Was Gelegenheits-Paffer geahnt haben, wurde von Genetikern bestätigt: Genussrauchen ist erblich, zumindest etwas. Auch beim Alkoholismus haben die individuellen Gene ein Wörtchen mitzureden: Manche Menschen macht „Alk“ so müde, dass sie gar nicht süchtig werden.
Wer raucht ist selbst schuld, lautet eine gängige These. Das stimmt wohl auch, denn niemand zwingt einen Menschen, die erste Schachtel Zigaretten seines Lebens auch nur aufzumachen. Danach freilich ist das mit dem freien Willen so eine Sache: Der eine hat überhaupt kein Problem damit, alle paar Tage eine oder zwei Zigaretten zu rauchen. Und auch mehrere Wochen Abstinenz sind völlig unproblematisch. Der andere hängt hingegen an der Fluppe und kommt auch dann nicht weg, wenn er es eigentlich möchte.
Zum Thema Suchtneigung fragen Sie Ihren Arzt oder Ihren Nikotinrezeptor
Mehrere Forschergruppen haben jetzt mit sogenannten Genom-weiten Assoziationsstudien zeigen können, dass diese Unterschiede im Rauchverhalten mit Unterschieden in der genetischen Ausstattung korrelieren. Das bemerkenswerte an diesen in der Zeitschrift Nature Genetics publizierten Arbeiten ist unter anderem die schiere Größe der Datenbasis. Alles in allem haben die drei Forschergruppen in ähnlich strukturierten Untersuchungen Daten von über 140.000 Menschen ausgewertet. Beteiligt waren unter anderem das an der University of North Carolina angesiedelte Tobacco and Genetics Consortium (Letter in Nature Genetics), das im Zusammenhang mit dem Humangenomprojekt bekannt gewordene Unternehmen deCODE aus Island (Letter in Nature Genetics) und eine größere europäische Arbeitsgruppe aus Oxford (Letter in Nature Genetics). Von deutscher Seite hat die SHIP-Studie der Universität Greifswald rund 4000 Datensätze zur Oxford-Studie beigesteuert.
Dem Umfang der Datenbasis entsprechend wurde mehrere genetische Regionen identifiziert, die mit dem Rauchverhalten in Beziehung stehen. Was die Unterschiede zwischen süchtigen Rauchern und Gelegenheitsrauchern angeht, so scheint der im Chromosom 15 codierte „Nikotinrezeptor“, also der nikotinerge Acetylcholinrezeptor, ein Wörtchen mitzureden. Hier gab es Varianten, die eindeutig mit einem intensiven Zigarettenkonsum korrelierten, während jene Menschen, die nur gelegentlich rauchten, bevorzugt andere Rezeptorvarianten aufwiesen. In einer weiteren Genregion auf dem Chromosom 9 wurden Genvarianten identifiziert, die einen erfolgreichen Entzug wahrscheinlicher beziehungsweise weniger wahrscheinlich machen.
Kari Stefansson: Eine Erklärung, aber keine Ausrede
Wie oft bei derartigen Untersuchungen handelt es sich bei den erhobenen Daten um Korrelationen, die keine unmittelbare medizinische Bedeutung haben: „Wenn wir jetzt für diese Varianten testen würden, könnten wir daraus noch keine sinnvollen Schlüsse ziehen“, betont Helena Furberg, eine der Wissenschaftlerinnen der US-Studie. „Wir hoffen aber schon, dass uns diese Arbeiten dabei helfen, die Interaktion zwischen Arzneimitteln und Genen besser zu verstehen, um irgendwann maßgeschneiderte Therapien für den Zigarettenentzug anbieten zu können.“ In einem Interview mit dem australischen Sender ABC betonte Kari Stefansson von deCODE, dass eine Genvariante im nikotinergen ACh-Rezeptor nicht als Ausrede gebraucht werden könne, um zu erklären, warum ein Mensch rauche: „Wenn bestimmte Varianten vorliegen, ist es schwieriger, aufzuhören. Aber diese Varianten haben keinen Einfluss darauf, ob jemand anfängt zu rauchen.“
Zigaretten sind nicht die einzige Droge, für die die Genforschung neue Daten zum genetischen Hintergrund geliefert hat. Fast zeitgleich mit den Zigarettengenen haben Wissenschaftler über einen Mechanismus berichtet, der bei bestimmten genetischen Varianten der Alkoholdehydrogenase (ADH) die Wahrscheinlichkeit von Alkoholismus verringert.
Zu müde um zum Säufer zu werden
Die ADH ist das Enzym, welches in erster Linie für den Abbau von Alkohol in der Leber verantwortlich zeichnet. Schon länger ist bekannt, dass beispielsweise Asiaten eine etwas andere ADH-Ausstattung haben als Europäer. Die Konsequenz: Viele Asiaten „vertragen“ weniger. Das korreliert allerdings nicht mit der Entwicklung von Alkoholabhängigkeit. Eine bei Afroamerikanern häufige ADH-Variante, das ADH1B*3-Allel, geht dagegen mit einem geringeren Abhängigkeitsrisiko einher. Wissenschaftler um Denis McCarthy von der University of Missouri berichten in der Zeitschrift Alcoholism: Clinical & Experimental Research jetzt über einen möglichen Mechanismus für dieses Phänomen.
Die Wissenschaftler gaben insgesamt 91 Afroamerikanern moderate Dosen Alkohol zu trinken. Alle Probanden wurden genotypisiert. Außerdem wurde eine Reihe physiologischer Parameter erhoben. „Was wir erstmals zeigen konnten ist, dass Menschen mit dem ADH1B*3-Allel Alkoholkonsum anders erleben“, betont McCarthy. „Sie werden müder als andere und weder besonders stimuliert noch besonders enthemmt. Das kann erklären, warum sie weniger exzessiv trinken.“ Auch hier steht natürlich die Hoffnung hinter der Forschung, die genetischen Zusammenhänge irgendwann auch therapeutisch nutzen zu können. Eine Blaupause gibt es: Das Entzugsmedikament Disulfiram imitiert Wirkungen bestimmter Varianten des ebenfalls am Alkoholabbau beteiligten Enzyms Aldehyd-Dehydrogenase. Ein Medikament, das die Wirkungen von ADH1B*3 simuliert, könnte in Zukunft Menschen mit riskantem Trinkverhalten vor der Sucht bewahren. Sofern es eingenommen wird…