Studentinnen mit Babybauch oder Kinderwagen sieht man eher selten, aber es gibt sie: die Mutigen, die sich noch während des Studiums für ein Kind entscheiden und trotzdem weiter studieren. Wir haben mit einer jungen Mutter gesprochen, die den Schritt gewagt hat und ihn nicht bereut.
Über den "richtigen" Zeitpunkt, eine Familie zu gründen lässt sich streiten. Im Zweifelsfall gibt es ihn einfach nicht. Ein Kind kostet Geld, aber auch Zeit. Als Arzt hat man vielleicht Ersteres, aber kaum eine Minute Freizeit. Als Student mangelt es kaum an unbeschwerten Stunden, aber finanziell ist man meist nicht besonders gut gestellt. Trotzdem entscheiden sich immer mehr junge Paare (derzeit ca. 6% aller Studierenden), in der Studienzeit ein Kind zu bekommen. Was die Schwierigkeiten und Vorteile sind, wo man sich informieren kann und was sich so alles ändert im Leben mit Kind, darüber habe ich mit einer Kommilitonin gesprochen, die sich klar dafür entschieden hat, ihr Studium mit Kind und ihr Kind mit Studium durch- und großzuziehen.
Mara sieht super glücklich aus – sie lässt den 3 Monate alten Luis auf ihrem Schoß hüpfen. Ich frage Sie als erstes, ob es schwer war, sich für das Kind zu entscheiden – obwohl ich die Antwort bereits aus ihren Augen ablesen könnte:
Mara: Mein Freund Tore und ich haben einfach entschieden, dass wir das Baby wollen, und es war irgendwie nie eine Frage, ob wir das schaffen. Höchstens wie… Aber wenn man etwas wirklich will, dann geht es auch. Es war allerdings natürlich auch wirklich gutes Timing. [sie lacht] Ich war gerade am Ende des 9. Semesters, als wir es erfahren haben. Luis kam dann kurz nach dem 10. Semester und meiner letzten Prüfung.
Wie war das so – in der Uni mit dickem Bauch?
Mara: Das war interessant: anfangs dachten alle, ich wäre einfach nur pummelig geworden (das habe ich dann später erst erfahren)! Dann haben es irgendwann die meisten kapiert und natürlich waren alle neugierig, aber auch total nett und hilfsbereit. Das war eines der besten Dinge am Schwangersein: Alle sind soooo nett zu Dir! Aber im Ernst, alle Profs waren sehr verständnisvoll und die Uni hat mir enorm geholfen, dass ich alles hinbekommen habe. Die ganze Organisation ist allerdings schon eine ziemliche Rennerei. Aber alle Stellen sind sehr hilfsbereit, und jeder greift Dir unter die Arme.
Und die Teilnahme an den praktischen Veranstaltungen während der Schwangerschaft war kein Problem?
Mara: Naja, wie schon gesagt, man muss eben mit den Leuten reden. Es gibt einige Dinge, die man aufgrund des Mutterschutzes nicht darf. Aber eigentlich haben wir immer eine gute Lösung gefunden.
Und wie sehen Deine weiteren Pläne aus? Es wäre ja schon schade, das Studium jetzt so kurz vor dem Ende ganz auf Eis zu legen, oder?
Mara: Nichts wird auf Eis gelegt! Jetzt bin ich zwar erstmal in der Babypause aber dann starte ich direkt ins PJ. Mein Freund nimmt sich dann ein bisschen Auszeit und kümmert sich um Luis. Und da sind ja auch noch unsere Eltern. Und wenn ich fertig bin, kann Luis schon in den Kindergarten. Meine Idee ist eigentlich, während der Auszeit schon ein bisschen zu wiederholen und fürs Staatsexamen zu lernen aber das ist wohl eher utopisch – wenn ich Luis sehe, gibt’s nichts anderes für mich!
Und später im Job hast Du die Doppelrolle als Mami und Ärztin schon richtig raus, sicher auch kein Nachteil!
Mara: Ja, das denke ich auch. Erstens weiß man, was auf einen zukommt und außerdem ist die Erfahrung im privaten und beruflichen "Multitasking", das ja schon Organisationstalent zeigt, sicher auch kein schlechtes Argument fürs Bewerbungsgespräch!
Du wirkst richtig energiegeladen, da kann ich mir gut vorstellen, dass Du Kind, Haushalt und Uni schmeißt – aber wie kriegt Ihr das finanziell so hin? Müsst Ihr Euch stark einschränken?
Mara: Auch wenn unsere beide Eltern selbst nicht viel beisteuern können, werden wir von ihnen unterstützt so gut es geht. Trotzdem arbeitet Tore jetzt zwei Nebenjobs um uns zu unterhalten und uns auch "etwas bieten zu können" – obwohl ich immer sage, dass ich außer ihm und dem Kleinen gar nichts brauche. Aber klar, ein Kind ist teuer. Wenn Luis ein bisschen älter ist, will ich auch wieder ein paar Stunden die Woche in der dermatologischen Praxis arbeiten, wo ich im Studium gejobbt habe.
Und wenn Du wieder jobbst kommt Luis in die Kinderkrippe?
Mara: Es gibt dummerweise relativ wenig Krippenplätze – wir hoffen sehr, dass wir Glück haben, aber es ist schwierig. Auch hier werden sicher unsere Eltern mithelfen – Tores sind schon im Ruhestand, die freuen sich auch schon riesig. Aber es ist auch ein richtiger Gewissenskonflikt. Bei uns in Deutschland ist es einfach noch sehr skeptisch gesehen, ein Kind früh in die Krippe zu geben und wir machen uns natürlich auch Gedanken, ob eine zu frühe Trennung nicht eine zu starke Belastung ist. Aber ich denke wir werden einfach mal sehen wie es läuft und uns danach richten. Außerdem denke ich, im Beruf wäre dieses Problem noch größer. Als Assistenzärztin im Krankenhaus hätte man genau dasselbe Problem – eher noch größer. Da heißt es doch "bloß nicht zu lange aussetzen" und dann müsste der Kleine auch früh in die Betreuung.
Und welche Fachrichtung willst Du dann gerne einschlagen?
Mara: Naja, da hat Luis natürlich schon einen Einfluss gehabt. Eigentlich wollte ich immer Unfallchirurgin werden. Das habe ich mir jetzt aus dem Kopf geschlagen. Ich will auf jeden Fall, dass Luis noch Geschwister bekommt und dafür ist der Job einfach zu stressig. Ich will das niemandem ausreden – es geht sicher auch. Aber ich habe mich jetzt doch dagegen entschieden. Ich bin noch nicht ganz sicher – es muss auf jeden Fall etwas sein, das gut mit unserem Leben als Familie vereinbar ist.
Und hat sich an Deinem Privatleben viel verändert?
Mara: Natürlich – alles! Aber auf eine schöne Art und Weise. Ich habe immer viel gefeiert und es ordentlich krachen lassen. Irgendwann ist’s dann auch mal gut. Und auch wenn ich manchmal schon wehmütig die Facebook-Kommentare über die letzte Party oder den feucht-fröhlichen Abend im Biergarten lese, ist mir klar, das hier ist mein Weg und ich würde mir kein anderes Leben wünschen, auch wenn es manchmal schon nicht ganz einfach ist – aber wann ist es das schon?
Na dann wünsche ich Euch weiter ganz viel Glück und vielleicht führen wir dann in 18 Jahren noch mal ein Interview, wenn Du seit Jahren Oberärztin bist und Luis sich gerade fürs Medizinstudium immatrikuliert – "ganz die Mama".