Die EMA war schon vor Wochen so weit. Jetzt zieht auch Deutschland nach: Das BfArM hat angeordnet, dass die Zulassung für Clopidogrel aus dem indischen Werk Visakhapatnam zu ruhen habe. Für die Generikabranche ist das ein GAU. Doch die betroffenen Hersteller sind ordentlich auf Zack.
Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat entschieden, die Zulassung für Clopidogrel-Generika, die aus der indischen Betriebsstätte Visakhapatnam des Unternehmens Glochem Industries stammen, bis zum 30. September 2010 ruhen zu lassen. Der Grund ist, dass in Visakhapatnam auf gravierende Weise gegen die Regeln der Good Manufacturing Practice (GMP) verstoßen wurde.
Wie ein Kaninchen aus dem Hut: Ein neuer Lieferant ist schon da
Mit dem BfArM-Beschluss wurde nun auch in Deutschland Ende vergangener Woche ein für Apotheker und Patienten gleichermaßen verwirrendes und für das deutsche Gesundheitswesen hochnotpeinliches Hin und Her beendet. Nun gibt es also einen de facto Rückruf für die über den Pharmahersteller Acino vertriebenen Präparate, die in Deutschland unter anderem von Ratiopharm und Hexal angeboten werden. Dem formalen Rückruf kamen die Unternehmen durch das übliche Konstrukt der „freiwilligen Rücknahme“ zuvor, mit deren Freiwilligkeit es angesichts des BfArM-Verdikts freilich nicht weit her ist. Die betroffenen Präparate gehen über den Großhandel zurück an die Hersteller. Droht nun ein Lieferengpass, den sich die Generika-Konkurrenz, aber auch die Hersteller der Originalpräparate zu Nutze machen können? Wohl nicht, aber für die Generikaindustrie ist diese Episode auch ohne Lieferengpässe eine Katastrophe. Tatsache ist, dass Acino offensichtlich willens und in der Lage ist, die Sache in atemberaubendem Tempo aus der Welt zu schaffen. Die Netzwerke bei Big Pharma, sie tragen. Acino, der Vertragspartner der deutschen Generikaunternehmen, hat längst einen neuen Lieferanten aus dem Hut gezogen. Sowohl Ratiopharm als auch Hexal geben folgerichtig an, dass die neuen Präparate ab dem 15. April in der Lauer-Taxe gelistet und für Apotheken damit bestellbar sind. Parallel dazu wird der Großhandel bevorratet: „Die neuen Produkte werden noch in dieser Woche ausgeliefert“, betont Hexal-Sprecher Hermann Hofmann gegenüber DocCheck.
Gewunden und schließlich abgefunden
Der neue Lieferant, darauf wird Wert gelegt, habe selbstverständlich alle nötigen Zulassungen. Dennoch hat Acino die Identität dieses neuen Lieferanten bisher nicht bekannt gegeben. Bei den deutschen Generikaherstellern schweigt man dazu. Für Patienten, die mit Clopidogrel von Hexal, Ratiopharm und Co behandelt werden, soll es in jedem Fall einen reibungslosen, um nicht zu sagen unmerklichen, Übergang geben. Nur wer das Pech hat, ausgerechnet in diesen Tagen seine Packung Clopidogrel erneuern zu müssen, könnte für ein paar Tage in die Bredouille kommen. Wer eine noch teilweise volle Packung zu Hause hat, könne diese uneingeschränkt weiter verwenden, wie Acino in einer Mitteilung klarstellt. Im Übrigen sei der Rückruf „weder notwendig, noch zweckmäßig und auch nicht angemessen.“
Angemessen oder nicht, peinlich ist die Sache in jedem Fall, vor allem für die deutsche Gesundheitspolitik. Die war schon immer ein Fan von Clopidogrel-Generika. Dem Beschluss der EU-Kommission, Produkte mit zentraler Zulassung vom Markt zu nehmen, folgten die deutschen Behörden zunächst einfach gar nicht. Das führte zu ziemlich paradoxen Situationen, weil Hersteller zum Teil jene Chargen ihrer Clopidogrel-Präparate zurückriefen, die zentral zugelassen wurden, während identische Packungen mit deutscher Zulassung im Handel blieben. Die Erkenntnis, dass das mit Blick auf das Vertrauen in Generika insgesamt ein komplett unhaltbarer Zustand war, brach sich nur mit Verzögerung Bahn.
Alles klar für die AOK?
Für die Unternehmen selbst kommt die Causa Clopidogrel insofern zur Unzeit, als in diesen Tagen die neue Ausschreibung für die Rabattverträge der AOK erwartet wird. Clopidogrel ist hier eines der Schwergewichte. Acino hat in seiner Stellungnahme dann auch prompt versichert, dass die Teilnahme der Abnehmer von Acino-Clopidogrel an dieser Rabattvertragsrunde in keiner Weise gefährdet sei. Bei Hexal wird das bestätigt: Einer Teilnahme an der AOK-Ausschreibung stehe nichts im Wege, so Hofmann.
Bei Ratiopharm klingt das so: „Grundsätzlich sind alle Voraussetzungen für eine Teilnahme gegeben. Ob es zu einer Teilnahme kommt, hängt wie immer von den Einzelheiten der Ausschreibung ab.“ Der psychologische Schaden für die Generikaindustrie ist in jedem Fall immens. Die Chancen der Hersteller von Original-Clopidogrel auf einen AOK-Zuschlag dürften in den letzten Wochen ordentlich gestiegen sein. Und mit ihrem Hin und Her hat die deutsche Gesundheitspolitik dazu beigetragen, auch wenn sie vermutlich genau das Gegenteil erreichen wollte…