Spät erkannte kolorektale Karzinome galten als wenig behandelbar, jetzt melden Mediziner Fortschritte und sprechen von "Revolution". Ob Antikörper gegen Rezeptormoleküle oder Angiogenese - die Wirkstoffwahl verlängert das Patientenleben signifikant.
Sehr direkt wagen die Mediziner Gudrun Riesch und Josef Thaler vom Klinikum Wels – Grieskirchen im Fachblatt "Wiener Klinisches Magazin" eine klare Aussage: „In keinem anderen Gebiet sind in den vergangenen Jahren ähnlich entscheidende Fortschritte in der chemotherapeutischen Therapie erzielt worden wie beim kolorektalen Karzinom“. Und tatsächlich: Schon die Liste der heute eingesetzten Wirkstoffe zeigt, dass die Zeiten von 5-Fluoruracil als alleinigem Zytostatikum vorbei sind. Ob Oxaliplatin, Irinotecan oder Capecitabine, das Who is Who der potenten Krebsbekämpfer liest sich auf den ersten Blick mehr als vielversprechend. Hinzu kommen verschiedene monoklonale Antikörper, die Onkologen ebenfalls zur Verfügung stehen.
Um die Mittel jedoch korrekt einzusetzen, müssen Ärzte in die Tiefen der Biochemie vorstoßen, wie Risch und Thaler in ihrer Arbeit demonstrieren. So stehen derzeit drei monoklonale Antikörper für die Therapie von metastasierten kolorektalen Karzinomen: Cetuximab, Panitunumab und Bevacizumab. Die Angriffsziele der Wirkstoffe freilich fallen unterschiedlich aus. Während die ersten beiden Substanzen in die EGFR-Signalübertragung eingreifen und Tumorzellen auf diese Weise von der Überexpression des EGF-Rezeptors abhalten, blockiert Bevacizumab über Bindung an den Wachstumsfaktor VEGF die Angiogenese des Tumors. Warum Ärzte viel biochemisches Fingerspitzengefühl benötigen, wird beim Blick ins Detail offensichtlich.
„Eine gegen den EGFR-Signaltyp gerichtete Therapie des kolorektalen Karzinoms ist jedoch nur bei Patienten Erfolg versprechend, deren Tumor den Wildtyp des KRAS-Gens aufweist“, schreiben die Autoren. Genau das trifft aber bei lediglich 60 Prozent aller Fälle zu – wer die Finesse nicht kennt, verschießt die monoklonalen Antikörper umsonst. Denn bei 40 Prozent aller Menschen mit kolorektalem Karzinom führt das mutierte KRAS-Gen zu einer Daueraktivierung des entsprechenden Ras-Signalproteins und „der Tumor spricht nicht auf die Behandlung an“, wie Riesch und Thaler betonen.
Selbst dann, wenn die Antikörper wirken, sind bei Unkenntnis Schwierigkeiten programmiert. Das seit langer Zeit etablierte Cetuximab beispielsweise kann heftige allergische Reaktionen auslösen – hier empfehlen die Mediziner ein Ausweichen auf Panitumumab.
Therapiemanagement entscheidet über den Erfolg
Als besonders potent ist wiederum die Therapie mit Bevacizumab, das den Tumor von der Blutversorgung abschneidet – wenn man eine weitere Feinheit beachtet. Allein vermag die Substanz die Angiogenese nämlich kaum zu stoppen. In Kombination mit anderen Chemotherapien steigere Bevacizumab jedoch deren Effektivität, meinen die Autoren des Fachartikels, und: „Dieser Antikörper wird daher routinemäßig in der Erstlinien – oder Zweitlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms eingesetzt“. Wissen müssen Onkologen dabei auch, dass der Antikörper erst vier bis sechs Wochen nach der Operation des Patienten erfolgen sollte – sonst drohen schwere Wundheilungsstörungen mit unliebsamen Folgen.
Die Wahl des probaten Mittels erweist sich gerade bei Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium als entscheidend. So führe im Stadium UICC II die Verabreichung einer 5-FU-haltigen Chemotherapie zu einem „marginalen Überlebensvorteil von ein bis fünf Prozent“, wie Thaler und Riesch aufzeigen. Eine adjuvante Chemotherapie im Stadium UICC III hingegen könne die Rezidivrate um bis zu 40 Prozent senken und das 5-Jahresüberleben um rund ein Drittel steigern. Als Standard zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III empfehlen die Mediziner die Kombinationstherpie nach dem sogenannten FOLFOX-4 Schema. Auch FOLFOX VI, bei der 5-Fluoruracil, Leucovorin und Oxaliplatin kombiniert werden, führte zu einer Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens „während der einjährigen Behandlung mit Bevacizumab“.
Es gibt demnach viel Licht im Kampf gegen den kolorektalen Tumor, aber auch viel Schatten. Denn das richtige Therapiemanagement entscheidet über die Lebensqualität und Überlebensdauer der behandelten Patienten. Eine Alternative zur genauen Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Wirkstoff und Biochemie des Patienten gibt es nicht, wie Riesch und Thaler konstatieren: „Ohne spezifische Therapie beträgt das mediane Überleben im metastasierten Stadium etwa sechs Monate“.