Sommer, Sonne, Sonnencreme: Wer als Apotheker auf die umsatzsteigernde Wirkung der 35 Grad Tage setzt, vergisst womöglich einen weitaus wichtigeren Aspekt: Viele Präparate haben bei Sonnenexposition der Patienten gravierende Nebenwirkungen.
Die Höchststrafe für Teenager kommt in Form von Akne vulgaris daher. Selbst die Psyche der Heranwachsenden leidet oft unter der Last der Pickel – doch Apotheker können dagegen etwas tun. Der in vielen Präparaten enthaltene Wirkstoff Benzoylperoxid (BPO) gilt als Shooting-Star im Kampf gegen die Gesichtsbakterien, er wirkt bakterizid und gezielt auf Propionibakterien. Zudem lösen die Mittel keine Resistenzen aus. Alles bestens für die Teens. Normalerweise. An Sonnentagen wie diesen ist das anders.
Denn während in Deutschland die Medien lediglich hechelnde ICE-Fahrgäste und ratlose Manager der Deutschen Bahn ins Visier nehmen, rollt auf die Pharmazeuten der Republik mit der Hitzewelle ein ernstzunehmendes Problem zu: Viele potente Präparate entfalten bei starker Sonneneinstrahlung heftige phototoxische Reaktionen, darunter auch der Pickelkiller BPO. Der UV-Gau trifft somit nicht nur jene Akne-Teens, die sich vor dem Schwimmbadbesuch noch schnell mit etwas Benzoylperoxid-Gel optisch in Schuss bringen möchten. Die sonnenbedingte Medikamenten-Malaise umfasst etliche Wirkstoffgruppen und ganze Medikamentarsenale, selbst Kosmetika, Parfüms und sogar Sonnenschutzmittel sind betroffen.
"Phototoxische Hautreaktionen durch Arzneimittel in Verbindung mit Sonnenstrahlung können den Urlaub zum Alptraum werden lassen", erklärte Heike Stahlhut vom Deutschen Grünen Kreuz e.V. in Marburg bereits vor drei Sommern – Warnungen wie diese bleiben jedoch meist wenig beachtet und weichen dem Mainstream-Trott. Schwitzende Fahrgäste, defekte Klimaanlagen, vielleicht noch die Hitzetoten.
Endlose Liste der phototoxischen Risiken
Dabei wäre es an der Zeit, zumindest in Apotheken das Beratungspotenzial zu nutzen und die Bevölkerung allmählich ob der Gefahr aus der Pillendose oder Tube aufzuklären. Ein Blick auf die Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) zeigt auf, wie umfangreich die Armada des Grauens im Sommer sein kann.
Chinolone, Chlorpromazin, Amiodaron, Hydrochlorothiazid, Chinidin, Demethylchlortetracyclin und andere Tetracycline etwa führen zu verstärkten Sonnenbrandreaktionen. Für die Wirkstoffe Naldidixinsäure, Furosemid, Tetracycline, Naproxen und Amiodaron machen Dermatologen die „verstärkte Verletzlichkeit der Haut mit Blasen nach Traumata (Pseudoporphyrie)“ aus. Allein das wäre schlimm genug, doch die Leitlinien offenbaren mehr. „Die klinisch wichtigsten systemisch phototoxisch wirkenden Medikamente umfassen Psoralene, Tetracycline, Nalidixinsäure, Furosemid, Amiodaron, Phenothiazine, Quinolone, nicht-steroidale Antiphlogistika und Fibrate“, heißt es dazu in dem Papier – allein in der Gruppe der nicht-steroidale Antiphlogistika sorgen Benoxaprofen, Piroxicam, Naproxen und Ketoprofen bei Sonnenhungrigen für Ärger. Selbst ätherische Öle, die Furokumarine enthalten, zählen zur Liste der phototoxischen Substanzen.
Dass Sommer, Sonne und gute Laune den Drang zum Schönsein verstärken, ist eine Binsenweisheit, nur: Auch viele Farbstoffe, die der allgemeinen Optik dienen, geraten auf die Beratungsliste verantwortungsvoller Pharmazeuten, Parfüms sind ebenso betroffen. „Fleckförmige oder streifenförmige Hyperpigmentierungen nach Anwendung von parfümhaltigen Externa und UV-Einwirkung“ als Warnung für betörend duftende Kundinnen und Kunden mag auf den ersten Blick zwar abschreckend wirken – in der gebotenen seriösen Darstellung der Problematik durch die Apotheke kommt die Sensibilisierung der Bevölkerung vermutlich voran. Ironie des Schicksals freilich ist auch, dass selbst UV-Filtersubstanzen phototoxisch wirken können. Paraminobenzoesäure und –ester, Benzophenone, Benzoylmethane und Zimtsäureester gelten als potenzielles Risiko. Nicht jeder Anwender wird darunter leiden, aber darauf aufmerksam machen sollte man seine Kunden schon.
Was als Ausweg aus der Sonnen-Katastrophe bleibt ist der Verzicht – und nicht die Flucht unter Palmen. Denn gerade bei Parfüm und Kosmetika gilt laut den Leitlinien der Dermatologen in puncto Phototoxizität: „Dabei genügen auch indirekte Lichteinwirkung bei bewölktem Himmel oder Aufenthalt im Schatten.“