Auch wenn Tränen trocknen und Wunden heilen - die Erinnerung und die Angst bleiben. Das kann die Lebensqualität der Betroffenen von Katastrophen oder Unfällen noch viele Jahre später ganz erheblich einschränken. Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Was ist eigentlich eine PTBS?
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder auch post traumatic stress disorder (PTSD) ist eine verzögerte und lang anhaltende Reaktion auf mindestens ein traumatisches Erlebnis. Das belastende Erlebnis ist in der Regel mit einer möglichen existenziellen Bedrohung verbunden, so zum Beispiel im Rahmen von körperlicher Gewalt, Naturkatastrophen oder Krieg. Dabei spielt es keine Rolle, wie lang die traumatische Situation angehalten hat.
Auch Personen, die nicht unmittelbar bedroht aber Augenzeuge des Geschehenen waren, können eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln, etwa nach Mitansehen eines Mordes oder eines schweren Unfalls. Die Betroffenen durchleben die traumatische Situation immer wieder, so zum Beispiel in Form sich aufdrängender Erinnerungen oder Albträumen.
Es ist normal und gehört zum Verarbeitungsprozess, wenn in den ersten Wochen nach einem Autounfall das Quietschen der Bremsen in den Träumen immer wiederkehrt oder in sexuell missbrauchten Frauen Panik aufsteigt, wenn sie Schritte hinter sich hören. Stellt sich aber auch nach Monaten nicht schrittweise die Normalität wieder ein,brauchen Betroffene professionelle Hilfe.
Wie entsteht eine PTBS?
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann viele Ursachen haben. Sie entsteht jedoch immer als verzögerte Reaktion auf ein traumatisches, sehr belastendes Ereignis wie zum Beispiel:
Nicht jeder Mensch, der eine ungewöhnlich belastende Situation durchlebt, erkrankt in der Folge an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Vielmehr spielen auch andere Einflüsse eine Rolle, so zum Beispiel vorangegangene traumatische Erfahrungen oder genetische Einflüsse. Generell erkranken eher Personen, die psychisch nicht sehr belastbar sind, jedoch können auch psychisch stabile Menschen eine PTBS entwickeln. Frauen erleiden häufiger eine PTBS als Männer. Ein niedriges Alter zum Zeitpunkt der Belastung stellt einen weiteren Risikofaktor dar, ebenso ein mangelndes soziales Netzwerk und ein niedriger sozioökonomischer Status. Allerdings gilt die lange weit verbreitete Ansicht, an PTBS erkrankte Menschen seien schwach, verweichlicht oder gar Simulanten heute als obsolet! Die verantwortlichen biologischen Mechanismen sind nämlich durchaus physiologisch.
In lebensbedrohlichen Momenten der Todesangst reagiert der Körper damit, immense Mengen Cortisol und Adrenalin auszuschütten, um den Organismus auf Kampf oder Flucht einzustellen. Besonders stark wirkt das Stresshormon Cortisol auf den Hippocampus. Dieser Teil des Gehirns ist dafür zuständig, Erlebtes aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Sind Erlebnisse schlimm und erschreckend, aber nicht traumatisch, funktioniert das Gehirn im Prinzip wie eine Digitalkamera. Es speichert zusätzlich zur Bilddatei auch Zeit- und Ortsdaten ab. Das Erlebte bleibt also im Kontext eingebunden und verbleibt als eine Episode im biografischen Gedächtnis.
Die großen Cortisolmengen, die den Körper in traumatischen Situationen überfluten, stören jedoch diesen Vorgang. Dadurch sind die Erinnerungsbruchstücke sozusagen ohne Zuordnung zum entsprechenden Ordner im Gehirn. Das Gehirn knüpft deshalb die mit dem Reiz verbundenen Ängste nicht an die Vergangenheit, sondern sie sind immer gegenwärtig.
Ähnlichkeitsreize rufen sie immer wieder wach und führen zu so genannten Flashbacks. Untersucht man Personen nach traumatischen Erlebnissen mit bildgebenden Verfahren, und führt man ihnen dabei über Lautsprecher oder Bilder Reize zu, die sie an das Erlebnis erinnern, kann man sehen, dass die Sprachzentren abgeschalten, dafür aber die Erregungszentren im Gehirn hoch aktiv sind und der Mensch physiologisch wieder in der Situation ist. Er erlebt sie wie die Realität. Schwersttraumatisierte können daher häufig nicht über das Erlebte sprechen, selbst wenn sie es möchten. Denn die heimatlosen Dateien sind im Gehirn nicht mit Sprache verknüpft. Die Bilder und Emotionen brechen über Betroffene herein, ohne dass sie sie in Worte fassen oder ihnen gar mit Logik begegnen können.
Wie äußert sich eine PTBS?
Die Symptome einer PTBS treten in der Regel mit einer Verzögerung von einigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten oder sogar Jahren nach dem traumatischen Erlebnis auf. Drei Symptome sind besonders typisch dafür, dass kein heilsamer, sondern ein pathologischer Verarbeitungsprozess abläuft:
Intrusion: Das Trauma bricht plötzlich in den Alltag ein, schlagartig ist das Erlebte wieder ganz nah. Das ist auch in Form von Flashbacks möglich.
Vermeidung: Opfer versuchen, Situationen, Orten oder Personen aus dem Weg zu gehen, die Erinnerungen an das traumatische Erlebnis wecken könnten.
Übererregung: Betroffene kommen nicht zur Ruhe. Sie befinden sich in einem dauerhaften Zustand großer Angst, Anspannung, Nervosität und Schreckhaftigkeit.
Das kann zu Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Aggressionen, einer erhöhten Suchtneigung, Ängsten und Depressionen, aber auch zu Verspannungen und Schmerzzuständen (Somatisierung) führen und auf lange Sicht den Charakter verändern. Hinzu kommen sehr häufig Symptome einer emotionalen Taubheit: Der Betroffene zieht sich aus dem sozialen Leben zurück und zeigt kein Interesse mehr an Dingen, die ihm vorher Freude bereitet haben. Er wirkt gleichgültig, lustlos und teilnahmslos.
Wie kann man eine PTBS behandeln?
Die Therapie der PTBS sollte möglichst rasch nach der Diagnose erfolgen. Zunächst sollte sichergestellt werden, dass der Betroffene vor einer möglichen weiteren Einwirkung durch das Trauma geschützt wird. Das Gefühl von Sicherheit ist die Grundlage jeder Therapie. Vorher sollte auf keinen Fall versucht werden, über das Erlebte zu sprechen! Es ist sehr wichtig, dass das Erlebte sehr behutsam und unter erfahrener Anleitung angesprochen wird, da sich das Beschwerdebild ansonsten verschlechtern kann. Exemplarisch sind hier die Holocaustüberlebenden die als Darsteller im Spielfilm Schindlers Liste erstmalig und ohne psychologische Betreuung über ihre traumatischen Erlebnisse gesprochen haben und deren psychischer Zustand sich daraufhin teilweise stark verschlechterte.
Je nach Schwere der Erkrankung ist eine ambulante oder stationäre Therapie möglich. Als Therapieform kommt beispielsweise eine konfliktzentrierte Psychotherapie in Betracht, bei der das Trauma bearbeitet wird. Weitere Therapieverfahren, die im Rahmen einer PTBS angewendet werden, sind die Verhaltenstherapie, Hypnotherapie, Entspannungstechniken oder auch das so genannte EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), bei dem die belastende Situation mithilfe gezielter Stimulation, unter anderem durch gezielte Augenbewegungen, bearbeitet wird.
Bestehen die Beschwerden über einen längeren Zeitraum hinweg, kann der Betroffene zusätzlich insbesondere mit Antidepressiva mit Wirkstoffen wie zum Beispiel Mirtazapin, Opipramol oder Citalopram unterstützt werden. Bei Schlafstörungen helfen Wirkstoffe wie Trimipramin oder Promethazin. In speziellen Selbsthilfegruppen können sich PTBS-Betroffene darüber hinaus austauschen und gegenseitig unterstützen. Auch hier gilt jedoch: Erst Stabilität und Sicherheit gewährleisten, dann erst aufarbeiten!