Ein Signal-Botenstoff sorgt für Aufsehen: Mit einer einfachen Neopterinbestimmung lassen sich Prognose und Inzidenz koronarer Herzerkrankungen einschätzen.
C9H11N5O4 - Neopterin ist in der Medizin nicht unbedeutend: Die niedermolekulare Substanz wird im Zuge der zellulären Immunreaktion gebildet. Sie kann in menschlichen Körperflüssigkeiten nachgewiesen werden. Ein erhöhter Neopterinspiegel steht in Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen, bei denen eine zelluläre Immunantwort eine gewichtige Rolle spielt. Dazu zählen vor allem virale Infektionen, Autoimmunsyndrome, entzündliche Erkrankungen, Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen und bestimmte maligne Tumorerkrankungen. Eine neue Studie zeigt, dass die Bestimmung von Neopterin nun auch in Bezug auf Herz-Kreislauferkrankungen seriöse prognostische Informationen liefert.
Todesursache Nummer eins
Herz-Kreislauferkrankungen gelten in Europa als Todesursache Nummer eins. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sterben jedes Jahr mehr als 4,35 Millionen Menschen in den 52 Mitgliedsstaaten an Herz-Kreislauferkrankungen. Ischämische Herzerkrankungen führen diese tödliche Statistik sogar weltweit an. 60 % aller Patienten, die an einer Koronaren Herzkrankheit (KHK) leiden, versterben an einem plötzlichen Herztod. Europaweit existieren jedoch in Bezug auf die Inzidenz der KHK zwischen den einzelnen Ländern jedoch unterschiedliche statistische Angaben: So sterben ungarische Männer unter 65 Jahren sechsmal häufiger an einer KHK, als Franzosen der gleichen Altersklasse. Auch die statistischen Trendangaben weichen deutlich voneinander ab: Während die Sterblichkeitsrate der KHK in Griechenland von 1972 bis 2005 um 11% gestiegen ist, sank sie im gleichen Zeitraum in Finnland um 76 %.
Signifikant bei allen Probanden
Zur Abschätzung der Überlebenswahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Patienten hat der Innsbrucker Biochemiker Dietmar Fuchs gemeinsam mit Kollegen der Universität Mannheim die Bedeutung von Neopterin untersucht. Grundlage waren Analyse und Vergleich von Daten aus der „Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health Study“ (LURIC), an welcher 1.801 Probanden mit und ohne KHK teilgenommen hatten. Die wurde angiographisch verifiziert. „Dabei zeigte sich, dass der Neopterinspiegel bei den Studienteilnehmern ein unabhängiger Prädiktor für die kardiovaskuläre und die Gesamtmortalität ist“, erklärt Fuchs, „und zwar bei allen in die Studie aufgenommenen Teilnehmern, mit und ohne stabile Koronare Herzerkrankung.“ Am engsten korrelierten die Neopterinspiegel mit der Nierenfunktion und dem N-terminalen pro-B-Typ natriuretischen Peptid (NT-proBNP), aber auch nach Anpassung der Neopterinspiegel in Bezug auf Alter, Geschlecht, Body Mass Index (BMI), Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck, Raucher/Nichtraucherstatus, LDL und HDL Cholesterol, Triglyzeride, glomeruläre Filtrationsrate, NT-proBNP, C-reaktives Protein und klinischem Status bei der Untersuchung blieb Neopterin ein signifikanter Prädiktor. Nur NT-proBNP konnte die alleinige Wertigkeit des Neopterin geringfügig abschwächen.
Pioniere und Wegbereiter
Es war nicht das erste bedeutsame Ergebnis der Innsbrucker auf diesem Forschungsgebiet: Anfang der 1980-Jahre eröffnete eine Entdeckung an der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck den Weg für die laboratoriumsdiagnostische Anwendung der Neopterin-Bestimmung zur Erfassung der Immunaktivität. Seither wurden in wissenschaftlichen Untersuchungen im In- und Ausland verschiedene diagnostische Anwendungsmöglichkeiten des Neopterin aufgezeigt. Beispiel dafür ist die Unterstützung der Differentialdiagnose bei Infektionskrankheiten und der Einsatz im Screening von Spenderblut zur Früherkennung eines Infektionsrisikos. Daneben ergab sich für die Neopterinbestimmung eine ausgezeichnete prognostische Wertigkeit zur Vorhersage das späteren Krankheitsverlaufs, die etwa bei mit HIV infizierten Patienten nicht schlechter ist als die wesentlich aufwändigere und teurere direkte Quantifizierung der HIV-Belastung mittels PCR. Auch bei verschiedensten bösartigen Tumorerkrankungen ist der Neopterinspiegel für das Überleben von prognostischer Bedeutung. Die neuesten Studienergebnisse stehen in gutem Einklang mit mehreren Untersuchungen über Neopterin als kardiovaskulärem Risikofaktor aus Japan, Norwegen und Großbritannien.