Darmkrebs ist oft eine Folge schlechter Ernährungsgewohnheiten. Forscher haben nun entdeckt, dass ein Inhaltsstoff der Weizenkleie vor der tödlichen Krankheit schützen kann. Sie plädieren dafür, dass Aleuron zukünftig Lebensmitteln zugesetzt wird.
Lebensmittel aus weißem Weizenmehl haben einen schlechten Ruf: Sie gelten als reine Sattmacher ohne besonderen Nährwert, da sie kaum Mineral- und Ballaststoffe enthalten. Diese gehen bei der Getreideverarbeitung verloren und verbleiben nach Absieben des Mehls in der Kleie. Ein wesentlicher Bestandteil der Kleie ist die Aleuronschicht, die den stärkehaltigen Weizenkörper von der äußeren Schale trennt.
Ernährungswissenschaftler der Universität Jena haben nun herausgefunden, dass Aleuron Stoffe birgt, die vor Darmkrebs schützen könnten. Wie die Forscher um Michael Glei in den Fachzeitschriften British Journal of Nutrition und Journal of Agricultural and Food Chemistry berichten, hemmt fermentiertes Aleuron das Wachstum von Darmkrebszellen.
Schutz durch Buttersäure
Für ihre Untersuchungen haben Glei und seine Mitarbeiter Aleuron mit Enzymen und Mikroorganismen versetzt, wie sie auch im Verdauungstrakt des Menschen vorkommen. Durch diese Behandlung wird ein Teil seiner Inhaltsstoffe abgebaut und die bakterielle Fermentation der enthaltenen Ballaststoffe führt zu Bildung kurzkettiger Fettsäuren. „Besonders von Buttersäure weiß man, dass sie eine Vielzahl chemoprotektiver Mechanismen in Gang setzen kann“, sagt Glei, der wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ernährungstoxikologie ist.
Um nachzuweisen, ob das durch den Verdau entstehende Gemisch aus verschiedenen Stoffwechselprodukten dazu ebenfalls in der Lage ist, behandelten die Forscher gesunde Darmepithelzellen und Darmkrebszellen damit. „Wir konnten zeigen, dass Abwehrmechanismen in den Zellen aktiviert wurden und diese besser gegen toxische Stoffe geschützt sind“, berichtet Glei. Zum Beispiel erhöhte sich in Zellen, die dem fermentierten Aleuron ausgesetzt waren, die Aktivität der Katalase, eines Enzyms, das Wasserstoffperoxid in Wasser und Sauerstoff umwandelt. Wasserstoffperoxid, das als Nebenprodukt verschiedener Stoffwechselprozesse wie beim Abbau von Purinen und bei der Oxidation von Fettsäuren anfällt, schädigt die DNA und kann so die Entartung der Zellen vorantreiben.
Krebszellen im frühen Stadium besonders empfindlich
In einer weiteren Versuchsreihe untersuchten die Jenaer Forscher, wie Krebszellen in Abhängigkeit ihres Differenzierungsgrades auf das fermentierte Aleuron reagieren. Bei ihren Experimenten verwendete das Team um Glei zwei Colon-Zelllinien, eine Adenom- und eine Adenokarzinom-Zelllinie, stellvertretend für ein frühes und ein spätes Stadium von Darmkrebs. Dabei stellten sie fest, dass besonders die Krebszellen, die sich in einem frühen Stadium befinden, in ihrem Wachstum gehemmt werden.
Nicht nur das, sondern das fermentierte Aleuron sorgt auch dafür, dass sich die entarteten Zellen selbst zugrunde richten, indem es den programmierten Zelltod der Krebszellen fördert. Auf molekularer Ebene werden durch die Bestandteile des fermentierten Aleurons die Gene DR5 und WNT2B zusätzlich aktiviert; bei beiden Genen ist bekannt, dass sie an der Regulation des programmierten Zelltods beteiligt sind.
Wichtige Zutat für funktionelle Lebensmittel
Der Ernährungswissenschaftler sieht sich durch die Ergebnisse seiner Untersuchungen darin bestärkt, dass Aleuron das Potenzial hat, als wichtige Zutat in funktionellen Lebensmitteln verarbeitet zu werden. Der Bedarf, so Glei, sei klar gegeben, da Darmtumoren zu den häufigsten Krebsarten in den Industrieländern zählten. In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 70000 Menschen an Darmkrebs, fast 30000 sterben daran.
„Als wichtigste Risikofaktoren für diese Erkrankung gelten Übergewicht sowie zu viel Alkohol und rotes Fleisch in der Ernährung gepaart mit einem niedrigem Anteil an Ballaststoffen und körperlicher Inaktivität“, sagt Glei. Doch die Empfehlung, sich zum Beispiel ballaststoffreicher zu ernähren, werde in der Bevölkerung nur wenig umgesetzt, da Vollkornprodukte vielen Menschen einfach nicht schmeckten.
Bessere Aufklärung der Bevölkerung
Er plädiert deshalb neben der gezielten Information der Bevölkerung über die Bedeutung von Vollkornprodukten für die Entwicklung von neuen Lebensmitteln, die eine größere Akzeptanz finden. Glei: „Aleuron aus Weizen ist ein vielversprechender Kandidat, um Nahrungsmittel damit zu ergänzen, da es gemahlen ein sehr feines helles Mehl ergibt.“ Im Rahmen eines Projektes hat ein industrieller Partner verschiedene mit Aleuron angereicherte Produkte entwickelt, deren Geschmack von einem Testkollektiv für gut befunden wurde.
Glei wünscht sich nun eine Interventionsstudie, in der Testpersonen über einen langen Zeitraum entweder täglich aleuronhaltige Lebensmittel oder solche ohne Aleuron verzehren und man dann in beiden Probandengruppen schaut, in welcher Häufigkeit Polypen im Dickdarm auftreten. Als Teilnehmer einer solchen Studie kommen entweder gesunde Probanden in Frage oder Patienten, bei denen schon Polypen entfernt wurden. Bisher, so der Jenaer Forscher, habe sich jedoch noch kein Geldgeber gefunden, der für die Kosten der Studie aufkomme.