Das PJ ist eine spannende Zeit, in der man nicht nur neue Aufgaben, sondern auch neue Menschen und Städte kennenlernt. Das gilt besonders für die, die das PJ im Ausland verbringen. Lest hier, wie ein PJ-Tertial im fernen China aussehen kann.
So fing es an...
China hat mich schon immer fasziniert. Und da meine Freundin zu ihrem Asienwissenschaftenstudium einen Sprachkurs in China für mehrere Monate machen wollte, entschied ich mich, mit ihr zu gehen - unter der Bedingung, dass ich mir die Stadt aussuchen konnte. Durch das Internet bin ich auf die Zhejiang Universität in Hangzhou gestoßen und konnte sehen, dass schon einige Studenten dort gute Erfahrungen gemacht haben und die Stadt mit dem großen Westsee (Xihu) und der schönen (für China untypischen) grünen Umgebung wunderschön sein soll. Dort gibt es viele Grünflächen, Parks, Wälder und Teeplantagen in der Nähe von Tempeln und Pagoden, wo der beste grüne Tee Chinas, der Drachenbrunnentee, hergestellt wird. Marco Polo sagte einst, Hangzhou sei die schönste Stadt der Welt.
Dann habe ich mich via eMail bei der Zhejiang University beworben. Auf eine positive Antwort musste ich Monate warten. Aber sie kam. Und dann wurde mir das Sir Run Run Shaw Hospital, das 3rd affiliated Hospital der Zhejiang University, empfohlen…
Die Sprache
Ich habe vor der Reise keinen Chinesisch-Kurs belegt und mir stattdessen von meiner Freundin einen privaten Chinesisch-Sprachkurs geben lassen. Ich habe mir das Thieme-Buch "Medical English" gekauft und dazu im Internet über leo.de diverse wichtige Begriffe ins Chinesische übersetzt. Außerdem wurde mir höchstpersönlich vom dortigen Sekretariat das SRRSH Hospital (3rd aff. Hospital der Zhejiang University) ans Herz gelegt, da die Ärzte dort (durch die enge Kooperation mit der amerikanischen Loma Linda University) ein noch besseres Englisch sprechen würden.
Im Krankenhaus selbst haben sich alle bemüht, Visiten und Gespräche ins Englische zu übersetzen. Auf der Straße jedoch spricht kaum einer Englisch und so musste man "mit Händen und Füßen" reden, was einen schon mal an den Rande der Verzweiflung treiben konnte, aber andererseits auch lustig war.
Die chinesische Küche
Das Essen war zwar sehr neu für mich, dennoch hat das chinesische Essen so viele verschiedene Facetten, dass für jeden immer etwas dabei ist. Ich wusste, dass dies mit den "chinesischen Restaurants" in Deutschland fast gar nichts gemeinsam hatte. Es ist teilweise sehr fett- und fleischhaltig, aber auch Vegetarier kommen auf ihre Kosten: es gibt eine unglaublich große Vielfalt an Gemüse, das es in Deutschland gar nicht gibt. Als Beilage gab es im Krankenhaus stets Reis (für 5 Cent; ein Mittagessen kostete immer zwischen 40 und 90 Cent). Nachmittags konnte man sich einen Nudeltopf holen. Außerdem standen auch mal Spezialitäten wie Hirn, Eingeweide oder Hühnerfüße auf dem Tisch - es ist jedoch kein Problem, etwas abzulehnen. Ab und zu haben wir auch mal bei McDonalds (Menü für 2,20 €), KFC oder PizzaHut gegessen.
Auch die Tischmanieren unterscheiden sich: Man isst mit offenem Mund und spuckt Essensreste auf den Tisch. An das Essen mit Stäbchen hat man sich aber schnell gewöhnt.
Klima und Wetter
Während es von August bis Ende September - mit Smog und hoher Luftfeuchtigkeit - teils bis 40°C heiß war, wurde es im November dann auch langsam mal Zeit für eine dickere Jacke. Ende November und der Dezember standen im Zeichen des Regens.
Die Menschen in China
Ich habe einen sehr freundlichen Eindruck von den Chinesen gewonnen. Die Menschen waren immer hilfsbereit! Ich hatte den Eindruck, dass man, wenn man in Hangzhou nicht in der Nähe des Campus wohnt – was bei mir der Fall war- fast zu den einzigen Ausländern dort zählt.
Da es aufgrund des Kommunismus und der Einparteiendiktatur in China keine Mittelschicht gibt, sieht man auf der Straße auch viel Armut. Auf der anderen Seite gibt es viele reiche Geschäftsmänner mit den neuesten Autos der Marken Porsche, Mercedes oder BMW. Vor allem am Anfang, als ich mich noch nicht so gut in der Stadt auskannte und ich oft nach dem Weg fragte, wurde mir auch manchmal der falsche Weg erklärt, denn die Chinesen haben Angst ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie einem nicht wirklich weiterhelfen können. Daher erklären sie lieber irgendeinen Weg, statt zuzugeben, dass sie den gesuchten Ort nicht kennen.
Eine Taxifahrt kostet 1-2 Euro (für 10-20 Minuten Fahrt) oder man nimmt den Bus, der, egal wie weit man fährt, 20 Cent kostet. Da weiß man dann meist auch, dass man am richtigen Ort ankommt.
Das Gesundheitssystem
In China muss jeder nicht-versicherte Patient (und darunter fallen die meisten Menschen) die Therapie selbst bezahlen, was schon mal dazu führt, dass ein Patient "Haus und Hof" verliert, um eine OP oder eine Krebstherapie bezahlen zu können. Sehr arme Menschen konnten sich z. B. keine laparoskopische Cholezystektomie für 1800 € leisten, sondern mussten offen für 500€ operiert werden, was aber mit mehr postoperativen Schmerzen und einer längeren Liegezeit verbunden war.
Man konnte sich merken, dass ein Krankenhaus-Aufenthalt pro Tag auf der vierten Etage (in der Chirurgie) in einem 10-Bettzimmer 5 Euro kostete, in einem 5-Bettzimmer auf der 5. Etage 10 Euro/Tag, in einem 3-Bettzimer auf der 6. Etage 20 Euro bis hin zu den VIP-Patienten im 13. Stock mit Einzelzimmer, großem, Bad, einem viel größeren Zimmer mit schöner Einrichtung und einem großen Plasmafernseher und Einzelpflege durch eine Schwester bis zu 200 Euro/Tag kostete.
Krankenschwestern erledigen die Blutabnahmen und legen Zugänge, die Pflege der Patienten wird dagegen hauptsächlich von den Angehörigen übernommen - so ist die Familie oft rund um die Uhr am Bett des Kranken und schläft nachts auf Stühlen neben dem Bett, kocht für den Patienten Suppen etc.
Die Chirurgie
Im OP arbeiten alle Hand in Hand! Jeder Professor ist gerne bereit einem ausländischen Studenten ausführlich den genauen OP-Ablauf zu erklären. Hier ist der Student nicht nur "Hakenhalter", sondern darf auch selbst operieren. Darüber hinaus lernen die chinesischen Chirurgie-Studenten viel früher als wir in Deutschland praktisch zu agieren. Ich war erstaunt, wie viel OP-Erfahrung viele Studenten schon im Alter von 24 Jahren haben.
In den OPs wird sehr präzise gearbeitet. Zahlreiche Ärzte haben Angst verklagt zu werden, was auch nicht selten passiert, da der Arzt in China keinen so guten Ruf mehr wie vor vielleicht 50 Jahren genießt. Trotzdem wird manchmal trotz Sterilitätsbedingungen aus Zeitgründen vor einer OP ohne 5-minütige Desinfektion nur in 2 Paar sterile Handschuhe geschlüpft, wenn der Arzt zwischen zwei parallel verlaufenden OPs wechselt. Ich habe in diesen vier Monaten aber nur eine postoperative infizierte Wundheilungsstörung gesehen, die natürlich auch ganz andere Gründe gehabt haben kann.
Außerdem wird den Chirurgen während einer Operation mindestens fünfmal das (eigene) Handy ans Ohr gereicht. So etwas wie ein Funk existiert nicht.
TCM
Jedes Krankenhaus muss laut staatlicher Verordnung eine TCM-Station (Traditionelle Chinesische Medizin) besitzen. Nach meinem 2-wöchigen Aufenthalt auf einer TCM-Station habe ich den Eindruck gewonnen, dass vor allem ältere Patienten noch sehr auf die Traditionelle Chinesische Medizin vertrauen. Insgesamt nehmen jedoch viele Patienten beide Arten der Medizin in Anspruch. Zum einen die westliche für eine genaue Diagnosefindung und Therapie und zum anderen die traditionelle entweder bei Therapieversagen der westlichen Medizin oder aber bei alltäglichen Krankheiten wie Erkältung, Schmerzen, Hitzewallungen, Fieber etc.
Die Arztausbildung in China
In der Regel wählen nicht die Abiturienten selbst das Studienfach Medizin, ihre Eltern treffen diese Entscheidung zumeist für sie. Nach dem Bachelor (nach 5 Jahren) ist es abhängig von der Leistung, ob man zum Master (nach 7 Jahren) zugelassen wird. Die Weiterbildung zum Facharzt, die sich auch hauptsächlich an der Nachfrage orientiert, erfolgt mehr oder weniger ohne Kontrollen: es existiert kein FA-Katalog. Dafür gibt es aber eine schwere schriftliche Prüfung, um Oberarzt zu werden.
Der Lernerfolg
In der Viszeralchirurgie bei Prof. Cai Xiujun und OA Dr. Yu lernte ich eine gute Knotentechnik und durfte subcutan-intracutane Nähte, meist in Einzelknopf-, seltener in Donathi-Technik, sowie Muskelnaht und Fasziennaht durchführen. Zwischen den Operationen habe ich entweder auf Station Verbände gewechselt (es wird stets Polyvidoniod und kein Kodan oder Octanisept verwendet), in anderen OPs vorbeigeschaut (Emergency-OP, Neurochirurgie, HNO, Gyn, Urologie, Orthopädie- und Unfallchirurgie) oder oft im Vorbereitungssaal Viggos gelegt, zur Freude und Begeisterung der Schwestern.
Unser Team hat viel laparoskopisch operiert: lap. Cholezystektomien, lap. Hemihepatektomien, lap. Splenektomien, Appendektomien, Hemikolektomien und OPs am Enddarm, Gastrektomien und Whipple-Operationen, Hernienchirugie und Notfalloperationen (intraabdominelle Blutungen etc.).
Es war nie ein Problem wenn man im OP nahe am Operationsfeld stand um zuzuschauen (im Gegensatz zu deutschen Kliniken). Teilweise haben sich die Schaulustigen auch auf die Schultern der assistierenden Studenten oder Assistenzärzte gelehnt. In der Notaufnahme durfte ich Hautverletzungen an Beinen, Armen und am Kopf nähen, die ständig auftraten, und habe an 2 Reanimationen teilgenommen. Natürlich durfte ich auch Verbände wechseln und Fäden ziehen.
Fazit
Der Mut in dieses fremde Land zu reisen, den Kulturschock einzugehen und viele verschiedene Menschen kennen zu lernen, hat sich voll und ganz gelohnt. Wie erwartet, konnte ich viel praktisch arbeiten, lernen und viele Erfahrungen sammeln, die ich in deutschen Krankenhäusern nie gesammelt hätte. Ich bin begeistert von den Menschen und ihrer Kultur! Ich finde, man muss im Leben einfach einmal in China gewesen sein. Hangzhou, die wunderschöne Stadt nahe Shanghai, schafft es, Reise und PJ hervorragend zu verbinden!