Sollten Kunden in der Apotheke demnächst nach Bierhefe fragen, gibt es dafür einen Grund: Im Internet verspricht ein Anbieter, Enzyme aus der Bierhefe würden die weibliche Brust nicht nur straffen, sondern sogar vergrößern. Klinische Beweise zu recherchieren, lohnt sich – nicht.
„Studie: Bierhefe und Brustwachstum – eine bessere Alternative zur Brust-OP?“, schreibt das deutschsprachige Portal „Jetzt Gesund“. Anbieter der Information ist laut Whois-Abfrage ENOM, Inc. mit Sitz in Panama. Sollten Kunden demnächst in der Apotheke nach Bierhefe fragen, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen.
Tatsache ist, dass Bierhefe zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe enthält. Allerdings bringen diverse Foren schon lange starken Bierkonsum mit dem Wachsen männlicher Brüste in Zusammenhang. Jenseits der Kalorienaufnahme sucht man wissenschaftliche Fakten vergebens. Zunächst ein Blick auf Bier generell. Für einen Hektoliter helles Bier mit 11,5 Prozent Stammwürze benötigt man 100 bis 150 Gramm Hopfen. Ein Kilogramm Hopfenzapfen enthalten 25 bis 60 Milligramm des Phytoestrogens 8-Prenylnaringenin (8-PN). Als empfohlene Maximaldosis werden vom eher kritisch eingestellten "Committee on Herbal Medicinal Products" (HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zwei Gramm Hopfenzapfen pro Tag genannt.Relevante Effekte sind nicht zu erwarten.
„Creastin 500“ schlägt eine ganz andere Richtung ein. Das Präparat „schafft es als einzigartiges Brustvergrößerungsmittel auf dem Markt mit einer hochdosierten Form der Hüdalynhefe (etwa 22,7g pro Einheit) die volle Wirkung zu erzielen“, heißt es auf der Website. Es werde „von Forschern und Gynäkologen als schmerzfreie und natürliche Methode zur Brustvergrößerung empfohlen“. Als Beleg nennt der Anbieter nicht näher spezifizierte „klinische Beweise“ inklusive Grafik. „Jetzt Gesund“ geht noch einen Schritt weiter und erwähnt „Östrogen analoge Enzyme“. Eine Recherche in der Literaturdatenbank PubMed, die alle ernstzunehmenden medizinischen Publikationen auflistet, liefert für „creascatine“ oder „creascatin“ keinen einzigen Treffer. Ähnlich sieht es bei „breast lifting yeast“ oder „estrogen analogous enzyme“ aus. Auch Hüdalynhefe („hüdalyn yeast“, „huedalyn yeast“) hat in die wissenschaftliche Literatur wohl keinen Eingang gefunden. Der Verdacht liegt nahe, dass vermeintlich wissenschaftliche Termini Kunden beeindrucken sollen.
In Deutschland sind derartige Versprechungen eigentlich verboten. Das Heilmittelwerbegesetz greift nicht nur bei Arzneimitteln oder Medizinprodukten. Es findet auch Anwendung für „andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht (...)“. Unzulässig ist irreführende Werbung, die fälschlich Erfolge verspricht (Paragraph 3 HWG). Auch „unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben“ sind von Belang. Der Hersteller nennt keine Details zu Studien, und Literaturrecherchen führen auch nicht ans Ziel. Schön und gut, nur werden deutsche Behörden kaum gegen Creastin 500 vorgehen. Die Europaniederlassung von Anivia Swiss als Hersteller ist in Zürich („kein Postempfang“ laut Impressum), die Hauptniederlassung befindet sich im indischen Gandhi Nagar.