Am Microblogging-Dienst Twitter kommt heute kein Marketeer mehr vorbei. Während die Markenartikler schon auf allen Kanälen zwitschern, hält sich Pharma noch weitgehend zurück. Ist es für Arzneimittelhersteller heute schon sinnvoll, Twitter für die Kommunikation mit Patienten nutzen? Ein Experiment.
Bereits im März 2006 wurde Twitter der Welt vorgestellt. Technisch betrachtet ist Twitter ein Microblogging-System für Kurznachrichten von maximal 140 Zeichen. Inhaltlich sind den Twitterern keine Grenzen gesetzt: Gedanken zu Aspekten des eigenen Lebens, Kommentare zum lokalen oder weltpolitischen Geschehen, Diskussionen zu Ereignissen der (Pop-)Kultur, Tipps und vieles mehr wird öffentlich verbreitet. Die hohe Interaktion macht Twitter dabei zum sozialen Netzwerk.
Wie bei vielen neuen Medien hat das Marketing auch Twitter schnell für sich entdeckt. Beispiel, für besonders clevere Nutzung, ist z.B. Dell (@Delloutlet). Die Computerhersteller bewerben alte, aufgearbeitete Rechner und Restposten und gewinnen dreifach durch Twitter: hohe Umsätze für Reste, Sparen der Entsorgungskosten, Kundenkontaktpflege mit über 1,5 Millionen Followern. Aber auch deutsche Unternehmen holen auf, bei der Telekom etwa hilft das Twitter-Team (@Telekom_hilft) durch Tweets und Retweets etwa 200.000 Menschen pro Tag charmant bei kleinen Ärgernissen und Fragen weiter.
Wo aber steht die Pharmabranche? Wie üblich sind Restriktionen durch das HWG, unternehmensinterne Prozesse und in diesem Fall der sehr direkte Kontakt mit Patienten eine Barriere. Ein erster Einstieg könnte zunächst der Unternehmenstweet sein, mit Informationen rund um Jobs, Neuigkeiten, Sponsoring und Forschung, wie beispielsweise bei @Boehringer oder @sanofiaventisde.
Das Twitter-Experiment
Produktkommunikation hingegen scheint vielen ein zu heißes Eisen zu sein. Dabei wäre eine HWG-konforme Möglichkeit, mit den Patienten über die Indikation in Verbindung zu treten, ähnlich dem Prinzip einer produktneutralen Website. Wir haben genau das ausgetestet: Seit Ende April 2010 twittern (@Schmerz_Tweet) und posten wir auf Facebook (Schmerz-Tipps Online) News, Tipps und Erkenntnisse zum Thema Schmerz. Ohne großen täglichen Aufwand oder aktive Akquise haben wir nach wenigen Wochen über 70 Follower allein auf Twitter. Das klingt erst mal wenig, ist aber ein gutes Ergebnis. Denn unser Twitter-Account gehört nicht zu einer anderen, bereits bekannten Kommunikationsmaßnahme, einem Produkt oder Unternehmen. Wir haben einfach angefangen und Follower dadurch gewonnen, dass wir kontinuierlich posten.
Was haben wir dabei gelernt?
1.) Relevanz ist das Entscheidende. Was relevant ist, zeigen zum einen Follower-Analysen: welche anderen Tweets verfolgen sie und was wird retweeted? Zum anderen bieten Link-Shortener wie z.B. http://bit.ly den Service, dass akkreditierte Nutzer die Clickraten ihrer Links einsehen können – und so erfahren was besonders beliebt ist. 2.) Integrierte Kommunikation zieht besser. Im Vergleich zu anderen Social Media Projekten war die Gewinnung von Fans und Followern schwieriger. Wenn z.B. ein Event, Gewinnspiel oder eine Website mit der Facebook-Seite und dem Twitter-Account verknüpft sind, steigt der Traffic für alle Maßnahmen.
Warum lohnt sich der Einsatz von Twitter? Das Internet hat sich in den letzten Jahren zur wichtigsten Informationsquelle und Anlaufstelle für Patienten entwickelt. Gleichgesinnte und Leidensgenossen, mit denen sich Informationen und Erfahrungen austauschen lassen, sind nur ein paar Klicks entfernt. Zuverlässige Informationen könnten gerade die Pharma-Unternehmen bieten, vorausgesetzt sie sind bereit für den direkten interaktiven Austausch und sehen von werblichen Aussagen ab. Auch die Integration von Twitter und Facebook in die Google-Suchergebnisse verleihen den Social Media Plattformen weitere Bedeutung. Die Nutzung von Twitter ist sicherlich nicht für jede Zielgruppe oder jedes Produkt empfehlenswert, dennoch sollte der Dienst als Option für zukünftige Strategien einen Platz zwischen den bewährten Kommunikationskanälen finden.