Die Bosse der Arzneimittel-Behörden sind nicht zu beneiden: Die einen kämpfen mit zu vielen Anträgen, die anderen mit dem Vorwurf, zu lasch mit Zulassungen umzugehen. Ähnlich wie die FDA bemüht sich auch die deutsche Behörde um mehr Transparenz und Bürgernähe.
Bei der deutschen Behörde etwa, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), gibt es einen erheblichen Antragsstau, wie aus offiziellen Zahlen der Behörde hervorgeht. Rund 5500 Anträge - Tendenz eher steigend als fallend - harren einer Entscheidung (siehe Grafik). Meist muss zu lange geharrt werden: Die gesetzlich vorgesehene Bearbeitungsfrist beträgt sieben Monate; in der Regel werde sie überschritten, hieß es kürzlich auf einem Pressegespräch in Bonn. Mit ein Grund für den Zulassungsstau sind die zunehmende Zahl von europäischen Anträgen und die Komplexität der Verfahren. Inzwischen stehen drei von vier Zulassungsanträgen beim BfArM im Zusammenhang mit einem Zulassungsverfahren, das sich über mehrere Mitgliedstaaten erstreckt.
Antragsstau durch angebliche Personaldefizite
Der Antragsstau hat aber wohl noch eine weitere Ursache: Der Behörde fehlt es angeblich an ausreichend qualifizierten Mitarbeitern. Die Personalfluktuation sei zudem hoch - bedingt vor allem durch befristete Arbeitsverträge. Etwa jede vierte Stelle im BfArM sei zeitlich befristet und könne nicht verlängert werden, so der Vizepräsident des BfArM Dr.Karl Broich und Vertreter des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bei dem gemeinsamen Pressegespräch. Nach einem Bericht der Journalistin Anja Krüger hat die Behörde rund 950 Vollzeitstellen, 250 seien befristet und vor allem in der Zulassungsabteilung angesiedelt. Die schleppende Bearbeitung sei aber nicht nur ein deutsches Problem. „Bei allen europäischen Behörden gibt es lange Wartezeiten", wird Dr. Rose Schraitle, Abteilungsleiterin Zulassung beim BAH zitiert. „Je nach Indikation liegen sie bei bis zu anderthalb Jahren."
Lascher Umgang mit Zulassungen bei der EMA?
Mit einem ganz anderen Problem dürfen sich derzeit die Verantwortlichen der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA, früher EMEA) herumärgern. Ähnlich wie früher schon die US-Zulassungsbehörde (FDA) muss sich nun auch die EMA mit dem Vorwurf auseinandersetzen, bei der Zulassung von Arzneimittel doch teilweise zu lasch vorzugehen. Nur ein Anlass zu dieser Kritik, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ geäußert wurde, ist der Umgang der EMA mit dem Statin Rosuvastatin von AstraZeneca. Konkret ging es bei der Kritik um die Zulassungserweiterung für den Lipidsenker auf die „Primärprävention“ kardiovaskulärer Ereignisse bei Menschen mit erhöhtem Risiko dafür. Diese Zulassungsausweitung beruhe aber nur auf einer Subanalyse von Daten der Ende 2008 publizierten „Jupiter“-Studie, wobei diese Subanalyse zu Beginn der Studie nicht geplant war. Solche Subanalysen im Nachhinein gelten als eingeschränkt aussagekräftig.
Das Bemerkenswerte an dieser Kritik ist, dass sie ausgerechnet von den Professoren Paul M. Ridker und Robert J. Glynn, den Leitern der von AstraZeneca finanzierten Jupiter-Studie kommt. Bemerkenswert ist dies insofern, als Ridker, einer der renommiertesten Kardiologen in den USA, selbst großes Interesse an der Zulassungserweiterung hat und sie auch befürwortet. Der Hintergrund: Ein Parameter zur kardiovaskulären Risikoeinschätzung ist das hochsensitive C-reaktive-Protein (hCRP). Gemessen werden die CRP-Werte mit einem patentierten hochsensitiven Test – entwickelt von Ridker, der auch Mitinhaber des Patents ist und sich seit Jahren für die CRP-Bestimmung stark macht. Der US-Kardiologe profitiert also persönlich von der Bestimmung des Entzündungsparameters und damit wahrscheinlich auch indirekt von der Zulassungserweiterung für Rosuvastatin. Aus diesem Grund geriet er selbst wie auch die US-Arzneimittelbehörde (FDA) vor wenigen Monaten in die Kritik, nachdem die FDA das Statin zur Anwendung bei älteren Menschen zugelassen hatte, die normale Cholesterinwerte haben, aber erhöhte CRP-Spiegel in Kombination mit mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor.
Mal wieder im Kreuzfeuer: Die FDA
Für die FDA ist heftige Kritik spätestens seit dem Vioxx-Skandal bekanntlich nichts Neues. Mitte Mai erst riet eine von der Behörde selbst eingerichtete Arbeitsgruppe, die „Transparency Task Force“, die Öffentlichkeit besser über Entscheidungen und Massnahmen zu informieren (dazu hat die Arbeitsgruppe selbst kürzlich mehrere Vorschläge gemacht). Und vor wenigen Monaten sah sich einer der Hauptgutachter der Behörde, Dr. Ellis F. Unger, in der Pflicht, im „New England Journal of Medicine“ die Entscheidung für die Zulassung des Gerinnungshemmers Prasugrel vom Unternehmen Lilly zu verteidigen. Im Kreuzfeuer der Kritiker aus Wissenschaft, Medien und sogar Politik steht die FDA seit Monaten aber vor allem wegen ihres Umgangs mit dem angeblich kardiovaskulär bedenklichen Antidiabetikum Rosiglitazon von GSK. Seit Jahren fordern Kardiologen wie vor allem Professor Steven Nissen die Marktrücknahme. Und kürzlich hat die renommierte US-Bioethikerin Ruth Macklin (Albert Einstein School of Medicine) in einem Brief die FDA-Chefin Dr.Margaret A. Hamburg aufgefordert, eine Studie mit dem GSK-Antidiabetikum sofort zu beenden. Diese Studie (Akronym „Tide“) verletze ethische Prinzipien, so kurz und knapp die Begründung der Professorin für Bioethik und Mitglied der Ethik-Kommission der WHO.
Ein Bulletin für mehr Transparenz
So sehr im Kreuzfeuer wie die FDA stehen BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sicher nicht. Und noch eine positive Botschaft: Man tut etwas führ mehr Transparenz. Es mag darüber spekuliert werden, ob dies in irgendeinem Zusammenhang mit den Diskussionen um die Schweinegrippe-Impfung steht. Fakt ist, dass am 30. Juni dieses Jahres die zweite Ausgabe des „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit – Informationen aus BfArM und PEI“, erschienen ist. Mit dem vierteljährlich erscheinenden Bulletin informieren beide Institute zu aktuellen Aspekten der Risikobewertung von Arzneimitteln. Im Mittelpunkt steht hierbei die Pharmakovigilanz – die kontinuierliche Überwachung und Bewertung der Arzneimittelsicherheit vor und nach der Zulassung. „Wir starten die Reihe ‚Bulletin zur Arzneimittelsicherheit’, um über mögliche Risiken von Arzneimitteln zeitnah zu informieren“, so Professor Johannes Löwer, Präsident des BfArM. „Wir wollen unsere Arbeit transparenter machen“, betont auch Professor Klaus Cichutek, Präsident des PEI, „indem wir Hintergrundinformationen liefern, die zeigen, wie Pharmakovigilanz funktioniert und zur Sicherheit der Patienten beiträgt.“
Die Print- oder PDF-Version des Bulletin zur Arzneimittelsicherheit kann von jedem Bürger bei der Pressestelle des BfArM bestellt bzw. abonniert werden. Die PDF-Version steht außerdem auf der Homepage beider Institute zur Verfügung: (www.bfarm.de und www.pei.de/bulletin-sicherheit). Eine Gebühr wird nicht erhoben. Das nennt man Bürgernähe. Ob dies alles schon genügend Transparenz schafft, ist eine andere Frage.