Gerötete, schuppende Haut und vielfach starker Juckreiz: Drei Prozent der Deutschen leiden an Psoriasis – oft von Kindesbeinen an. In schweren Fällen kann die Entzündung auf innere Organe übergreifen. Systemische Dauertherapie ist dann unumgänglich.
Patienten mit Psoriasis quälen sich mit den so genannten Plaques, also scharf begrenzten, entzündeten Hautstellen. Besonders häufig sind die Streckseiten der Ellenbogen oder Knie sowie die Kopfhaut betroffen, seltener die Nägel. Auch schädigt die Psoriasis in manchen Fällen Weichteilgewebe, Gelenke, Bänder oder Augen. Die chronischen Entzündungsprozesse können sich weiter ausdehnen und das Herz-Kreislauf-System in Mitleidenschaft ziehen. So hat ein 30-jähriger Patient mit schwerer Psoriasis ein dreifach höheres Herzinfarkt-Risiko. Bei Frauen mit Psoriasis fanden Forscher nach Ausschluss anderer Faktoren eine um 63 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, Diabetes Typ II zu entwickeln, und ein um 17 Prozent erhöhtes Gefährdungspotenzial, an einer arteriellen Hypertonie zu erkranken. Die Zahlen liegen bei Männern mit Sicherheit in einer ähnlichen Größenordnung. Lange Rede – kurzer Sinn: Gerade bei schwerer Psoriasis ist eine Dauertherapie unumgänglich.
Die Krankheit messbar machen
Doch wie schwer ist schwer? Um den Grad einer Psoriasis zu quantifizieren, ziehen Dermatologen den PASI-Score heran. Die Abkürzung steht für „Psoriasis Area and Severity Index“. Wichtige Parameter sind dabei die Ausdehnung des in Mitleidenschaft gezogenen Hautareals, der Grad der Schuppung, die Stärke der Rötung sowie die Dicke der Plaques. Auch der PGA-Wert (Physician´s global Assessment Score) liefert eine Beurteilung des Schweregrades und erlaubt die Einschätzung des Therapieerfolgs.
Keratinozyten außer Rand und Band
Mögliche Angriffspunkte zur Behandlung sind die hornbildenden Zellen. Diese so genannten Keratinozyten bauen den Schutzmantel der Haut gegen äußere Umwelteinflüsse auf. Nach der Zellteilung wandern sie nach außen und durchlaufen dabei einen Differenzierungsprozess, um schließlich die äußere Hornschicht zu bilden. Doch viel hilft eben nicht viel: Bei Psoriasis teilen sich die Keratinozyten etwa acht Mal häufiger als üblich. Dadurch wandern zu viele, nicht vollständig ausgereifte Zellen in die äußersten Hautschichten. Diese können ihre eigentliche Aufgabe nicht erfüllen, es kommt zu Entzündungsreaktionen, die Hauterneuerung wird beschleunigt – und der Teufelskreis schließt sich. Als Grund sehen Experten heute eine Autoimmunerkrankung, die durch genetische Faktoren und Umwelteinflüsse ausgelöst wird. Dabei greift das Immunsystem eigene Zellen mit T-Lymphozyten an. Die Folge sind Entzündungen mit Freisetzung entsprechender Botenstoffe.
Sonne aus der Steckdose
Um die intensive Teilung der Keratinozyten zu verringern, nutzen Fachärzte die schädigende Wirkung von UV-Strahlen auf Zellen, etwa bei der PUVA-Therapie. Das Kürzel steht für Psoralene, ringförmige Naturstoffe, und UV-A, also langwellige UV-Strahlung. Psoralene haben photosensibilisierende Eigenschaften. Zu Beginn der Therapie werden sie in Form von Tabletten eingenommen oder auf die betroffenen Stellen auf die Haut aufgetragen.
Bei der lokalen PUVA-Therapie reichen oft schon wesentlich niedrigere UV-A Bestrahlungszeiten aus. Auch treten keine Nebenwirkungen wie Übelkeit auf, die bei der systemischen Anwendung häufig sind. Die Photosensibilisierung beschränkt sich auf die Psoriasis-geplagten Regionen – der Rest des Körpers muss hingegen nicht vor der Sonne geschützt werden. Weitere Optionen neben der PUVA-Therapie sind die Balneotherapie – das rote Meer zu Hause – oder der Einsatz von Lasern. Schmalspektrum-UVB-Lichtquellen senden lediglich Strahlung im Bereich von etwa 310 bis 311 Nanometern aus, eine relativ gut verträgliche Methode, die kaum zu Sonnenbränden führt.
Entzündungsprozesse eingedämmt
Ein tiefer Griff in die therapeutische Trickkiste hilft, die überschießende Immunreaktion zu unterdrücken. Immunsuppresiva wie Glucocorticoide, Tacrolismus, Pimecrolismus, Rapamycin oder Everolismus kommen hierbei zum Einsatz. Die Kehrseite der Medaille: Alle Präparate schwächen auch die sinnvollen Funktionen der körpereigenen Abwehr. Helfen alle Therapien nichts, stehen den Ärzten hoch spezifische monoklonale Antikörper zur Verfügung: Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Golimumab und Ustekinumab. Sie blockieren die zentralen Drehscheiben der Entzündungsvorgänge, nämlich den Tumornekrosefaktor (TNF) alpha sowie verschiedene Interleukine. Diese Eiweiße locken ansonsten über die Blutgefäße spezielle Zellen an, die neutrophilen Granulozyten. Und diese wandern direkt in das umgebende Gewebe ein – normalerweise ein guter und wichtiger Prozess, um Bakterien den Garaus zu machen. Aber bei Autoimmunerkrankungen kommt es zu falschem Alarm, und körpereigene Zellen werden geschädigt.
Skandalvitamin B 12
Dass ein Arzneimittel bei Laien für Wirbel sorgt, kommt nicht häufig vor. Genau das passierte aber im Oktober 2009: Damals schlug eine ARD-Sendung mit dem Titel „Heilung unerwünscht – wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern“ hohe mediale Wellen. Die Einführung einer Vitamin B12-Creme werde durch die Pharmalobby verhindert, so der Grundtenor des Beitrags. Der mittlerweile von allen Pflichten entbundene Autor hatte bei vielen Psoriasis-Patienten die Hoffnung geweckt, eine hoch dosierte Vitamin B12-Creme könne Linderung und Heilung verschaffen. Auch die zeitliche Platzierung des TV-Beitrags kurz vor der Markteinführung der Salbe warf Fragen nach der Neutralität der Berichterstattung auf. Das Präparat selbst, ursprünglich ein Medizinprodukt, wird mittlerweile vom Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Arzneimittel eingestuft.
Neues aus der Pipeline
Doch es gibt auch viel versprechende Innovationen: Bei entzündlichen Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis scheint das Konzentrationsgefälle von Kalzium-Ionen in den äußeren Hautschichten gestört zu sein. Keratinozyten differenzieren deshalb zu langsam aus. Eine Forschergruppe um Prof. Dr. Walter E. Müller, Goethe-Universität in Frankfurt am Main, konnte zeigen, dass ein Inhaltsstoff des Johanniskrauts ausgleichend auf die entzündeten Zellen wirkt. Doch normalisiert Hyperforin wirklich den Kalzium-Stoffwechsel? „Diese Frage konnten wir nach Experimenten an Keratinozyten von Psoriasis-Patienten positiv beantworten“, so die Autoren. „Die Inkubation dieser Zellen mit Hyperforin führte zu einer deutlichen Verbesserung dieses Störungsmusters“.
Andere Wege beschreitet ein Team von Münchner Forschern. Zusammen mit amerikanischen Kollegen entdeckten sie eine neue Spezies von Immunzellen. Diese Vertreter, TH22 genannt, beschleunigen die Wundheilung und machen die Barriere der Haut undurchlässiger. Jetzt gilt es zu untersuchen, wie TH22 aktiviert werden kann.