Derzeit gibt es keine verlässlichen Medikamente, um Personen nach einer Influenza-Infektion zu therapieren. Forscher stellen jetzt eine neue Wirkstoffklasse vor: Multivalente Influenza-Inhibitoren erhöhen die Chance, Krankheitserreger zu erkennen und zu inaktivieren.
Den besten Schutz vor Influenza-Infektionen bieten nach wie vor Vakzine. Erhebungen des Robert Koch-Instituts zufolge lassen sich Risikopatienten jedoch immer seltener impfen. Derzeit gibt es keine verlässlichen Wirkstoffe, um Personen nach der Infektion zu therapieren. Neuraminidase-Hemmer wirken als Inhibitoren des viralen Oberflächenproteins Neuraminidase, zeigten in der Praxis aber nicht den ursprünglich erhofften Effekt. Cochrane Reviews zufolge verringern die verfügbaren Substanzen Oseltamivir oder Zanamivir weder die Zahl an stationären Aufenthalten noch die Schwere typischer Symptome. Deshalb machen sich Forscher auf die Suche nach neuen Möglichkeiten.
Multivalente Influenza-Inhibitoren scheinen besonders vielversprechend zu sein. Hier handelt es sich um Nanopartikel mit zahlreichen Liganden auf ihrer Oberfläche, um spezifisch Grippeviren zu binden. Durch die Vielzahl an Koordinationsstellen ist die Chance wesentlich größer, dass Pathogene erkannt und inaktiviert gesetzt werden: Bindung der neuen Inhibitoren an Influenza-Viren. Türkis: Nanopartikel. Rot: Liganden © Kai Ludwig, Maria Glanz Um Liganden zu konstruieren, hatten die Wissenschaftler zuvor menschliche Antikörper untersucht, die Influenza eliminieren. Entscheidende Peptidsequenzen wurden identifiziert, isoliert und in vitro synthetisiert. So entstanden optimale Liganden, die in großer Stückzahl am Inhibitor verankert wurden. „Dadurch ist die Affinität zum Virus wesentlich größer, also bindungsstärker“, erklärt Professor Dr. Andreas Herrmann, Leiter des Bereichs Molekulare Biophysik an der Humbold-Universität Berlin. "In vitro haben unsere multivalenten Peptid-Nanopartikel-Konjugate richtig gut gegriffen.“
Multivalente Partikel bringen noch weitere Vorteile mit sich. Da sie unterschiedliche Bindungsstellen tragen, werden auch Viren mit veränderten Oberflächenproteinen erkannt. Ältere Systeme waren nur gegen eine Bindestelle gerichtet. „Wir haben jetzt wesentlich mehr Möglichkeiten und können unser System viel leichter adaptieren, etwa wenn Resistenzen und Mutanten entstehen“, erklärt Erstautor Daniel Lauster von der HU Berlin. Weitere Pluspunkte seien, dass sich das neue Inhibitoren-Design auch für andere Peptidsysteme eigne und einfach synthetisieren lasse. Er hofft, Inhibitoren gegen andere Viren herzustellen. Bislang funktionieren diese Ansätze nur im Labor. Wie lange der Weg in die Praxis dauert, lässt sich bisher nicht sagen.