Die Publikation aus Genf beendet Unsicherheiten unter Gynäkologen weltweit: Erstmals hat die WHO ein umfangreiches Positionspapier zu Wirkung und Risiken von HPV-Vakzinen veröffentlicht. Wichtigste Erkenntnis: Die Impfstoffe sind im Prinzip gut und wirken, aber...
Die im Weekly Epidemiological Record (WER) veröffentlichte Stellungnahme der WHO ist ein klares Statement. Denn die in Genf ansässige Organisation nahm im Vergleich zu bisherigen Ansätzen gleich beide Vakzinarten, also den bivalenten und den quadrivalenten Impfstoff, ins Visier – und macht nun deutlich, dass es bei der Interpretation der Ergebnisse eine wichtige Einschränkung gibt. Gebärmutterhalskrebs kann nämlich noch Jahrzehnte nach dem ersten Virenbefall ausbrechen, doch Langzeitstudien solcher Dimensionen gibt es für die Impfstoffe nicht. Daher hätten Zulassungsbehörden zum Nachweis der klinischen Wirksamkeit von HPV-Impfstoffen einvernehmlich „nicht das Auftreten von Zervixkarzinomen, sondern der Nachweis von hochgradigen Dysplasien der Zervixschleimhaut (CIN 2/3) festgelegt“, wie neben dem jetzigen WHO-Positionspapier auch das deutsche Paul-Ehrlich Institut unlängst erklärte.
Für Gynäkologen dennoch eine gute Nachricht. Denn die Wirksamkeit des quadrivalenten Vakzins beläuft sich nach WHO-Angaben auf 100 Prozent, wenn auch nur für HPV-16 und HPV-18. Als Basis dieser Aussage dienten gleich mehrere Phase-III-Studien, von denen eine insgesamt 17.622 Frauen im Alter von 15-26 Jahren als Probandinnen aufgenommen hatte. Allerdings gelten diese Angaben der Weltgesundheitsorganisation für einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren, schon für das 5-jährigen Pendant liegen bislang lediglich Daten einer Phase-II-Studie und mit 241 Frauen entsprechen kleine Patientinnengruppe vor. Dennoch gilt diese Kohorte als besonders spannend, weil die Wirksamkeit des Impfstoffes gegen den Befall durch HPV 6, 11, 16 oder 18 getestet werden soll. Auf 90 Prozent Effektivität brachte es hingegen der bivalente Impfstoff, wobei dieser an 18.644 Frauen getestet wurde.
Obwohl die Zahlen auf den ersten Blick für sich sprechen, gibt es auch kritische Stimmen. Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs bei Mädchen führe möglicherweise zu ernstzunehmenden viralen Verdrängungseffekten im Organismus, meinen beispielsweise Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts in einer entsprechenden Stellungnahme zum Vakzin. "Die Befürchtung, dass HPV-Impfungen ein "strain replacement" begünstigen, also andere HPV-Typen die Rolle von HPV-16 und -18 übernehmen und dadurch insgesamt kein Rückgang der Inzidenz schwerer zervikaler Dysplasien erfolgt, ist ernst zu nehmen und wird in aufwändigen Nachzulassungsstudien ausreichend berücksichtigt", teilte die Behörde in Februar dieses Jahres mit.
Impfen mit Liebe zum Detail
Auf solche Schwachstellen der HPV-Prophylaxe geht auch das Positionspapier der WHO ein – und benennt weitere Fallstricke, die es als Gynäkologe oder Kinderarzt zu beachten gilt. So empfehlen die Experten aus Genf, geimpfte Mädchen bis zu 15 Minuten nach Verabreichung der Spritze genau zu beobachten. Tatsächlich kamen Schwellungen und Rötungen bis zu 20 Prozent häufiger vor als in den entsprechenden Kontrollgruppen der klinischen Studien. Auch sollten Ärzte schwangere Frauen nicht gegen HPV impfen – gegen die Verabreichung des quadrivalenten Impfstoffs bei stillenden Müttern wiederum sei nichts einzuwenden, konstatiert die WHO. Für den bivalenten Impfstoff hingegen liegen für die Anwendung bei stillenden Müttern bisher keine ausreichenden Daten vor. Auf derartige Nuancierungen zu achten lohnt dennoch allemal. Bezogen auf die Lebensspanne sinkt das Gebärmutterhalskrebs-Risiko immerhin um 35 bis 80 Prozent.
Kein Wunder also, dass mittlerweile 25 Schweizer Kantone einem Impfprogramm zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs zugestimmt haben. Die Vorhaben laufen seit Herbst vergangenen Jahres in der ganzen Schweiz an. „Das bedeutet, dass alle Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren sowie während 5 Jahren alle 15- bis 19-jährigen jungen Frauen flächendeckend Zugang zur Impfung haben“, kommentierte die Krebsliga Schweiz, und: „Laut Mitteilung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) können bei einer hohen Impfrate jährlich rund 160 Erkrankungsfälle und 50 Todesfälle verhindert werden“. Damit lag die Schweiz in Punkto HPV-Vakzin bereits im Herbst 2008 praktisch dort, wo die WHO jetzt auch den Rest der Welt sehen möchte: Inmitten nationaler Immunisierungsprogramme gegen die tückischen Viren.