Bei der kardiopulmonalen Reanimation ist Rhythmus nicht alles. Eine tiefe Kompression des Thorax ist nötig, damit die Massage das Herz erreicht. Gadgets vereinfachen den Alltag als Lebensretter. Und eine etwas zweifelhafte iPhone-Version gibt es auch schon.
Die kardiopulmonale Reanimation (CPR) gehört zu den medizinischen Maßnahmen, die sich eher schlecht am Ernstfall trainieren lassen. Theoretisch haben die meisten Ärzte und auch eine ganze Menge Laien die wenigen Schritte im Kopf, die für die Ersthilfe beim Herzstillstand empfohlen werden. Wenn es dann allerdings Ernst wird, ist das Resultat oft nicht optimal. Die Nerven flattern, und nicht selten fehlt mangels Training das Gefühl für das rechte Maß, vor allem bei der Thoraxkompression.
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Weil das so ist, werden Trainingskurse mit Phantompuppen angeboten, bei denen die Realitätsnähe vom Preis der Phantompuppe und damit meist auch vom Preis des Kurses abhängt. In Zeiten der mobilen Endgeräte hat sich außerdem ein Trend entwickelt, der zumindest in Nordamerika schon die Zulassungsbehörden beschäftigt: Es gibt immer mehr mobile Lösungen, die vorgeben, den Ersthelfer in spe, sei er ärztlich oder nicht, bei einer eventuellen Reanimationssituation zu unterstützen. Bei den weniger spektakulären Vertretern dieser Gattung handelt es sich um Softwarelösungen für Handys, die mehr oder weniger gut die Empfehlungen der American Heart Association (AHA) zur kardiopulmonalen Laienreanimation nachbilden. Vorstellen kann man sich das wie eine Art Mini-Slideshow, die man in Notfallsituationen neben sich legen kann um dann entsprechend der Softwarevorgaben schrittweise vorgehen zu können. Die besseren Lösungen liefern eine akustische Handlungsanleitung: Sie „sagen“ dem Lebensretter, was er wann zu tun hat. Als weiteres Multimediaelement gibt es meist noch eine Art Metronom, das bei der Herzdruckmassage den „100 pro Minute-Takt“ vorgibt. Ein Beispiel für so ein recht ausgefeiltes System ist das handtellergroße Gerät PocketCPR. Es wird von dem US-Unternehmen Zoll Medical vertrieben, das unter anderem Defibrillatoren herstellt. Als ein frei erhältliches Werkzeug für medizinische Notfälle wurde es sogar von der US-Zulassungsbehörde FDA zugelassen.
Drücken bis der Sensor quietscht
Eine falsche Kompressionsfrequenz ist einer der häufigeren Fehler, die unerfahrene Lebensretter bei der CPR machen. Vor allem dann, wenn die Kraft nachlässt, fällt die Kompressionsfrequenz oft ab. Die richtige Frequenz ist aber nicht alles. Ganz entscheidend ist auch die Tiefe der Kompression: Der Lebensretter muss schon ein wenig Druck ausüben, um jene 30 Prozent des normalen Blutvolumens durch den Körper zu pumpen, die mit einer sachgerecht durchgeführten CPR wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge erreichbar sind.
Doch wie kann sichergestellt werden, dass der Ersthelfer auch wirklich energisch genug drückt? Zoll Medical hat darauf eine Antwort gefunden: Das Unternehmen stattet sein PocketCPR-System mit einem Beschleunigungssensor aus, der von dem IT-Unternehmen Analog Devices entwickelt wurde. Wenn das Gerät während der Reanimation auf den Brustkorb gelegt und „mit reanimiert“ wird, errechnet der Sensor aus Beschleunigung und Kompressionsfrequenz mit Hilfe eines Algorithmus die Tiefe der Kompression. Eine ähnliche Technik kommt bei einigen ausgewachsenen Defibrillatoren desselben Herstellers zum Einsatz. Jetzt gibt es also auch die miniaturisierte und elektrodenfreie Version. Nach Angaben des Unternehmens ist das System geeicht auf Menschen ab acht Jahren. Es kann die von der AHA empfohlene Kompressionstiefe von 1,5 bis 2 Zoll (3,8 bis 5,1cm) sicher registrieren. Mark Totman, Präsident der für das PocketCPR-System zuständigen Zoll Medical-Tochter Bio-Detek, ist davon überzeugt, dass sich die Qualität der Reanimationen durch den digitalen Begleiter verbessern lässt: „Viele Menschen wollen nicht reanimieren, weil sie das Gefühl haben, nicht trainiert genug zu sein. Unser Gerät kann ihnen das nötige Selbstvertrauen geben, um im Notfall handeln zu können.“
Die iPhone-Version bekommt schlechte Noten
Das PocketCPR-System mit der ausgefeilten Beschleunigungssensorik - hier ein nicht undramatisches Produktvideo – ist für 129 US-Dollar zu haben. Besitzer eines iPhones können sich dieses Geld sparen, denn Zoll Medical bietet für 2,99 Euro auch bei uns eine iPhone-Applikation an, die im Notfall CPR-Hilfe leisten kann. Die App, die schon seit 2009 erhältlich ist, nutzt den ins iPhone integrierten Beschleunigungssensor, um die Kompressionstiefe abzuschätzen. Nun lässt sich das iPhone im Ernstfall nicht so ohne Weiteres auf dem Brustkorb platzieren und kraftvoll komprimieren. Dafür ist es zu groß und zu platt und besteht aus zu viel Glas.
Es wird stattdessen am Handgelenk befestigt. Eine FDA-Zulassung gibt es dafür nicht. Mehr ein Gag als eine echte Hilfe also? Die Nutzer zumindest sind eher kritisch: Bei 28 Bewertungen erhält die App in Apples AppStore mäßige zweieinhalb von fünf Sternen. Der Fairness halber muss man allerdings sagen, dass die iPhone-Version von PocketCPR nicht als Rea-Hilfe im Ernstfall, sondern als Werkzeug für das Rea-Training beworben wird. An die Kissen, fertig, los!