"Nach Anamnese und körperlicher Untersuchung lassen sich mind. 80% aller Diagnosen stellen", heißt es. Doch der Weg zum guten Untersucher ist lang und steinig. Um nicht komplett ins kalte Wasser geworfen zu werden, bietet der internistische Untersuchungskurs eine Einführung.
Kommt ein Mann zum Arzt und sagt zum Doktor... nein, dies ist nicht der Beginn eines schlechten Ärzte-Witzes, sondern die Grundlage auf der jeder Arzt arbeitet. Denn bevor teure Geräte genutzt und komplizierte Prozeduren geplant und durchgeführt werden, kommt zunächst das Gespräch zwischen Arzt und Patient. Doch gerade als "Newcomer" im klinischen Bereich merkt man, dass dieser Part vielleicht doch schwieriger und wichtiger ist, als zuvor angenommen. Auch die nachfolgende körperliche Untersuchung lernt man nicht nur aus Büchern, sondern am besten am Patienten selbst. Damit man in der ersten Famulatur nicht wie der Prophet vorm Berg steht, steht auf dem Stundenplan der ersten klinischen Semester häufig der internistische Untersuchungskurs („Klopfkurs“) an. Worum es dabei genau geht, wird im nachfolgenden beleuchtet.
Der Untersuchungskurs setzt sich aus mindestens zwei Teilen zusammen:
Theoretischer Unterricht / Vorlesung
In der Vorlesung wird die Abfolge eines Anamnese-Gespräches und der körperlichen Untersuchung geschildert. Wer einen roten Faden für den Ablauf im Kopf hat, kann deutlich einfacher ein solches Gespräch führen und lenken. Denn Patienten sind nicht unbedingt dafür bekannt, alles chronologisch und in gewünschter Reihenfolge zu erzählen…
Auch zur körperlichen Untersuchung gehört eine gewisse Theorie. Gewisse Verdachtsdiagnosen lassen sich schon nach wenigen Blicken und Berührungen stellen, so dass z.B. zyanotische Veränderungen an den Lippen auf eine Oxygenierungsstörung hinweisen. Ein anderes Beispiel wäre der Exophthalmus bei Morbus Basedow.
Praktischer Teil
Hier geht es nun darum, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Gerade zu Beginn der klinischen Karriere ist es hilfreich, ein Schema der Untersuchung und des Gesprächablaufs in der Tasche zu haben. (Die DocCheck TV Videos "How to make it" liefern hierzu hilfreiche Tipps) So prägt sich der Ablauf ein und die Chance, etwas zu vergessen, sinkt mit zunehmender Routine. Man sollte jede Chance wahrnehmen, diese Techniken zu üben, dann fällt es z.B. bei der körperlichen Untersuchung später deutlich einfacher, pathologische von normalen Befunden zu unterscheiden. Gerade bei schwierigen Techniken wie der Lungen-Perkussion hat es sich bewährt, Partner oder Freunde zu beklopfen, um einen Normalbefund im Ohr zu haben. Auch trainiert man das Gespräch mit Patienten, um möglichst gezielt an die notwendigen Informationen zu gelangen, da man im späteren klinischen Alltag nur selten Zeit für eine ausgiebige Anamnese hat.
Ablauf
Während der theoretische Teil meist semesterbegleitend auf dem Stundenplan abläuft, wird der praktische Teil oftmals als Blockpraktikum gegen Ende des Semesters zusammengefasst. Dabei ist diese Woche für viele das Highlight des Kurses, steht man doch zum ersten Mal als "Arzt" dem Patienten gegenüber. Teilweise findet der Kurs auch in externen Kliniken statt, so dass man Patienten vor sich hat, die es nicht gewöhnt sind, Teil der medizinischen Lehre zu sein und dementsprechend interessiert sind. Dass die Kliniken oft quer über die Bundesrepublik verteilt sind und man somit auch die Möglichkeit hat, mal kostengünstig etwas vom eigenen Land zu sehen, soll hier nicht ganz unerwähnt bleiben. So findet etwa der Untersuchungskurs der Uni Gießen in Kleingruppen in über 25 externen Kliniken statt, an denen jeweils Professoren arbeiten, die eine Lehrverpflichtung durch ihre Habilitation erhalten haben. Der Student sollte ein Stethoskop, Untersuchungsleuchte und ggf. einen Reflexhammer immer parat haben, wenn es zum Patienten geht.
Natürlich variiert die Ausgestaltung des Praktikums von Uni zu Uni, so dass mancherorts der Kurs auch semesterbegleitend im angeschlossenen Uni-Klinikum stattfindet. Ebenso unterschiedlich ist die Leistungsüberprüfung, die z.T. schriftlich oder mündlich durchgeführt wird.
Fazit
Anamnese und Untersuchung spielen in jedem Fachbereich eine Rolle. Schließlich kann der Arzt nur das wissen, was ihm die Patienten sagen, oder was er erfragt. Je nach Fach wird diesem Prozedere eine größere oder kleinere Rolle eingeräumt, das Grundprinzip bleibt jedoch gleich. Die Fähigkeiten, die man beim Üben dieser Techniken trainiert, sind allerdings essenziell für den Arztberuf: Zuhören und eine Basis finden, auf der man mit dem Patienten reden kann, ist mehr wert als man anfangs glauben möchte. Nicht umsonst gilt der Leitsatz: "Über 80% aller Diagnosen lassen sich nach Anamnese und körperlicher Untersuchung stellen." Natürlich wird kein Student zum Profi in diesem Praktikum, doch Übung macht bekanntlich den Meister. Wenn man die ersten Erfolgserlebnisse in Form korrekter Verdachtsdiagnosen und Untersuchungen bekommt, merkt man, dass sich die Mühe des Abklopfens und -hörens gelohnt hat.