Euthanasie erfährt zunehmende Befürwortung: 62 Prozent der Österreicher sind für die aktive Sterbehilfe. Ob sie damit auch für eine Legalisierung eintreten, ist unklar.
Sterbehilfe als ultima ratio der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender ist ein uraltes Thema und hat ganze Kulturen erschüttert. Der ärztlich assistierte Suizid, in manchen Ländern als würdevoller Abgang aus dem Leben legalisiert, wird auch heute noch kontroversiell diskutiert und ruft heftige Emotionen hervor. Grundsätzlich unterscheidet man passive und aktive Sterbehilfe. Unter passiver Sterbehilfe versteht man einen vom Patienten selbst verlangten Abbruch einer medizinisch noch möglichen lebensverlängernden Behandlung bei unheilbarer Krankheit oder schwerem Leiden. Aktive Sterbehilfe bezeichnet die Möglichkeit, dass unheilbar Kranken und schwer leidenden Menschen der Wunsch zum Sterben erfüllt wird, in dem ein Mittel verabreicht wird, das ihren Tod herbeiführt. Die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zu Fragen der Euthanasie wurde bislang nur durch sehr einfache Erhebungen ermittelt, die genauere Unterscheidungen zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe nur unzureichend zuliessen.
Akzeptanz und Befürwortung nehmen zu
Das Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Universität Graz wollte es genau wissen: In einer Studie wurde an einer repräsentativen Stichprobe der österreichischen Bevölkerung die Akzeptanz passiver Sterbehilfe, sowie die Einstellung zur aktiven Sterbehilfe erhoben. Dabei zeigte sich, dass die Zustimmung zu aktiver Sterbehilfe bei den Österreichern zunimmt. Für die Studie wurden 1.000 Österreicher telefonisch zur Sterbehilfe befragt. Es handelte sich um eine repräsentative Zufallsstichprobe der österreichischen Bevölkerung ab 16 Jahren. Gefragt wurde zuerst nach der Akzeptanz von passiver Sterbehilfe. Im Anschluss nach der Einstellung zur aktiven Sterbehilfe, wobei das Vorliegen von Schmerzen in dieser Fragestellung nicht als Bedingung angeführt wurde. Eine zweite Frage zur aktiven Sterbehilfe wurde mittels eines konkreten Fallbeispiels gestellt. Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache: 78 Prozent der Österreicher akzeptieren Sterbehilfe, 13 Prozent sind dagegen und lediglich 9 Prozent unentschieden. Männer sind mit 81 Prozent tendenziell etwas stärker dafür, als Frauen mit 75 Prozent. 62 Prozent der Österreicher befürworten die aktive Sterbehilfe, 30 Prozent sind dagegen und 8 Prozent unentschieden. Auch hier befürworten Männer mit 66 Prozent eine aktive Sterbehilfe mehr als Frauen mit 58,5 Prozent. Verglichen mit vergleichbaren Umfragen aus den Jahren 2000 und 2006 entsprechen diese Ergebnisse einer Zunahme an Akzeptanz und Befürwortung von 13 Prozent.
Zustimmung in konkreten Fällen zögerlich
In einem Fallbeispiel zur aktiven Sterbehilfe mit einem alten sterbenskranken Patienten, der unter starken Schmerzen leidet, sind 58 Prozent der Befragten dafür, dass ein Arzt auf Wunsch des Patienten sein Leben mit einer tödlichen Spritze beendet. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei charakteristischen Fallbeispielen weniger Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe angegeben wird als bei einer abstrakten Fragestellung, die eine allgemeine Regel beschreibt. Die Ergebnisse spiegeln die prinzipielle Einstellung der Bevölkerung zur Sterbehilfe wider, sie sind nicht mit der Forderung nach einer Regelung, wie sie beispielsweise in den Niederlanden angewandt wird, gleichzusetzen. Sie stützen die Hypothese, dass die Einstellung zur Sterbehilfe überwiegend durch weltanschauliche Überzeugungen geprägt wird. Hinsichtlich Alter, Einkommen und Wohnort zeigen sich keine deutlichen Unterschiede in den Einstellungen. Bei jüngeren Menschen findet sich leicht höhere Zustimmung als bei älteren.Menschen mit Erfahrung in der Pflege schwer kranker Menschen lehnen aktive Sterbehilfe öfter ab als Personen, die keine Erfahrung angeben. Der Faktor, welcher am stärksten mit den Einstellungen zur Sterbehilfe im Zusammenhang stand, betraf die weltanschauliche Positionierung zwischen konservativ und liberal. Personen, die sich als liberal bezeichnen, sind mit 68 Prozent deutlich stärker für die aktive Sterbehilfe, als Personen mit konservativer Selbsteinschätzung, die nur zu 54 Prozent dafür eingestellt sind. Bei der passiven Sterbehilfe zeigen sich vergleichbare Unterschiede: 83 Prozent stimmen bei liberaler Weltanschauung dafür, im Vergleich zu 71 Prozent bei konservativen Personen.
Freie Wahl nur für Wohlhabende?
„Besonders Personen mit einer liberalen Weltsicht verbundene Betonung der Freiheit und Selbstverantwortung des Einzelnen - wie sie in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung gewann - dürfte für die zunehmende Akzeptanz eine entscheidende Rolle spielen", erklären die Studienautoren Univ.-Prof. Dr. Willibald Stronegger und Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl. "Die Betonung eines autonomen Subjekts, das unabhängig von der jeweiligen Lebenssituation frei für sich das Richtige wählen kann, ist aber eine wirklichkeitsfremde Idealisierung, die gerade auf Schwerkranke kaum zutrifft. In Zeiten knapper Ressourcen könnte eine Legalisierung letztlich dazu führen, dass nur Wohlhabenden die freie Wahl zwischen kostenintensiver Palliativmedizin und Sterbehilfe offensteht."