Wo wäre die medizinische Forschung, gäbe es nicht die Möglichkeit, Präparate an Versuchstieren zu testen? Eine kleine Vorstellung der Labormaus, die mittlerweile in unterschiedlichsten Modellen unter uns krabbelt.
Mäuse sind Ungeziefer? Zeichentrick-Witzfiguren? Alles blanker Käse und noch dazu eine fellsträubende Ungerechtigkeit angesichts der zahlreichen Erkenntnisse, die Generationen von Labormäusen der Wissenschaft lieferten. Ihre Geschichte beginnt vor ca. 100 Jahren in Massachusetts mit einem Zufall. Damals gelang der Lehrerin Abbie Lathrops die Züchtung der ersten Krebs-Maus. Bis heute etablierten sich über 3000 Varianten, an der die verschiedensten Krankheiten erforscht werden. Drei Mäuse des „amerikanischen Stils“ werden im Folgenden vorgestellt.
Die Diabetes-Maus
Neben genetisch veränderten Maus-Modellen, welche Mutationen z.B. im Insulinrezeptorgen der muskulären Subgruppe oder im IGF-1 Gen haben, lassen sich mit einfacheren – nicht genetischen – Manipulationen diabetische Mäuse erzeugen. Während die erstgenannten Modelle primär einem Diabetes Typ 2 mit peripherer Insulinresistenz gleichen, ist der Diabetes Typ 1 heutzutage mit einer simplen Injektion von "Streptozocin" in Maus oder Ratte zu induzieren. Dieses Glucosamin, das in der endokrinologischen Onkologie Verwendung findet und zu den alkylierenden Zytostatika gehört, zeichnet sich durch spezielle Pharmakokinetik aus und wirkt mehr oder minder isoliert schädigend auf die Beta-Zellen des Pankreas. Durch seine glucose-ähnliche chemische Struktur wird es nur von GLUT2-Transportern aufgenommen, gelangt also vornehmlich in insulinproduzierende Pankreasinselzellen. Hier schädigt es irreversibel das Erbgut, was zum Untergang der Zelle führt. Dass die Mäuse innerhalb weniger Tage an Diabetes mellitus erkranken, erkennt man nicht zuletzt an der typischen Polydipsie - die Tiere benötigen in der Regel mehr als die doppelte Menge an Flüssigkeit. Vorsicht ist allerdings geboten, wirkt das Zytostatikum doch nicht nur toxisch auf murine Inselzellen. Beim Menschen wird Streptozocin zur Behandlung von Insulinomen eingesetzt.
Die Atherosklerose-Maus
Die atherosklerotische Maus war das Ergebnis einer Odyssee verschiedener genetischer Mutationen, die anfangs eher weniger, mittlerweile aber etabliert und durchaus überzeugend sind. Analog zur Genetik der familiären Hypercholesterinämie lag es nahe, Maus-Varianten mit defizientem LDL-Rezeptor zu entwickeln. Dadurch akkumuliert LDL im Plasma und hinterlässt die bekannten plaqueartigen Spuren, welche sich letztendlich symptomatisch als KHK & pAVK manifestieren. Das in vivo Modell einer Typ III Hypercholesterinämie gewinnt man bei Säugetieren mithilfe eines ApoE-Knockouts. Durch die verminderte Aufnahme von IDL und Chylomikronenresten aus dem Plasma entwickeln sich nahrungsunabhängig regelmäßig atherosklerotische Läsionen, die histologisch der menschlichen Pathologie entsprechen. Haben solche Modelle in der Vergangenheit oft nur dem "proof of principle" im Rahmen der Pathologieforschung gedient, können heute spezifische Medikamente in vivo getestet werden, was den Wirknachweis im lebenden Organismus vereinfacht und für die Entdeckung pleiotroper Effekte der Wirkstoffe sogar essentiell ist.
Die Hypertonie-Maus
Tierische Hypertonie-Modelle sind als Forschungsobjekte für eine weit verbreitete Zivilisationskrankheit von großem Interesse und stehen in verschiedenen Varianten zur Verfügung. Grundsätzlich lassen sich genetische und nicht genetische Arten unterscheiden. Zur Induktion einer ausgeprägten Hypertonie in komplexeren Tiermodellen wie Huhn oder Kaninchen bieten sich operative Maßnahmen an. Zur Option stehen Clips, welche die Aorta kranial der Arteria renalis Abgänge komprimieren. Den gleichen Pathomechanismus verfolgt die Ligatur einer der Arteriae renalis oder auch die Kompression einer Niere mittels Cellophanhülle. Dabei führt die immunologisch–fibrotische Reaktion zu einer konsekutiven Kompression der eingepackten Niere. Auch besteht die Möglichkeit, etwa einen Hund über 8 – 12 Monate mit Natriumchlorid angereichertem Wasser zu versorgen. Liegt der NaCl Spiegel bei ungefähr 1-2% wird die renale Eiminationskapazität sukzessive überschritten, was im diätetisch essentiellen Hypertonus endet. Bei Kleintieren wie Maus oder Ratte eignet sich die subkutane Implantation einer osmotischen Pumpe, welche einen Wirkstoff in kontinuierlicher Form an den Organismus abgibt. Befüllt man diese Pumpe mit humanem Angiotensin II, kann bereits nach wenigen Stunden ein Anstieg des vor allem systolischen Blutdrucks registriert werden.
Fazit
Die Entwicklung tierischer Modelle geht rasant vonstatten. Allein mittels Kreuzungen ermöglicht das genetische Verständnis unzählige Kombinationen aus Knockout-Tieren, von pharmakologisch und operativ entwickelten Modellen ganz zu schweigen. Arthur Schopenhauers Ausspruch "Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen." scheint also nur noch zeitlich begrenzt Gültigkeit zu besitzen. Zynisch gesprochen ist – Maus sei Dank! – zumindest die Entwicklung einer Krankheit bereits möglich geworden.
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