Was wird nicht alles gegen Erektile Dysfunktion aufgeboten: Pillen, Pumpen und Psychoanalyse sollen der Lendenschwäche aufhelfen. Einen neuen Therapieansatz haben Wissenschaftler ausprobiert: Sie rückten den Patienten mit Stoßwellen auf den Unterleib.
Gegen die Erektile Dysfunktion, nach einer Definition „die fortwährende Unfähigkeit, eine penile Erektion, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht, zu erreichen oder aufrecht zu erhalten“ gibt es jede Menge todsichere Therapien – glaubt man zumindest den E-Mail-Nachrichten, die nicht nur Männern ungefragt in die Mailbox flattern. Seriöse Auskunft zu diesem ernsten Thema, das nach Angaben der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN) 2,3 Prozent aller Männer in der dritten und 53,4 Prozent in der siebten Lebensdekade betrifft, geben einschlägige Leitlinien. Die DGN etwa benennt bei der Pharmakotherapie der ED neben den 5-Phosphodiesterase-Hemmern das Apomorphin, Yohimbin und lokale Pharmakotherapeutika wie MUSE und SKAT als mögliche Therapieooptionen, außerdem lokale Hilfsmittel, zum Beispiel Vakuumpumpen und die lokale Elektrotherapie.
Schwache Stöße machen Männer stark
Helfen könnten möglicherweise auch extrakorporale Stoßwellen, wie sie bei der Lithotripsie eingesetzt werden, nur mit wesentlich geringerer Energie. Das behauptete zumindest Yoram Vardi, Leiter einer urologischen Abteilung des Rambam Medical Center in Haifa, Israel, beim „12th Congress oft the European Society for Sexual Medicine“ in Lyon. Er konnte 20 ED-Patienten im Durchschnittsalter von 56,1 Jahren, deren Beschwerden seit durchschnittlich 35 Monaten bestanden, für eine Pilotstudie gewinnen, bei der er ihren Penisschaft an fünf verschiedenen Punkten jeweils drei Minuten lang mit Stoßwellen einer Intensität von 0,09 mj/mm2 behandelte. Eingeschlossen waren nur Probanden, deren Gefäße vermutlich geschädigt waren. Neurale, psychogene und postoperative ED-Ursachen wurden ausgeschlossen. Die Behandlung dauerte jeweils drei Wochen, umfasste zwei Sitzungen pro Woche und wurde nach einem dreiwöchigen therapiefreien Intervall wiederholt.
Bei 14 von 20 Patienten besserten sich die Beschwerden signifikant: Lagen ihre Werte zu Beginn der Studie im „International Index of Erectile Function – Erectile Dysfunction (IIEF-ED)“ zwischen 12 und 20 Punkten, so stiegen diese Werte durch die Stoßwellentherapie signifikant um durchschnittlich 6,3 Punkte (p gleich 0.001) an. Parameter der nächtlichen Penistumeszenz (NPT) entwickelten sich bei 15 von 20 Probanden positiv. Das betraf vor allem die Dauer der Erektionen und deren Härte. Unerwünschte Nebenwirkungen gab es nach Angaben des Studienleiters nicht.
Stoßwellen haben gefäßstimulierende Potenz
Vardi führt diesen Erfolg darauf zurück, dass Stoßwellen die Neubildung von Gefäßen fördern sollen. Tatsächlich gibt es starke Hinweise darauf. So hat eine Arbeitsgruppe der Tohoku University Graduate School of Medicine in Japan kürzlich nachgewiesen, dass schwache Stoßwellen – etwa im Zehntelbereich der Energie, die bei der Urolithiasis eingesetzt wird – die Expression endothelialer Wachstumsfaktoren fördert. Im Tierversuch konnten die Japaner damit die myokardiale Durchblutung verbessern.
Darum stellt der israelische Mediziner Vardi auch eindeutig klar, dass sein Therapieansatz nur für jene Männer geeignet sei, deren Schwäche eindeutig vaskuläre Ursachen hat. Für diese Gruppe könnte sich die Stoßwellentherapie aber nach Vardis Einschätzung zu einer der wenigen nicht-medikamentösen Therapieoptionen entwickeln. Weitere Studien sollen dazu nun Daten liefern.
Genau diese weiteren Studien fordert auch Prof. Dr. Frank Sommer, Professor für Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er hält Vardis Untersuchung zwar für einen „interessanten Ansatz“, bemängelt aber, dass es keine Kontrollgruppe gab. „Weitere wissenschaftlich kontrollierte Studien an einem größeren Patientenkollektiv müssten den positiven Effekt von Herrn Vardi bestätigen, bevor man in Euphorie ausbricht“, zeigt sich der Hamburger Mediziner vorsichtig. Ähnlich zurückhaltend urteilt Prof. Dr. Sabine Kliesch, Chefärztin der Klinischen Andrologie an der Universitätsklinik Münster und Schriftführerin der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU). Extrakorporale Stoßwellen hätten nur bei nicht kontrollierten Studien gute Effekte erzielt. „Sobald eine placebokontrollierte Studie durchgeführt wurde, waren die Effekte nicht mehr nachweisbar“, sagt die Ärztin und ist daher „mit einer positiven Beurteilung extrem zurückhaltend.“