Bis Patienten mit seltenen Erkankungen eine klare Diagnose erhalten, ist oft schon wertvolle Zeit für die Therapie verloren gegangen. Der bundesweite NAMSE-Plan soll das ändern: Zentren für seltene Erkrankungen werden so vernetzt, dass die Diagnostik erheblich beschleunigt werden kann.
Rund vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer der über 8.000 bekannten seltenen Erkrankungen. Oft erhalten diese Patienten erst nach einer jahrelangen Odyssee von Arzt zu Arzt die richtige Diagnose, wodurch die Betroffenen und ihre Familien unerträglich lange in Unsicherheit bleiben und oft wertvolle Zeit für die Therapie verloren geht, schildert Prof. Annette Grüters-Kieslich, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Mit der Umsetzung des NAMSE-Plans, dem Nationalen Aktionsplan für Menschen mit seltenen Erkrankungen, soll sich dies ändern. Dazu werden sich im Rahmen des Projektes etablierte Zentren für seltene Erkrankungen an neun Standorten der Universitätsmedizin (Berlin, Bonn, Dresden, Essen, Hamburg, Heidelberg, Lübeck, München, Tübingen) zunächst regional so miteinander vernetzen, dass sie sich in ihrer Expertise ergänzen. Die regionalen Netzwerke werden sich dann wiederum auch länderübergreifend austauschen.
Ziel ist es, durch standardisierte Prozesse die Diagnostik deutlich zu beschleunigen und zudem bundesweit eine kontinuierliche und wohnortnahe Versorgung bis in das Erwachsenenalter sicherzustellen, erklärt Grüters-Kieslich. So würden unklare Fälle und Verläufe künftig mit den Experten der verschiedenen Standorte in Fallkonferenzen diskutiert, ähnlich wie dies heute bereits in den Tumorkonferenzen der Krebszentren praktiziert werde. Auch die Kommunikation zu den niedergelassenen Ärzten soll verbessert werden. Im gesamten Klinikverbund werden darüber hinaus künftig definierte diagnostische und therapeutische Pfade umgesetzt. Auch soll die aufwändige und teure mehrstufige genetische Diagnostik, die bislang bei Patienten mit unklaren Krankheitsbildern eingesetzt wird, durch innovative Methoden ersetzt werden, wenn dies standortübergreifend alle Experten für sinnvoll erachten. Die beteiligten Krankenkassen werden dazu im Rahmen des Projektes stärker in eine umfassendere Anfangsdiagnostik investieren. Neben der AOK Nordost ist die BARMER Konsortialpartner in dem Projekt. „Zum einen verkürzt dies die leidvolle Odyssee der Patienten. Zum anderen erhoffen wir uns davon auch eine bessere Versorgung für unsere Versicherten, denn durch eine schnellere Diagnostik können auch Mutationen erkannt und entsprechend therapiert werden, die im ersten Ansatz vielleicht gar nicht bedacht wurden“, erläutert Dr. Werner Wyrwich, Mediziner bei der AOK Nordost, die Motivation der beteiligten Krankenkassen.