Navigationssysteme gibt es wie Sand am mehr. Doch für die Bevölkerungsgruppe, die ein Navi am nötigsten hätte, sind sie nutzlos: Menschen mit hochgradiger Sehbehinderung. Eine Arbeitsgruppe hat jetzt mit "easee" eine Navi-Lösung für Blinde entwickelt.
Die nette Navi-Ansage "Demnächst links gehen" bringt blinden Menschen wenig. Sie orientieren sich nämlich anhand erlernter Wegbeschreibungen, die man auch als "kognitive Laufzettel" bezeichnet. Beim Abgehen einer Strecke merken sie sich markante Punkte wie Briefkästen, Verkehrszeichen, Ampeln oder Bodenbeschaffenheiten. Diese Laufzettel erstellen sich die Betroffenen selbst oder sie erlernen sie mit Hilfe eines Mobilitätstrainers. Durch die Funktionsweise unseres Gedächtnisses ist das Kontingent an Laufzetteln, das sich ein Blinder merken kann, allerdings begrenzt - was die Mobilität im Alltag stark einschränkt. Außerdem bleiben sie bei unbekannten Wegen weiter auf die Hilfe Dritter angewiesen.
Die von der Darmstädter Arbeitsgruppe um Frank Rickert entwickelte Lösung "easee" setzt an diesem Problem an und macht kognitive Laufzettel digital verfügbar. Eine Software auf dem Smartphone erstellt auf der Basis vorhandenen Kartenmaterials eine Routenführung, allerdings mit spezifischen blindengerechten Informationen. Sie werden dem Anwender während des Gehens über das angeschlossene Bluetooth-Headset zugeraunt.
Add-on für den Blindenstock
easee will den herkömmlichen Blindenstock nicht ersetzen, sondern ergänzen. Am Stock ist ein Eingabegerät angebracht, das die wichtigsten Bedienfunktionen der Software abbildet, z.B. "Nächsten Navigationspunkt vorsprechen". Dadurch muss das Mobiltelefon nicht in der Hand gehalten werden. Neben den eigentlichen Weganweisungen beinhalten die digitalen Laufzettel auch haptische, olfaktorische und akustische Umgebungsinformationen, die dem Blinden einer präziseren Eindruck der Strecke vermitteln.
Die Standortbestimmung erfolgt wie beim klassischen Navi über eine GPS-Ortung. Im Gegensatz zu anderen System funktioniert easee aber auch ohne GPS-Signal, da der Laufzettel am Blindenstock manuell weiter geschaltet werden kann. Dadurch kann sich der Anwender auch bei einem GPS-Signalverlust weiter orientieren.
Laufzettel zum Download
Die Aktualisierung des notwendigen Kartenmaterials erfolgt über eine ebenfalls blindengerechte PC-Software, welche die Daten mit dem Smartphone synchronisiert. Ein kleiner Hinkefuß: Diese Daten liegen bislang nur für wenige Strecken vor, da sie erst von Blinden oder Mobilitätstrainern erfasst werden müssen. In Zukunft ist jedoch daran gedacht, die Datenerfassung zu "crowdsourcen" und den Input aller Anwender wie beim Open Street Map Projekt zu sammeln. Durch seinen innovativen und anwendergerechten Ansatz ist easee ein interessantes Projekt. Die Weiterentwicklung des Systems wurde jedoch leider vorübergehend eingestellt, da sich keine Investoren fanden. Es wäre schön, wenn sich das ändert.