Das Immunsystem spielt eine entscheidende Rolle dabei, ob Krebs entsteht und sich ausbreitet. Forscher zeigten, dass sich die Prognose von Brustkrebspatientinnen verbessert, wenn tumorspezifische T-Zellen durch Signalmoleküle aktiviert werden.
Das körpereigene Immunsystem bekämpft nicht nur pathogene Mikroorganismen, sondern ist auch in der Lage, Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten. Doch immer wieder gelingt es einzelnen Tumorzellen, der Körperabwehr zu entwischen und sich auszubreiten. In welchem Ausmaß das passiert, ist von Patient zu Patient verschieden. Wenn es dem Körper gelingt, tumorspezifische T-Zellen zu bilden, scheint dieser Prozess einen positiven Einfluss auf den weiteren Krankheitsverlauf zu haben.
Wissenschaftler der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg haben nun festgestellt, dass bei Brustkrebspatientinnen die Erkrankung günstiger verläuft, wenn im Knochenmark tumorspezifische T-Zellen vorhanden sind. Wie die Forscher um Christoph Domschke, Florian Schütz und Philipp Beckhove im der Fachzeitschrift Cancer Research berichten, sind zwei Botenstoffe des Immunsystems entscheidend daran beteiligt, Abwehrzellen gegen den Tumor zu aktivieren.
Tumorumgebung produziert Botenstoffe
Den beiden Botenstoffen kamen Domschke und seine Kollegen auf die Spur, als sie in Brustkrebsproben von 207 noch unbehandelten Patientinnen den Gehalt an 27 verschiedenen Signalstoffen und Wachstumsfaktoren untersuchten. Dabei fanden sie heraus, dass hohe Konzentrationen von Interferon alpha (INFa) und niedrige Konzentrationen des Wachstumsfaktors TGF-beta1 erforderlich sind, um eine schlagkräftige Immunabwehr einzuleiten. „INFa und TGF-beta1 werden im Tumorstroma, also in benachbarten, nicht-entarteten aber mit dem Tumor interagierenden Zellen, produziert“, sagt Domschke, der Assistenzarzt in der Abteilung für allgemeine Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist.
Nur wenn beide Stoffe in einem bestimmten Verhältnis vorliegen, werden dendritische Zellen aktiviert, die daraufhin Bestandteile der Tumorzellen aufnehmen und zum Knochenmark transportieren. Dort präsentieren sie diese Bestandteile spezifischen T-Zellen, um einen Angriff auf den Tumor vorzubereiten. Die Analyse der Heidelberger Mediziner ergab, dass 40 Prozent der Patientinnen eine tumorspezifische T-Zell-Antwort aufwiesen. Diese korrelierte mit einer hohen Differenzierung der Tumorzellen, dem Vorhandensein von Östrogen-Rezeptoren auf der Zelloberfläche und einer geringen Teilungsaktivität – Kriterien, die mit einer guten Prognose für die Patientinnen einhergehen.
Immunantwort spielt bei Behandlung noch keine Rolle
Der Grund, warum bei diesen Patientinnen im Tumorgewebe viel INFa und wenig TGF-beta1 produziert wird, ist allerdings noch nicht bekannt. Auch der endgültige Nachweis, dass Patientinnen mit tumorspezifischer T-Zell-Antwort tatsächlich länger leben als Patientinnen, bei denen eine solche Immunantwort ausbleibt, muss mittels einer kontrollierten, klinischen Studie noch erbracht werden. Domschke: „Zum jetzigen Zeitpunkt spielt es für die Art der Behandlung von Brustskrebspatientinnen noch keine Rolle, ob eine Immunantwort vorhanden ist oder nicht.“
Auch wenn noch nicht klar ist, ob man den Status der Immunantwort als zusätzlichen Parameter zukünftig einsetzen wird, um eine genauere Prognose für Brustkrebspatientinnen zu erstellen, kann sich der Mediziner jedoch vorstellen, dass Brustkrebspatientinnen eines Tages von einer immunmodulatorischen Therapie profitieren könnten, bei der man entweder körpereigene T-Zellen durch externe Zugabe von Botenstoffen aktiviert oder bereits im Körper vorhandene tumorspezifische T-Zellen entnimmt, im Labor vermehrt und diese dann den Patientinnen wieder zurückgibt.
Keine durchschlagenden Erfolge bei Immunotherapien
Andere Experten beurteilen die Veröffentlichung der Heidelberger Forscher positiv: Domschke und seine Kollegen haben überzeugend gezeigt, dass Botenstoffe, die der Tumor selbst herstellt, eine T-Zell-Antwort einleiten können“, sagt Marcus Schmidt, Oberarzt an der Klinik für Frauenheilkunde der Universität Mainz. Auch Schmidt setzt auf Konzepte, mit der man die Immunantwort von Brustkrebspatientinnen verstärken kann: „Solche Strategien gibt es schon seit einiger Zeit, aber bislang blieb der große Durchbruch aus“, gibt er jedoch zu bedenken. Aber alle Mediziner, so Schmidt, seien sich einig, dass die Stärkung des patienteneigenen Immunsystems ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen sein werde, auch wenn die Entwicklung entsprechender Therapieansätze langsamer vorangehe, als man es gerne hätte.