Vier bis zwölf Patienten täglich erliegen bundesweit einer nosokomialen Infektion. Hilfreich wäre, wenn zum Beispiel beatmete Patienten regelmäßig auf Keime untersucht werden. Damit liessen sich etwa viele Pneumonien besser therapieren.
Jedes Jahr kommt es an deutschen Kliniken zu 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen – so aktuelle Daten des Nationalen Referenzzentrums für die Surveillance von nosokomialen Infektionen, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, des Aktionsbündnisses Patientensicherheit sowie der Deutschen Sepsis-Gesellschaft. Während sich endogene nosokomiale Infektionen nur teilweise verhindern lassen, sind »exogene Infektionen weitestgehend zu vermeiden«, so Prof. Dr. Petra Gastmeier von der Berliner Charité.
Nach den Worten der Hygieneexpertin wären bundesweit jährlich zwischen 80.000 und 180.000 nosokomiale Infektionen zu verhindern. Die vermeidbaren Todesfälle in deren Folge belaufen sich laut Prof. Gastmeier auf 1.500 bis 4.500 – was die genannten vier bis zwölf Todesfälle täglich ergibt. Diese Zahlen gehen aus zwei unabhängig voneinander geführten epidemiologischen Studien, der Interventionsstudie NIDEP 2 sowie der Prävalenzstudie des Kompetenznetzwerks Sepsis (SEPNET), hervor. Obwohl es sich bei den ermittelten Daten um Abschätzungen handelt, belegen sie eindrucksvoll die enorme Dimension des Problems in deutschen Kliniken. Effektivere Hygienemaßnahmen könnten diese Situation verbessern und »die Zahl der Infektionen deutlich reduzieren«, so Prof. Gastmeier.
Dank frühzeitiger Keimidentifizierung gezielter behandeln
Großer Handlungsbedarf besteht vor allem auf Intensivstationen (ITS). Die hier erworbenen Infektionen gefährden kritisch kranke Patienten in einem besonders hohen Ausmaß und steigern Mortalität, Letalität und Kosten deutlich. Die häufigsten Infektionen bei maschinell beatmeten Patienten sind laut Prof. Dr. Harald Seifert, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Köln, ventilator-assoziierte Pneumonien. Kurz VAP genannt, gehören diese »mit einer Letalität zwischen neun und 45 Prozent zu den häufigsten infektionsassoziierten Todesursachen auf ITS«, so Prof. Seifert. Da jede Verzögerung des Therapiebeginns die Letalität erhöht, erfordert eine VAP den umgehenden Einsatz von Antibiotika. Zur Anwendung kommen dabei Breitbandantibiotika, um ein möglichst großes Erregerspektrum zu erfassen. Die Erreger der VAP sind schließlich initial noch nicht bekannt und auch eine sofortige, aber inadäquate Antibiotikatherapie steigert die Letalität. Allerdings, so der Kölner Mikrobiologe, fördern Breitbandantibiotika die Verbreitung antibiotika-resistenter Keime, haben viele Nebenwirkungen und sind zudem teuer – eine hinlänglich bekannte Problematik.
Ein Ausweg aus dem Dilemma eröffnet sich mit einem mikrobiologischen Monitoring – der regelmäßigen mikrobiologischen Untersuchung von Trachealsekreten oder bronchoalveolärer Lavageflüssigkeit auf Krankheitskeime. Damit lassen sich kolonisierende Mikroorganismen vorab erkennen. Auf Basis dieser Vorbefunde kann dann laut Prof. Seifert »im Falle einer neu auftretenden VAP die empirische antibiotische Behandlung gezielter und schmaler einsetzen«. Die mit einem Breitbandantibiotikum einhergehende Resistenzentwicklung, mögliche Nebenwirkungen und höhere Kosten sind damit zu vermeiden. Darüber hinaus ermöglicht die frühzeitige Identifizierung der Erreger eine initial adäquate Therapie mit Antibiotika. Was entsprechend zu besseren klinischen Ergebnissen führt: »Liege- und Beatmungsdauer sowie natürlich die Sterblichkeit werden durch das Monitoring gesenkt«, so Prof. Seifert.
Große prädiktive Aussagekraft
Wie effizient ein mikrobiologisches Monitoring ist, zeigt die von Prof. Seifert vorgenommene Analyse aktueller Studiendaten hierzu. In der überwiegenden Mehrheit der Publikationen findet sich mit 67 bis 94 Prozent eine deutliche Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen des Monitorings und den Erregern, die tatsächlich verantwortlich für eine VAP waren. Die beste Übereinstimmung von 93,5 Prozent ergab sich bei täglich entnommenen Patientenproben. Doch auch bei einem zwei- bis dreimal wöchentlichen Screening betrug die Rate noch bis zu 83 Prozent. Die Orientierung an Überwachungskulturen wirkt sich mithin nach den Worten von Prof. Seifert sehr positiv aus: »Sie besitzt einen hohen prädiktiven Wert, einen später nachgewiesenen Pneumonieerreger vorauszusagen und ermöglicht es so, zielgerichtet das adäquate Präparat zur empirischen Antibiotikatherapie auszuwählen«.
Angesichts der Resultate aus seiner Analyse erachtet Prof. Seifert ein mikrobiologisches Monitoring als sinnvoll, wenn es engmaschig – zwei- bis dreimal wöchentlich – bei beatmeten Intensivpatienten durchgeführt wird. Diese Forderung wird noch dadurch bekräftigt, dass die Berücksichtung der Monitoring-Befunde bessere Behandlungsergebnisse erzielt als die leitlinien-basierte Therapie. So war die an den Überwachungskulturen orientierte Antibiotikatherapie bei 85 bis hundert Prozent adäquat. Bei Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien zur empirischen Therapie der VAP gelang dies nur in 68 bis 83 Prozent der Fälle. Dennoch – in den Leitlinien nationaler wie internationaler Fachgesellschaften fehlt die Empfehlung zur Durchführung von Überwachungskulturen bei Patienten mit Beatmung. Das Argument: Zum einheitlichen Appell für ein mikrobiologisches Monitoring besitzt der derzeitige Stand der Forschung noch nicht die ausreichende Evidenz. Dafür, dass sich das bald ändert, appellieren allen voran Prof. Seifert und sein Kölner Team.