Irgendwo zwischen Birkenstock-Sandalen, Designer-Polohemden und Versace-Taschen bewegen sich Deutschlands Medizinstudenten. Die angehenden Halbgötter in Weiß sind dabei mit einigen Vorurteilen belastet. Zu Recht?
Liebe angehende Halbgötter in Weiß: Wir alle stehen natürlich jetzt schon in Eurer Schuld, da Ihr Tag für Tag Euer Wohlergehen hinter unseres stellt, um Euch bei einer 15-Stunden-Schicht oder auch mal länger für ein mittelmäßiges Gehalt, auch genannt Hungerlohn, mit den großen und kleinen Wehwehchen einer wehleidigen Gesellschaft zu befassen. Vielen Dank auf diesem Wege dafür, dass Ihr Euch diesen Beruf ausgesucht habt und den nun auch in naher oder ferner Zukunft ausüben möchtet.
Doch, liebe Medizinstudenten, hier kommt die Beruhigung: Es gibt trotzdem Mediziner, die Zeit für eine eigene Familie haben. Manche von ihnen fahren sogar einen teuren Sportwagen, haben ein großes Haus, gönnen sich drei Urlaube pro Jahr und sind darüber hinaus auch noch schuldenfrei. Unglaublich, aber wahr. Das Unglaublichste an der Sache ist jedoch, dass sie nicht jeden Tag herum motzen, wie elend es in ihrem Beruf zugeht, den sie aber doch ohnehin als Berufung sehen und mit völliger Überzeugung ausgesucht haben.
Recht auf Motze
Aber selbstverständlich haben Medizinstudenten auch ein Recht auf Motze. Allein schon ein winziger Blick auf das spätere Gehalt reicht schon um zu verzweifeln. Überall liest man, dass man im Ausland besser verdient. Also was hält sie denn noch in diesem Land? Verwunderlich nur, dass nicht tagtäglich hoffnungslos überladene Urologen- und Orthopäden-Flüchtlingsboote an den Küsten Englands und Schwedens angespült werden. Vielleicht, weil es ja doch eine Möglichkeit gibt, mal annähernd gut zu verdienen. Dann muss sich aber der Übermensch Mediziner mit Arzthelferinnen herumärgern. Das ist der Preis, den der weiße Retter für die eigene Praxis und damit auch für Mehrverdienst bezahlen muss.
Zunächst einmal nervt aber noch das Studium. Zwölf Semester Regelstudienzeit und natürlich das böse Auswendiglernen. Dieses betrifft ausschließlich die Medizinstudenten dieser Welt. Hier mal kurz 1000 Seiten lesen und gleich können müssen, aber bitte dann auch bis ins kleinste Detail, da mal ein paar Dutzend Bücher, die schlagartig ein riesiges Loch in die winzige Studentenkasse reißen. Und solche Klagen kommen auch völlig zu Recht: solch einen psychischen und physischen Kraftakt nimmt sonst selten jemand in Kauf.
Doch man sollte es mal von einer anderen Seite sehen: Während des Studiums ist längst nicht alles so erdrückend wie später im Berufsleben. In erster Linie deshalb, weil die Studenten bei ihrem Blick in die Zukunft ein eher rosiges Dasein sehen. Und zwar als Sportmediziner. Oder Schönheitschirurg. Hört man sich heute an Medizin-Fakultäten dieses Landes über den Traumberuf um, so müsste es bald mehr Sportmediziner und Schönheitschirurgen geben als Grundschüler. Denn der Traum ist da von der Karriere bei irgendeinem tollen und berühmten Fußballverein, beim Deutschen Fußballbund, als Zurechtflicker der Klitschkos oder Cocktailmixer diverser Radprofis, die komischerweise dauernd ihr eigenes Blut gespritzt bekommen wollen. Andere streben nach dem Beruf als berühmter Schönheitschirurg, der sich um diverse Schönheiten aus dem Promi-Business kümmert, die schnell mal paar Jährchen jünger aussehen wollen, oder als Geheimtipp-Arzt für die aufstrebenden Starlets.
Weltherrschaft durch Schönheitschirurgie
Das Ziel ist die Weltherrschaft durch Sportmedizin und Schönheitschirurgie. Weil es aber mehr Rheuma-Patienten als Bundesliga-Kicker und Prominenz gib, nimmt die Karriere als Sport- oder Schönheitschirurg dann meist eine andere Wendung. Der einzige Sportler, der dann mal zur Behandlung erscheint, ist der Innenverteidiger der örtlichen Fußballmannschaft, der sich an der Pommesbude an einer zerschlagenen Flasche Export verletzt hat. Und der einzige Promi, den man zu Gesicht bekommt ist das Mädchen von nebenan, das es bei einer Talentshow für junge Models bis ins Fernsehen geschafft hat. Es bleibt also nur ein ganz normaler Werdegang als Chirurg oder Internist.
Doch auch in diesem Fall seid Ihr Medizinstudenten für die Öffentlichkeit nahezu unantastbar. Wahrscheinlich, weil sich auch fast jeder Medizinstudent nach dem Eintritt ins Berufsleben "Doktor" nennen darf. Und so ein Titel macht bekanntlich aus jedem Normalo einen Menschen mit Ansehen und Niveau. Mit Stolz in der Brust und erhobener Nase geht es dann durch die Welt. Viele nehmen auch die Anstrengung auf sich und machen ihren Doktor-Titel neben dem Studium. Das muss auch gehörig angerechnet werden, neben so einem heftigen Studium noch eine Doktorarbeit schreiben, das grenzt schon an ein Wunder.
Die Medizinstudenten sind jedoch schon ein komischer Menschenschlag. Das sieht man auch an ihrer Art zu feiern. Während andere Studenten einfach so ziemlich zu jedem Anlass drauf los feiern, startet bei den Medizinern die Anatomie-Party, wenn die Leichen umgedreht werden. Klingt ekelhaft, ist es auch. Doch wer will sich schon großartig daran stören?
Schließlich leisten Medizinstudenten trotz allem so einiges während des Studiums, und das muss man ihnen auch anrechnen. Aber mal ehrlich: Habt Ihre es Euch nicht selbst so ausgesucht?