Ein paar Pfunde zuviel sind ungesund? Weit gefehlt! Österreichische Sozialmediziner belegen: Mäßiges Übergewicht schützt hoch betagte Senioren vor gefährlichen Infektionen.
Ein normales Körpergewicht ist von Vorteil für ein gesundes und langes Leben. Eine neue Studie widerspricht jedoch dieser landläufigen Meinung: Bei hoch betagten Senioren gilt der Grundsatz nicht mehr, im Gegenteil. Österreichische Sozialmediziner konnten belegen, dass mäßiges Übergewicht alte Menschen vor fatalen Infektionserkrankungen schützt. In der Geriatrie spielen organische Veränderungen, das alternde Immunsystem und Begleiterkrankung für die Entstehung von potenziell gefährlichen Infektionskrankheiten eine wesentliche Rolle. Mit zunehmendem Alter gewinnt aber auch eine ausgewogene altersgemäße Ernährung an Bedeutung: Mit den Lebensjahren steigt das Ungleichgewicht zwischen Nahrungsaufnahme und –verbrauch.
Wie gefährdet sind alte Menschen?
Dem Robert Koch Institut zufolge ist im hohen Alter bei vielen Personen die Gesamtenergieaufnahme niedrig, was eine geringe Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen bedeutet. Zudem ist auch die Flüssigkeitsaufnahme vieler älterer Personen zu gering. Die Folgen können schwerwiegend sein, denn Fehlernährung korreliert mit funktionellen Defiziten, erhöhter Morbidität und Mortalität. „Man weiß, dass Untergewicht für geriatrische Patienten ein Mortalitätsrisiko darstellt. Das gilt auch für Fettsüchtige“, erklärt Thomas Dorner vom Institut für Sozialmedizin der Med-Uni Wien. „In der Langzeitbetreuung von Hochbetagten sind Infektionen eine häufige Krankheits- und Sterbeursache. Infektionen treten häufiger auf und verlaufen schwerer.“ Der Sozialmediziner untersuchte die Wirkung des Body Mass Index (BMI) auf das Auftreten verschiedener Infektionskrankheiten in geriatrischen Heimen. In einer retrospektiven Kohortenstudie analysierte sein Team die Krankenakten von 619 Patienten, die im Wiener Pflegeheim „Haus der Barmherzigkeit“ untergebracht waren. Ihr Durchschnittsalter belief sich auf 87,6 Jahre. Ihre Daten wurden auf Gewichtsklassen und die Häufigkeit von Infektionen aufgeschlüsselt. Das Ergebnis der Untersuchung macht deutlich: Generell betrug die Inzidenz an Infektionskrankheiten in dieser Bevölkerungsgruppe pro Jahr rund 80%.
Besser dran mit Reserven
Am häufigsten traten Harnwegsinfekte auf. Sie kamen mit einer Wahrscheinlichkeit von 30% vor, gefolgt von Lungenentzündungen (19%), Diarrhoe (12%) und anderen Infektionen (20%). Leicht bis mäßig Übergewichtige in der Altersgruppe der Hochbetagten hatten das geringste Risiko an einer Infektion zu erkranken: Verglichen mit der Referenzgruppe die einen BMI von 24-27,9 kg/m2 aufwies, hatten Probanden mit einem niedrigeren BMI eine höhere Inzidenz von Infektionen. Untergewichtige Personen mit einem BMI <20 kg/m2 hatten um 62% häufiger Infektionen als die leicht übergewichtigen Probanden der Referenzgruppe. Normalgewichtige (BMI 20-23,9 kg/m2) hatten ein um 84% erhöhtes Risiko, Fettsüchtige (BMI >28 kg/m2) eine um 54% erhöhte Gefährdung. Am günstigsten für die Abwehr von Infektionskrankheiten erwies sich ein BMI von 27-28 kg/m2. "Diese Ergebnisse zeigen, dass beides - sowohl Untergewicht, als auch Übergewicht - bei institutionalisierten geriatrischen Patienten mit einem erhöhten Infektionsrisiko assoziiert sind“, meint Dorner. Die häufigsten schweren Begleiterkrankungen der Probanden waren Demenz, Herz-Kreislauferkankungen und Lungenleiden.