Magnetfeld-Therapien gehören zu den hartnäckigen Pflänzchen im Methodendschungel abseits des schulmedizinischen Weges. Das Spektrum ist breit, und die Forschung bringt teilweise interessante Ergebnisse. Teil 2 der Serie zur Alternativmedizin.
Magnetfelder sind faszinierend, keine Frage. Jeder, der einmal das Vergnügen hatte, mit Metallteilen im Einzugsbereich eines modernen 3 Tesla-Kernspin-Geräts herumspielen zu dürfen, wird das bestätigen. Die unsichtbaren Kräfte, die dort wirken, sind so enorm, dass es ohne Weiteres vorstellbar scheint, mit Hilfe eines Magneten Effekte und, warum nicht, auch therapeutische Effekte auf den menschlichen Organismus zu erzeugen.
Mit Magneten kuscheln bringt nicht viel
Allerdings ist die Welt des Magnetismus in der Medizin relativ bunt. Neben konventionellen, statischen Magneten, die Magnetfelder einer Stärke irgendwo zwischen 30 und 500 Milli-Tesla erzeugen, gibt es dynamische Magneten, die elektrisch mit Hilfe von Spulen in Intensität oder Richtung wechselnde Magnetfelder aufbauen. Am nächsten dran an der auf die Romantik zurückgehenden Faszination mit dem Magnetismus sind wohl die statischen Magneten. Und die werden in der Realität der alternativmedizinischen Heilmethoden vor allem zur Schmerzbekämpfung eingesetzt. Eingewickelt in Verbände, deponiert unter Matratzen, verkleidet als Halskette oder integriert in eine Schuheinlage: In Sachen therapeutischer Einsatz von Magneten gibt es nichts, was es nicht gibt. Besonders beliebt ist diese Art der Therapie im angloamerikanischen Raum.
Einer Publikation in den Annals of Internal Medicine zufolge nutzen in den USA bis zu 28 Prozent aller Patienten mit rheumatischen Gelenkbeschwerden Magnete oder – eine Variante dieser Methode – Kupferarmbänder als begleitende Schmerztherapien. „Hinweise auf wissenschaftliche Daten oder biologische Mechanismen, die diesen Ansatz rechtfertigen würden, sind allerdings sehr begrenzt“, schreibt Dr. Max Pittler, damals Lehrstuhl für Alternativmedizin an der Universität Exeter in Südengland, heute Cochrane Collaboration, in einem im Jahr 2007 in der Zeitschrift CMAJ der Canadian Medical Association publizierten Review zu der Thematik. Insgesamt haben die Autoren in dieser Arbeit 29 potenziell relevante Studien identifiziert, darunter immerhin neun randomisiert-kontrollierte Studien, in denen die Patienten den Schmerz mit Hilfe einer visuellen Analogskala quantifizierten. Alles in allem waren die Ergebnisse ernüchternd: In den meisten Einzelstudien gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen echten Magneten und Placebo-Magneten, und entsprechend fällt auch die Gesamtschau eindeutig negativ aus.
In der Onkologie seit Neuestem beliebt
Ein etwas genauer Blick auf die Daten ergibt ein nur geringfügig differenzierteres Bild: Die Arthrose der peripheren Gelenke ist die eine Indikation, bei der die Datenlage für statische Magneten nicht so eindeutig negativ ist wie bei anderen Indikationen. Hier sehen die Autoren Chancen für weitere klinische Studien. Geschehen ist seit der Veröffentlichung der Übersichtsarbeit im Jahr 2007 aber nicht viel: „Eine neue Überarbeitung der Datenlage hat bisher nicht stattgefunden, und mir ist unklar ob neue Studien hinzugekommen sind“, so Pittler zu DocCheck.
Um einiges dynamischer ist die Wissenschaftslandschaft dafür im Bereich der dynamischen Magnetfelder. Dieses Feld hat sich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Vieles, was dort derzeit untersucht wird, hat mit klassischer Alternativmedizin nicht mehr viel zu tun. Vor allem die Onkologie hat die Magnetfelder für sich entdeckt – wenn auch ganz anders, als erwartet. So steht die Berliner Arbeitsgruppe um Andreas Jordan von der MagForce Nanotechnologies AG gerade unmittelbar vor der Zulassung einer Magnetfeldtherapie für Patienten mit Glioblastom. Das Prinzip: Die Ärzte injizieren Eisenoxidteilchen, die durch das externe Magnetfeld Wärme erzeugen. Diese wiederum setzt dem Tumor zu. In einer vor einem halben Jahr vorgestellten Studie mit 59 Patienten mit Rezidiv eines Glioblastoms lag das mediane Überleben bei 13,4 Monaten, doppelt so lang wie sonst.
Wechselnde elektrische Felder beeindrucken sogar Tumorzellen
Zugegeben, die Erzeugung von Hitze durch Magnetfelder und Nanoteilchen ist nicht so ganz das, was die Magnetfeld-Romantiker eigentlich meinen, wenn sie von therapeutischen Magnetfeldern sprechen. Aber namentlich beim Rezidiv-Glioblastom gibt es auch Ansätze, die näher am Original liegen. Das israelische Unternehmen NovoCure hat erst vor wenigen Wochen bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) die Ergebnisse einer Phase III-Studie vorgestellt, bei der 237 Patienten entweder mit wechselnden elektrischen Feldern oder aber mit Standard-Chemotherapie behandelt wurden. Die elektrischen Felder werden von dem Gerät NovoTTF-100A produziert. Die Applikation erfolgt über Elektroden, die an der Kopfhaut befestigt werden. Das Ganze sieht ein bisschen so aus wie eine Bademütze.
Die Ergebnisse waren insofern positiv, als sich das Gesamtüberleben zwischen den beiden Gruppen in der Intention to treat-Analyse mit im Median jeweils sechs Monaten nicht signifikant unterschied. Wenn man also der Chemotherapie Wirksamkeit unterstellt, dann war die transkranielle Stimulation zumindest „non-inferior“. In der Per-Protokoll-Population war das Gesamtüberleben mit 7,8 versus 6,1 Monaten sogar besser. Dass es im Übrigen deutliche Vorteile für die Stimulation bei der Verträglichkeit gab, versteht sich fast von selbst. Trotzdem läuft derzeit auch noch eine europäische Studie zur Kombination der Feld-Therapie mit Temozolomid, um einen möglichen additiven Effekt zu identifizieren.
Fazit: Seriöse Wissenschaft funktioniert auch mit scheinbar abseitigen Therapiekonzepten. Man muss es nur machen. Und man braucht unter Umständen einen langen Atem. Magnetfeld-Nano-Pionier Andreas Jordan kann davon ein Lied singen: „Wir haben mehr als 20 Jahre gebraucht, um jetzt kurz vor der Zulassung zu stehen.“
Lesen Sie hier Teil 1 der Serie...