Ein Schlaganfall ist nicht nur Folge eines ungesunden Lebensstils. Es mehren sich die Hinweise, dass auch Entzündungen wie die Gürtelrose Schlaganfälle und Gefäßsklerose fördern – vor allem dann, wenn das Zoster-Virus die Augen befällt.
Über einen auffallend engen Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Schlaganfall haben vor kurzem taiwanesische Forscher in der US-Fachzeitschrift "Neurology" berichtet. Nach Angaben der Ärzte der Universität in Taipei bekamen von 658 Patienten mit Gürtelrose acht Prozent innerhalb eines Jahres nach der Diagnose einen Schlaganfall. In einer Kontrollgruppe mit knapp 2000 Zoster-freien Personen waren es nur zwei Prozent. Besonders stark war der Zusammenhang zwischen Zoster ophthalmicus und Schlaganfall. Hier sei die Apoplexie-Rate um den Faktor vier erhöht gewesen, berichten die Neurologen um Dr. Jau-Der Ho. Laut Ho war dieses Ergebnis unabhängig davon, ob die Patienten antiviral behandelt wurden oder nicht. In einem Kommentar betonen Dr. Maria Nagel aus Denver und Dr. Gustavo A. Ortiz aus Miami allerdings, dass weitere Studien notwendig seien, um den Einfluss einer antiviralen Therapie und auch von Steroiden auf das Schlaganfall-Risiko beurteilen zu können. Für Professor Howard S. Kirshner von der Vanderbilt Universität in Nashville sind die Ergebnisse der taiwanesischen Ärzte vor allem ein weiteres Argument für eine Impf-Prophylaxe der Windpocken.
Die taiwanesischen Forscher hatten übrigens bereits im Oktober 2009 eine Studie mit ähnlichen Ergebnissen publiziert. Für diese Studie hatten sie Krankheitsverläufe von 7760 Patienten ausgewertet, die zwischen 1997 und 2001 wegen Gürtelrose behandelt worden waren. Zum Vergleich wurden Daten von 23.280 Erwachsenen ohne Gürtelrose herangezogen. Während eines Jahr erlitten insgesamt 439 Patienten einen Schlaganfall. Bei einer Schlaganfallrate von 1,71 Prozent in der Zoster-Gruppe im Vergleich zu 1,31 Prozent in der Vergleichs-Gruppe ergab die Auswertung ein um 31 Prozent erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall. Die Inzidenz der hämorrhagischen Schlaganfälle war um den Faktor 2,8 erhöht. Besonders gefährlich sei offensichtlich der Zoster ophthalmicus, berichteten die Forscher schon damals.
Mehr Atherosklerose durch viralen Gefäßschaden
Möglicherweise verursache das Virus bei einigen Menschen einen leichten Gefäßschaden, der zwar ohne Schlaganfall einhergehe, aber eine bestehende Atherosklerose noch fördere, vermuten Ho und seine Kollegen. Aus den bisherigen Ergebnissen dürfe aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Gürtelrose einen Schlaganfall verursache. In der Studie sei nur ein Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang gefunden worden, dem allerdings nachgegangen werden sollte.
Mehr Schlaganfälle bei starkem Stress
Vielleicht trage außer der Varizellen-Vaskulopathie auch der Schmerz-bedingte Stress zu dem erhöhten Schlaganfall-Risiko bei, erklärten die Forscher. Dass Stress Schlaganfälle begünstigen kann, hatten letztes Jahr unter anderen schwedische Forscher berichtet. Eine retrospektive Daten-Auswertung ergab bei Patienten mit starkem Stress ein um den Faktor 3,5 erhöhtes Risiko. Diese retrospektive Analyse sei natürlich mit Vorsicht zu interpretieren, schrieb Studienleiterin Dr. Katarina Jood von der Universität von Göteburg in der Zeitschrift "BMC Medicine". Prospektive Studien sollten daher folgen.
Bei Kindern bekannt: Schlaganfälle nach Windpocken
Gefäßerkrankungen im Zusammenhang mit dem Windpocken-Virus sind schon lange bekannt. Das Varizellen-Virus ist das einzige humanpathogene Virus, das sich in den Hirnarterien vermehrt. Auch ischämische Schlaganfälle nach Varizellen-Infektion sind nicht ungewöhnlich – allerdings bei Kindern, berichtete erst vor wenigen Monaten die US-amerikanische Kinderneurologin Dr. Catherine Amlie-Lefond aus Wisconsin in den "Current Neurology and Neuroscience Reports". Die immer wieder geäußerte Vermutung, die Windpocken-Impfung könne zu Schlaganfällen führen, konnte übrigens nicht belegt werden.
Viele Infektionen = dicke Gefäßplaques
Die Befunde der taiwanesischen Wissenschaftler zum Zusammenhang von Schlaganfall und Gürtelrose ergänzen eine Fülle von Studien, nach denen die Atherosklerose, sei es der Herz- oder auch der Hirngefäße, durch Infektionen gefördert werde. Im Januar dieses Jahres zum Beispiel meldeten Professor Mitchell S. V. Elkind von der Columbia-Universität in New York und seine Kollegen, dass es eine enge Assoziation zwischen Infektionen und Schlaganfall sowie Plaque-Instabilität in der Halsschlagader gebe.
Die US-Forscher hatten Seren von 861 Patienten ohne Schlaganfall auf Antikörper gegen Chlamydia pneumoniae, Helicobacter pylori, Cytomegalievirus und Herpesvirus 1 und 2 untersucht. Besonders häufig fanden sie Antikörper gegen H. pylori (54,5 Prozent) und vor allem gegen Herpesvirus 1 (86,9 Prozent). Das Team beobachtete die Testpersonen knapp acht Jahre lang. In dieser Zeit erlitten 67 Probanden einen Schlaganfall. Dabei zeigte sich, dass jede einzelne Infektion nur zu einem geringen Teil zum Schlaganfallrisiko beitrug, wenn die Forscher alle sonstigen Risikofaktoren berücksichtigten. In der Häufung mehrerer Infektionen zeigte sich allerdings ein auffälliges Risikomerkmal.
Etwas mehr als die Hälfte der Patienten hatten Plaques in ihren Halsschlagadern. Eine Analyse ergab, dass diese Plaques umso dicker waren, je stärker ausgeprägt die so genannte "Infektions-Belastung" war, wobei die Forscher zur quantitativen Beurteilung der Infektions-Belastung einen speziellen Index verwendeten.
Es gebe immer mehr Belege dafür, dass Infektionen ein Stimulus für eine Atherothrombose und – vermittelt über eine Entzündung – an der Genese der Gefäßsklerose beteiligt seien, schrieben Elkind und seine Kollegen in dem Fachblatt "Stroke". „Unser Ergebnis könnte Konsequenzen für die Praxis haben“, sagte der Neurologe. „So könnte eine strikte Bekämpfung der Krankheitserreger letztlich das Schlaganfallrisiko senken.“ Allerdings müssten weitere Studien zeigen, ob antivirale Mittel oder Antibiotika effektiv seien. So haben sich zum Beispiel Antibiotika gegen Chlamydien, die eine Lungenentzündung hervorrufen, als wenig wirksam zur Prävention von Herzerkrankungen erwiesen. Ob das für den Schlaganfall ebenfalls zutrifft, muss sich aber noch erweisen.