Aspirin ist das erfolgreichste Arzneimittel der Welt. Entwickelt wurde es im 19. Jahrhundert auf der Grundlage eines über 2000 Jahre alten Rezepts gegen Rheumabeschwerden. Lest hier, woher Aspirin kommt und wie es wirkt.
Der Wirkstoff, aus dem Aspirin entwickelt wurde, war schon in der Antike bekannt, denn vor etwa 2400 Jahren verordnete der berühmte griechische Arzt Hippokrates Weiden- oder Pappelrinde gegen rheumatische Beschwerden. Im 19. Jahrhundert erinnerten sich Chemiker an diese uralte Arznei und entwickelten auf der Grundlage der Erfahrungen des Arztes aus der Antike ein Medikament, das zum meistverwendeten Mittel in der modernen Welt werden sollte: Aspirin.
Das Rezept des Hippokrates bewährte sich schon damals. Die Wirksamkeit litt jedoch darunter, dass es schwierig war, den Kranken ausreichende Mengen der Arznei in verträglicher Form zu verabreichen. Schon damals mochte niemand gemahlene Baumrinde essen geschweige denn daraus gebrühten Tee in großer Menge trinken. Gut bekömmlich war diese Form der Medikation leider auch nicht. Das Mittel geriet somit für eine lange Zeit in Vergessenheit.
Die Erforschung eines historischen Medikaments
Aber die wohltuenden Eigenschaften dieses Naturprodukts ließen den Chemikern der späteren Jahrhunderte keine Ruhe. Sie wollten herausfinden, auf welchen Bestandteilen der Weidenrinde sie beruhten und forschten nach. Im Jahre 1828 gewann schließlich der Chemiker Johann Andreas Buchner aus der Rinde der Salweide eine Substanz, die er "Salicin" nannte. Aus ihr stellte der Italiener Piria zehn Jahre später Salizylsäure her. Es zeigte sich bald, dass dieser Stoff die gleiche entzündungshemmende, fiebersenkende und schmerzstillende Wirkung wie das Naturprodukt besitzt. Tatsächlich ist heutzutage bekannt, dass der menschliche Körper Salicin in Salizylsäure umwandelt. Als dann auch noch der Marburger Professor Hermann Kolbe vor 150 Jahren eine elegante Herstellungsmethode für Salizylsäure entdeckte, die von Phenol, einem Nebenprodukt der Koksgewinnung ausgeht, stand dem weltweiten Einsatz des neuen Mittels nichts mehr im Wege, zumal er getreu der Tradition deutscher Universitätsprofessoren seine Erfindung nicht zum Patent anmeldete. Bald wurde das Medikament in einer Fabrik bei Dresden großtechnisch hergestellt. Das uralte Rezept des Griechen Hippokrates hatte eine späte, aber glanzvolle Rechtfertigung erfahren.
Allerdings zeigte sich bald, dass die Patienten Salizylsäure ziemlich schlecht vertrugen, selbst wenn sie in Form ihrer Salze verabreicht wurde. Sie schmeckt nämlich nicht nur abscheulich, sondern verursacht auch noch unangenehme Magenbeschwerden bis hin zum Erbrechen - auf lange Sicht entstehen sogar Magenblutungen. Der Vater eines jungen Chemikers der Farbenfabriken Bayer in Elberfeld, der an einer schweren Arthritis litt, beklagte sich bei seinem Sohn Felix Hoffmann über die Nebenwirkungen der neuen Arznei und dieser nahm sich vor, die Salizylsäure so abzuwandeln, dass sie besser verträglich würde.
Aber dies war ein sehr schwieriges Unterfangen. Im Salizylsäure-Molekül gibt es nämlich gleich zwei funktionelle Gruppen, die sauer wirken und sich in ihrer Wirkung sogar verstärken, ferner den Benzolring, an den der Magen des Patienten auch nicht gerade gewöhnt ist.
Weiterentwicklung zum weltweiten Erfolg
Aber Felix Hoffmann hatte eine Idee. Er wusste, dass sich das giftige Anilin durch Umsetzung mit Essigsäure in eine erheblich harmlosere Verbindung überführen ließ. Deshalb setzte er auch Salizylsäure mit dieser Substanz um und erhielt Acetylsalizylsäure. Obwohl dadurch eine der sauren Gruppen blockiert wurde, stellte sich heraus, dass die neue Substanz als Arzneimittel ebenso wirksam wie die freie Salizylsäure war, jedoch fast geschmacksfrei und viel besser verträglich.
Das so gewonnene Medikament wurde schnell zum Verkaufsschlager. Das Kaiserliche Patentamt schützte 1899 den Namen Aspirin. Der Schutz ging jedoch mit dem Ende des Ersten Weltkrieges für Bayer in den Ländern der Siegermächte Frankreich, Großbritannien und USA verloren. Deshalb konnte man in den USA auch für lange Zeit Aspirin kaufen, das von Konkurrenten hergestellt wurde. Für eine Milliarde Dollar hat aber Bayer 1994 sein Namensrecht zurückgekauft und die amerikanische Herstellerfirma Sterling Drug gleich mit dazu.
Die Wirkweise
Heute weiß man, dass das Aspirin, das natürlich auch Nebenwirkungen wie beispielsweise Magen-Darm-Beschwerden haben kann, nicht nur gegen Schmerzen, Fieber oder auch Entzündungen wirkt. Es vermindert bei regelmäßiger Einnahme die Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Deshalb setzen es die Ärzte vorbeugend gegen Schlaganfall und Herzinfarkt ein. Anscheinend hemmt es auch die Umwandlung von Darmpolypen in bösartige Krebsgeschwüre. Die Wirksamkeit gegen andere Krebsgeschwüre wird noch untersucht. Seit man den Wirkungsmechanismus von Aspirin kennt, forschen die Pharmakologen auch nach noch wirksameren Abkömmlingen.
Die Wirkung von Acetylsalizylsäure (ASS) beruht auf einer irreversiblen Hemmung der Prostaglandin H2-Synthase, genauer gesagt der Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2. Diese Enzyme katalysieren die Bildung von entzündungsverstärkenden Prostaglandinen und Thromboxan A2, welches unter anderem auch thrombozytenaktivierend wirkt. Die Acetylsalizylsäure überträgt bei der Hemmung einen Acetylrest auf einen Aminosäurerest kurz vor dem katalytischen Zentrum. Dadurch kann die Arachidonsäure als Substrat des Enzyms das aktive Zentrum nicht mehr erreichen und das Enzym wird dauerhaft inaktiviert. Die COX-1 wird durch Acetylsalizylsäure bis zu 100-mal stärker gehemmt als die COX-2. Da Thrombozyten aufgrund des fehlenden Zellkerns keine Enzyme nachbilden können, ist die gerinnungshemmende Wirkung auf sie irreversibel. Die Wirkungsdauer deckt sich daher mit der Lebensdauer eines Thrombozyten von etwa acht bis elf Tagen.
Hauptsächlich durch die sinkende Bildung von Prostaglandinen werden die Schmerzen gesenkt, es wirkt antirheumatisch, fiebersenkend und auch entzündungshemmend. Prostaglandine sind unter anderem auch an der Regelung der Magensäuresekretion und an der Magenschleimhautdurchblutung beteiligt, so dass durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese bei höheren Dosierungen und längerfristiger ASS-Einnahme Magenbeschwerden und Magenblutungen auftreten können. Die Magenunverträglichkeit beruht zu einem wesentlichen Teil auf der Hemmung der Prostaglandinsynthese und lässt sich durch die gleichzeitige Gabe von zum Beispiel magensaftresistenten Tabletten abmildern.
Heute werden weltweit jährlich mehrere Tonnen Acetylsalizylsäure hergestellt. Es ist das meistverwendete und zugleich das erfolgreichste Arzneimittel der Welt.