Wo mehr Forschungsdaten publiziert werden, passen auch die Ergebnisse besser zur untersuchten Hypothese. Negative Resultate dagegen fallen immer öfter unter den Tisch. Das ist das Ergebnis einer schottischen Untersuchung. Auf die immer weiter anschwellende Publikationsflut hat inzwischen auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft reagiert.
Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber nicht immer ist sie gut für beste Qualität. Was für Verbrauchs- und Investitionsgüter gilt, lässt sich auch auf Wissenschaft und Forschung übertragen. Möglicherweise. Daniele Fanelli von der Universität Edinburgh hat untersucht, was der Wettbewerb um Fördermittel und Stellen aus „Produkten“ akademischen Schaffens macht. Die Ergebnisse dieser Publikation in der Fachzeitschrift „PLoS ONE“ wecken Zweifel an einer ausgewogenen Berichterstattung der Daten aus den Labors. Denn Fanelli fand heraus: An Standorten mit regem Forschungsbetrieb und dementsprechend großer Konkurrenz gibt es kaum mehr Versuche und Untersuchungen, die nicht zu neuen, tollen Ergebnissen geführt haben.
Nach dem Zufallsprinzip suchte sich der Forscher rund 1300 Veröffentlichungen zwischen 2000 und 2007 heraus, bei denen der „Corresponding Author“ aus den USA stammte. Die Publikationen analysierte er danach je nach positivem oder negativem Ergebnis für die überprüfte Hypothese. Ein weiteres Kriterium war die Produktivität in den einzelnen amerikanischen Bundesstaaten, gemessen an der Anzahl der Fachartikel pro Akademiker, die er der Datenbank der „National Science Foundation“ entnahm.
In den Staaten mit geringer Produktivität fanden sich dabei die meisten Berichte ohne den positiven Ausgang der Untersuchung. Manchmal lag deren Anteil über 30 Prozent aller Forschungsreports. Anders dagegen in Staaten mit einem effektiven Wissenschaftsbetrieb und entsprechend umfangreicher Berichterstattung in der Fachliteratur. Fast alle Veröffentlichungen berichten dort nur über neue positive Daten, die die Hypothese untermauern. Und die Gründe? Möglicherweise, so spekuliert Fanelli könnte gute Ausrüstung zu den „guten“ Resultaten beitragen. Aber der Unterschied sei so signifikant, dass das nicht der einzige Faktor sei.
„Publish or Perish“?
Vielleicht ist es doch der Konkurrenzdruck, der zu immer mehr Veröffentlichungen positiver Resultate in bedeutenden Zeitschriften führt. Gerade die renommiertesten unter ihnen nehmen solche, neuen und interessanten Ergebnisse viel lieber an als nicht zu beweisende Thesen - DocCheck berichtete darüber. Das Problem führt aber dann zu einem „Publication Bias“. Wenn Erfolgsberichte über Therapiemethode oder Wirkstoff weit häufiger in Medline und Co auftauchen als Studiendaten, die als Widerspruch zur These nur in den Labortagebüchern verzeichnet sind, erfährt der Lehrbuchautor oder der Arzt nichts über mögliche Gefahren und Risiken der Behandlung.
„Publish or Perish“, so lautet eine gängige Redewendung in der Forschung. Ein mageres Publikationsverzeichnis mindert Chancen auf den begehrten Posten oder Förderungsmittel. Ausgebuffte Karrierejäger haben sich schon eine eigene Strategie zugelegt, um diese Seiten aufzuspecken. Im Fachjargon „Salami-Science“ genannt, veröffentlichen sie ihre Ergebnisse gleich mehrfach in unterschiedlichen Zeitschriften oder zerstückeln ihre Studie in winzige Appetithappen, die sie dann einzeln an die Herausgeber senden.
Genau das will die Deutsche Forschungsgemeinschaft ab 1. Juli verhindern. Im wissenschaftlichen Lebenslauf des Antragstellers sollen nur mehr die fünf bedeutendsten Publikationen erscheinen, in den Förderanträgen - pro Jahr sind das etwa 25.000 für die DFG - sind nur mehr zwei oder drei pro Förderungsjahr je nach Anzahl der Antragsteller erlaubt. „Mehr Qualität statt Quantität“ will die DFG damit einfordern und dem ausufernden Publikationswahn Einhalt gebieten. Schließlich sollen nur mehr angenommene Manuskripte in der Hintergrundliteratur auftauchen, anstatt wie bisher auch solche, die nur eingereicht waren. Oder manchmal nur vorgeblich eingereichten Manuskripten, die in den Veröffentlichungslisten der Anträge auftauchten. Einer solchen virtuellen Veröffentlichung kam die DFG etwa bei einem Sonderforschungsbereich in Göttingen auf die Spur.
„Journal of Negative Results“
Zwei Artikel aus dem amerikanischen Minneapolis berichten aber auch von anderen Folgen des Kampfs um Budget und Stelle. In Umfragen bei Wissenschaftlern, deren Karriere sie noch nicht zu hohen Akademikergraden geführt hatte, beobachteten die rund 3000 Teilnehmer bei stärkerer Konkurrenz auch häufiger „unmoralisches“ Verhalten wie die Ablehnung von Zusammenarbeit oder gar Sabotage.
Dass ein solches Klima von Misstrauen nicht zur erfolgreichen Forschung beiträgt, leuchtet ein. Schließlich zählt nur das erfolgreiche Experiment. Wie groß das Ausmaß der nichtpublizierten Fehlschläge ist, beschrieben Gehirnforscher aus Schottland im März dieses Jahres. Bei der Analyse von Interventionen bei ischämischen Schlaganfällen im Tiermodell fehlten entsprechend den Berechnungen der Statistiker vielfach die „negativen“ Ergebnisse einer Intervention. Von den analysierten 525 Publikationen berichteten nur sechs von Interventionen, die keinen signifikanten Einfluss auf Infarktvolumen nahmen. Dabei kommen die Autoren zu dem Schluss, dass 214 Experimente (oder 16 Prozent aller Versuche) durchgeführt, aber (aufgrund ihrer Ergebnisse?) nie publiziert wurden.
Was also tun mit den Ergebnissen zu Wirkstoffen ohne Wirkung, zu Heilmethoden ohne Besserung? Inzwischen haben sich mehrere Medien des Themas angenommen: So bieten etwa „Neurobiology of Aging“ oder das „Journal of Cerebral Blood Flow and Metabolism“ eigene Bereiche für negative Resultate gewissenhafter Studien und Experimente. „Ich glaube fest daran, dass solche Strategien bald zum Standard für Fachzeitschriften werden“ sagt dazu Ulrich Dirnagl von der Berliner Charité. Das „Journal of Negative Results in Biomedicine“ hat sich schließlich ganz den „Erfolglosen“ verschrieben. Sie sind für die ausgewogene Beurteilung von Heilmethoden unentbehrlich. Und vielleicht haben sie auch bei aller Konkurrenz bald bessere Chancen auf entsprechende Anerkennung.