Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus: Bei Apothekern gilt das schon lange nicht mehr. Die Bereitschaft, OTC-Produkte per Kampfpreis an den Kunden zu bringen, ist dramatisch angestiegen. Schlimmer noch: Evaluiert wird das ganze Preis-Dumping kaum noch.
Wer eine Schachtel Paracetamol erwirbt, bekommt zwei Packungen Omeprazol oben drauf. Und wer gar eine N3-Packung kauft, darf sich im Gummibärchenregal bedienen. Zugegeben, ganz so dramatisch ist die Situation noch nicht in Deutschlands Apotheken. Hier wird quer durch die Republik weit überwiegend seriöse Preispolitik betrieben. Dennoch: Die Bereitschaft, Kunden im OTC-Bereich mit Rabatten zu ködern, ist unter Apothekern deutlich angestiegen.
Billiger geht immer
Rabattschlacht wird das natürlich nicht genannt. „OTC-Marketing“ ist der Fachausdruck im gesundheitspolitischen Deutsch. Und mit „OTC-Marketing“ in deutschen Apotheken beschäftigt sich auch eine Untersuchung des Wiesbadener Beratungsunternehmens UGW Consulting. Die Studie wird vor allem dadurch interessant, dass es ein Jahr zuvor eine ähnliche Befragung derselben Berater gab, sodass jetzt Aussagen zu Trends im pharmazeutischen Rabatt-Business möglich werden. Und diese Trends gehen irgendwie in die falsche Richtung, zumindest wenn man sich für den Blick auf den Markt die Brille des traditionellen Pharmazeuten aufsetzt. Um es mit UGW zu formulieren: „Die Preispolitik bestimmt zunehmend die Vermarktungstendenzen im OTC-Bereich.“
An der Befragung nahmen bundesweit 209 Apotheken teil. Das bemerkenswerteste Ergebnis gleich vorneweg: Satte 57 Prozent der Befragten gaben an, im Jahr 2009 regelmäßig Preisabsenkungen für frei verkäufliche Arzneimittel durchzuführen. Gegenüber 2008 ist das ein Anstieg um 20 Prozentpunkte oder mehr als die Hälfte in relativen Zahlen. Auf die Frage, ob sie auch mit expliziten Preissenkungen, also mit Aktions- oder Sonderpreisen, arbeiten, antworteten 74 Prozent der rabattaffinen Apotheker mit „häufig“ oder „sehr häufig“. „Diese Zahlen machen deutlich, welchem Druck sich die Apotheken ausgesetzt sehen. Trotz EuGH-Urteil wird die Lage für viele Apotheken zunehmend unkomfortabel“, betonte UGW-Geschäftsführer Thomas Pielenhofer.
Placebos kommen aus der Mode
Dass Apotheker bei der Preispolitik nicht mit Placebos arbeiten, zeigt ein weiteres Ergebnis der Befragung. Zwar gaben drei von vier „preisaktiven“ – auch so ein schöner Euphemismus – Apothekern an, dass sie bei Rabattaktionen die Preise „nur“ um bis zu 20 Prozent senken. Immerhin 22 Prozent gaben aber an, bis zu 30 Prozent Nachlässe auf den Apotheken-Verkaufspreis zu gewähren, also mit veritablen Kampfpreisen zu arbeiten. Und auch hier ist die Dynamik eindeutig: Der Anteil der aggressiven „Rabattniks“ liegt in der Befragung zum Jahr 2009 mehr als dreimal so hoch wie noch im Jahr 2008. Was ebenfalls zu denken gibt ist, dass die Rabattaktionen offenbar zunehmend wahllos in die Offizin geballert werden. Im Jahr 2008 hatten noch 60 Prozent der Apotheker angegeben, die Erfolge von Preisaktionen zu überprüfen. 2009 waren nur noch 36 Prozent.
Passend zu diesen Daten hat die wettbewerbliche Bedeutung von Rabattaktionen in der Eigenwahrnehmung der Apotheker stark zugenommen. Zwar wird noch immer durch die Bank auf Beratungsqualität und Erscheinungsbild der Apothekenräume Wert gelegt. Die Preispolitik ist diesen traditionellen Wettbewerbsfaktoren aber eng auf den Fersen. Gewünscht ist dabei durchaus auch industrielle Unterstützung seitens der OTC-Hersteller: 93 Prozent der Apotheker hätten gerne mehr Bar-Rabatte, 69 Prozent wollen Bevorratungs-Rabatte, 63 Prozent Werbekostenzuschüsse und 46 Prozent Zielboni. Zugabeartikel als Verkaufsförderungsmaßnahmen sind auch gerne gesehen. Also doch die Gummibärchen…