Keine will sie, fast jede hat sie: Cellulite ist weniger ein gesundheitliches als ein kosmetisches Problem. Jetzt gibt es einen Gentest für Frauen, die einen Blick in ihre optische Zukunft wagen wollen. Was ist dran am Test und an den vielen Therapien?
Während sie früher allein aufgrund der Kleidungskonventionen kaum ein Mensch zu Gesicht bekam, sind sie heute für jedermann offensichtlich: Die Löcher und Dellen in Po und Oberschenkel. Was Schätzungen zufolge über 90 Prozent der Frauen betrifft und für die meisten ein echter Makel ist, war einst völlig normal – Cellulite ist keine Krankheit, aber ein kosmetisches Problem. Unübersichtlich und verführerisch scheint der expandierende Markt an Produkten zu sein, der Wunder gegen Beulen und Grübchen verspricht.
Die Weiblichkeit ist schuld
Da fast nur Frauen Cellulite entwickeln, liegt die Ursache scheinbar auf der Hand, nämlich die Anatomie des weiblichen Binde- und Fettgewebes, die Hormone und die Genetik. Das Bindegewebe ist zarter und weniger fest verflochten als das von Männern, die Grenze zwischen Haut und Subkutis ist schwach und mitverantwortlich, dass sich größere Fettgewebszellen an der Hautoberfläche abzeichnen. Auch das Fettgewebe ist bei Frauen und Männern anders aufgebaut. Waren Mutter und Oma bereits geplagt, ist das meist kein gutes Vorzeichen.
In Wahrheit ist über die Pathophysiologie jedoch wenig bekannt, weiß Tatjana Pavicic, Ärztin an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ähnliches gilt für die Therapie. Kontrollierte Studien sind rar, so das Ergebnis einer Bestandsaufnahme von Pavicic und Kollegen. Als evidenzbasiert sind demnach Therapien mit liposomal verkapseltem Koffein und Retinol zu beurteilen.
Liposomal verkapseltes Koffein in der Konzentration 2% kann die Haut durchdringen, das Fettgewebe zum Schmelzen bringen und entwässern. Retinol fördert die Bildung von Kollagen und festigt damit das Bindegewebe. Alles andere an äußerlicher Anwendung ist nicht erwiesen wirksam oder aber bringt nichts, außer möglicherweise Nebenwirkungen und eine Schmälerung des Geldbeutels. Zusatzstoffe wie halogenorganische Verbindungen, Emulgatoren und Duftstoffe ändern nichts an der Cellulite, bergen aber gesundheitliche Risiken wie Kontaktallergien, so der Testbericht von Ökotest im Frühjahr 2010, der 16 Produkte unter die Lupe nahm.
Sport, Gewichtsabnahme, Liposuktion oder Laser?
Viele Frauen glauben, ihr Gewicht sei schuld an der Unebenheit von Po und Schenkeln. Wenn auch Sport und Normalgewicht auf jeden Fall gesundheitsfördernd sind, hinsichtlich einer bereits bestehenden Cellulite wirkt beides enttäuschend wenig.
Die Liposuktion ist eine Möglichkeit, die umstritten ist. Das oberflächliche Absaugen von Fett ist nicht sinnvoll. Das Entfernen tieferer Fettschichten verspricht da mehr Erfolg. Doch ist die Liposuktion mit hohen Risiken behaftet. Werden nur oberflächliche Fettzellen weggesaugt, droht zudem eine Verschlimmerung der Lage. Eine weitere Option: Den Dellen mit dem Laser zu Leibe zu rücken. Das kann das Erscheinungsbild bessern, doch muss die Behandlung häufig und regelmäßig wiederholt werden, damit der Erfolg anhält.
Vor der Cellulite Gentest?
In jedem Fall strapaziert fast jede Art der Behandlung, die alle keine Beseitigung der Cellulite garantieren können, den Geldbeutel, manchmal auch die Gesundheit. Besser wäre es also, wenn die Hügellandschaft erst gar nicht entsteht. Sport, Massagen und eine gesunde Ernährung festigen das Bindegewebe und können im Vorfeld wirksam sein, damit sich die Cellulite nicht verschlimmert.
Präventiv will jetzt auch ein neuer Test ansetzen, der das genetische Risiko für moderate bis schwere Cellulite bestimmen soll. Demnach hängt das Risiko vom Angiotensin Converting Enzym (ACE) mit Sitz auf Chromosom 17 ab. Eine Genvariante reguliert die ACE-Aktivität und Angiotensin II-Produktion. Ein einfacher Abstrich aus dem Mund deckt auf, wer die Variante hat und wer nicht. Bei positivem Testergebnis soll die Wahrscheinlichkeit für eine moderate bis schwere Cellulite, 70 Prozent betragen. Nach Angaben des Herstellers haben Frauen ohne die Genvariante etwas mehr Glück: Sie haben eine 50-prozentige Chance, keine moderate oder schwere Cellulite zu entwickeln.
Die findige Herstellerfirma Derma Genoma gibt den Test an Ärzte ab, pro Stück kostet der stolze 249 Dollar. Am Arzt liegt es dann, ein Anti-Cellulite-Programm für Patientinnen zu entwickeln, deren genetisches Schicksal ja nun erwiesenermaßen mit hoher Wahrscheinlichkeit Cellulite ist. Sinn und Unsinn des Tests bleibt zu diskutieren.