in den unterschiedlichen Darreichungsformen (Tropfen, Gel, Spray) enthalten.
3. Verbesserung der Sekretqualität Bei schweren Formen der obstruktiven Dysfunktion hat sich eine längerfristige Therapie mit systemischen Tetrazyklinen bewährt. Diese werden über mehrere Wochen, eventuell auch über Monate, in einer Dosis die unterhalb der antibiotischen Wirkschwelle gegeben. Tetrazykline hemmen die Lipasen, die von der vermehrten kommensalen bakteriellen Flora des Augenlids produziert werden und die Zusammensetzung der Meibom-Lipide negativ verändern. Außerdem hemmen sie die Aktivität von gewebezerstörenden Matrixmetalloproteinasen sowie die Bildung inflammatorischer Zytokine und damit mögliche Entzündungsvorgänge, die bei einer Dysfunktion der Drüsen auftreten können.
4. Punctum Plugs Wenn das „Trockene Auge“ allein Folge einer Störung der wässrigen Schicht des Tränenfilms ist, können auch eine Verödung oder ein Verschluss der Tränenpünktchen (Punctum Plugs) helfen.