Für Raucher die Erlösung: Kein Rauchverbot mehr in Kneipen. Elektrisch erzeugter Dampf, vermischt mit Nikotin und Aromen, verspricht Genuss, ohne die Umwelt zu belasten. Was wie ein Glimmstängel aussieht, nennt sich E-Zigarette. Aber kann das gesund sein?
Bei der elektrischen Zigarette, Zigarre oder Pfeife wird in der Regel flüssiges Nikotin, verpackt in so genannten Depots oder Kartuschen, in Dampf aufgelöst und das dabei entstehende Aerosol eingeatmet. Der Raucher inhaliert also keinen Tabakrauch und deshalb auch keinen Teer, kein Kohlenmonoxid oder sonstige krebserregende Stoffe, so das Credo der Online-Anbieter. Und wo kein Tabak verbrennt, gebe es für E-Smoker aber auch für Passivraucher kein gesundheitliches Risiko. Die elektrischen Glimmstängel kann man bisher nur in einschlägigen Web-Shops bestellen. Ein großer Teil der nikotinhaltigen Vaporizer wird von Händlern aus China importiert. Auf die Frage, wie groß der deutsche Markt bzw. die Nachfrage ist, hüllen sich die Anbieter in Schweigen. Es laufe ganz ordentlich, ist zu hören. Insgesamt drängt sich das Gefühl auf, dass die E-Gemeinde den Ball absichtlich flach hält. Man will offensichtlich keine schlafenden Hunde wecken. Denn noch gibt es zu viele offene Fragen. Was wird eigentlich in welchen Mengen inhaliert? Sind in dem Gemisch aus Nikotin und Aromen karzinogene Stoffe enthalten? Besteht Sucht- oder Vergiftungsgefahr? Sollen die gleichen Vorschriften wie für Tabakprodukte gelten? Oder fallen die Elektro-Zigaretten unter die Arzneimittelverordnung, wenn mit Raucherentwöhnung geworben wird?
Internethandel erschwert Verbote
Wie sicher oder unsicher E-Zigaretten sind, diese Frage beschäftigt weltweit Gesundheitsorganisationen. In einigen Ländern ist der Import, die Produktion und der Verkauf verboten, wie beispielsweise in Australien, Brasilien und Dänemark. In Österreich gelten die E-Dampfer als Arzneimittel und bedürfen daher der Zulassung gemäß Arzneimittelverordnung. Ein Antrag liegt bisher nicht vor, aber gedampft wird trotzdem. Der Insidertipp: Preiswert in Holland bestellen. In der Schweiz ist der Verkauf von E-Zigaretten gesetzlich verboten, wenn sie Nikotin enthalten. Aber Verbote lassen sich eben im Internet-Handel nur schwer durchsetzen.
Harmlose Menge krebserregender Stoffe?
Das britische Gesundheitsministerium richtete sich vor kurzem an die Öffentlichkeit mit der Empfehlung, "vorsichtig" beim Konsum von E-Zigaretten zu sein. Anlass für die britische Stellungnahme war ein Bericht im British Medical Journal (BMJ). Darin fordern zwei griechische Forscher, den Konsum des Rauchersatzes ganz einzustellen, so lange nicht in Studien nachgewiesen ist, dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Sie bemängeln, dass die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen sehr spärlich sind. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) berichtete beispielsweise, dass sie Spuren von krebsfördernden Chemikalien entdeckt hätte. Beispielsweise Diethylenglykol, das u.a. ein Bestandteil von Gefrierschutzmitteln ist. Zu den festgestellten Mengen gibt es keine Angabe. Ein griechisches Institut hingegen, das die Dampfstängel ganz neutral untersuchte, konnte keine chemische Kontaminierung feststellen. Ein privates Gesundheitsunternehmen auf Neuseeland stellte wiederum krebserzeugende Stoffe fest. Allerdings handele es sich um harmlose Mengen. Die Neuseeländer kommen zu dem Ergebnis, dass E-Zigaretten eine sichere Alternative zu normalen Zigaretten sind. Die Studie wurde übrigens vom chinesischen Hersteller der elektrischen Zigarette "Ruyan" finanziert.
Langzeitstudien fehlen
In Deutschland gibt es bisher nur eine offizielle Stellungnahme zu elektronischen Zigaretten. Sie wurde 2008 vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlicht. Darin heißt es: "Das BfR rät zu vorsichtigem Umgang mit den elektronischen Zigaretten." Eine abschließende gesundheitliche Bewertung sei nicht möglich, da wesentliche Informationen fehlen. Bleibt die Frage: Warum? Von Dr. med. Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle erfährt DocCheck, dass es bisher noch keine Langzeitstudien gibt, weil die strittigen Produkte noch nicht so lange auf dem Markt sind. Am DKFZ werden die Inhaltsstoffe der E-Dampfer, wie beispielsweise Propylenglykol, Glyzerin, Ethanol und diverse Aromen, mit denen das Gemisch schmackhaft gemacht wird, seit ein paar Jahren genauer unter die Lupe genommen. Die Frage sei, wie verträglich diese Substanzen sind, wenn sie über einen längeren Zeitraum direkt inhaliert werden. Die bisherigen Erkenntnisse, so die Medizinerin, reichen nicht aus, um gesundheitliche Schäden auszuschließen. Deswegen sei es unverantwortlich, von harmlosen Mengen krebserregender Stoffe zu sprechen.
Unklare Kompetenzen
Sorgen bereiten Pötschke-Langer auch die gerade in USA gestarteten Marketingaktionen, mit denen insbesondere junge Menschen zum Konsum von E-Zigaretten verlockt werden sollen. Und das, obwohl bekannt sei, dass Nikotin abhängig macht. Offensichtlich gibt es in Amerika weniger Skrupel, was die Bedenklichkeit des Dampfstängels betrifft. Ein Bundesgericht sprach der FDA gerade die Kompetenz ab, die strittigen Produkte als Arzneimittel einzustufen und verbot der Administration, die Einfuhr und den Vertrieb zu behindern. In Deutschland, so erfahren wir aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), ist die Überwachung der Sicherheit und der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von E-Zigaretten Ländersache. Bei weiteren Fragen könnten wir uns bitte an das Bundesgesundheitsministerium wenden. Das haben wir getan. Eine Antwort steht noch aus. Es erreichte uns schließlich noch eine Stellungnahme von einem Promoter der E-Zigarette, Christoph Jungmann. Er sieht einer gesetzlichen Regelung skeptisch entgegen, weil die Tabakindustrie ein starkes Eigeninteresse haben wird, die elektrische Variante zu verbieten. Jungmann schätzt, dass derzeit etwa 1.000 E-Zigaretten pro Monat in Deutschland verkauft werden.