Bluthochdruckpatienten nehmen häufig lebenslang Medikamente gegen die Symptome. Einige Betroffene könnten sich das allerdings sparen. Eine Studie zeigt, dass die Krankheit in sechs Prozent der Fälle auf einer Hormonstörung beruht, die sich mit einer OP beheben lässt.
Arterielle Hypertonie betrifft in Deutschland über ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Zu den Ursachen der Erkrankung, die mit einem hohen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall einhergeht, kann eine behandelbare Hormonstörung zählen. Ein Zuviel des Blutdruckhormons Aldosteron könnte bei sechs Prozent der Erkrankten der Auslöser sein, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) anlässlich einer aktuell erschienenen Studie.
Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit, von der laut Robert Koch-Institut jeder dritte Erwachsene im Alter zwischen 18 und 79 Jahren betroffen ist. Die Hypertonie schädigt im Laufe der Jahre die Gefäße mit der Folge, dass Hochdruckpatienten häufiger einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleiden. Die Ursachen der Hypertonie sind noch nicht vollständig erforscht, aber der Lebensstil, also zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung, Übergewicht und Stress, spielt eine wichtige Rolle. „Hinter einem erhöhten Blutdruck steht häufig aber auch eine behandelbare Hormonstörung. Bei sechs Prozent der Hypertoniker findet sich eine Mehrsekretion des Blutdruckhormons Aldosteron“, sagt Professor Dr. Martin Reincke, Präsident der DGE. Er verweist auf eine Studie aus Italien, die ein neues Licht auf die Häufigkeit des hormonell bedingten Bluthochdrucks wirft. „In so einem Fall kann eine Operation den Blutdruck dauerhaft heilen“, so Reincke, der auch Direktor der Medizinischen Klinik am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München ist. Die krankhafte Mehrbildung des Blutdruckhormons Aldosteron wird als Hyperaldosteronismus oder Conn-Syndrom bezeichnet. Gebildet wird Aldosteron in den Nebennieren. Das Hormon regelt den Kochsalz- und Flüssigkeitsgehalt des Körpers. Bei einem Aldosteronüberschuss kommt es infolge einer vermehrten Natrium- und damit Wasserrückresorption in der Niere schließlich zu einem Anstieg des Blutdrucks. Die Verdachtsdiagnose eines Hyperaldosteronismus lässt sich über den sogenannten Aldosteron-Renin-Quotient (ARQ) bestimmen: Er ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Aldosteronspiegel und einen supprimierten Reninspiegel.
Ein Forscherteam aus Turin wertete die Daten der prospektiven PATO-Studie (Primary Aldosteronism in Torino) aus, an der neun Hausarztpraxen teilnahmen. 1.672 Patienten mit Bluthochdruck (569 mit neu manifestiertem, 1103 mit bekanntem Hypertonus) wurden zwischen 2009 und 2014 auf das Vorliegen von Hyperaldosteronismus leitliniengerecht untersucht. Bei auffälligem Hormonstatus erfolgte eine weitere Diagnostik in Form von Bestätigungstests, Bildgebung und Nebennierenvenenkatheterisierung. 99 Patienten (5,9 Prozent) hatten am Ende ein gesichertes Conn-Syndrom, davon 27 mit Aldosteron-produzierendem Adenom und 64 mit beidseitiger Hyperplasie der Nebennieren. Reincke erwähnt ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie: „Die Conn-Wahrscheinlichkeit stieg mit zunehmendem Hypertoniegrad an.“ So wurde bei 11,8 Prozent der Patienten mit Grad 3, also der schwersten Form des Bluthochdrucks (Blutdruck ≥180/110 mm Hg), ein Conn-Syndrom festgestellt, bei Hypertonie Grad 1 (≥140/90 mm Hg) waren es 3,9 Prozent und 9,7 Prozent bei Grad 2 (≥160/100 mm Hg).
Die Bedeutung der Turiner Studie liegt für den DGE-Präsidenten vor allem darin, dass die Ergebnisse die Zahlen aus Spezialambulanzen in einem nicht vorselektionierten Krankengut aus der Allgemeinpraxis bestätigen. „Bei sechs Prozent der an Bluthochdruck Erkrankten kann man von einer Hormonursache ausgehen und diese ist behandelbar oder auch heilbar“, so Reincke. Für Professor Dr. Matthias M. Weber, Leiter der Endokrinologie und Diabetologie der Universitätsmedizin Mainz, zeigen die Ergebnisse, dass viele Tausende von Patienten durch eine Operation oder eine medikamentöse Therapie eine gute Chance hätten, ihren hormonell bedingten Bluthochdruck in den Griff zu bekommen. „Für uns ergibt sich daraus die Forderung, dass alle Hypertoniker zumindest einmal untersucht werden sollten, ob ein Conn-Syndrom vorliegt“, betont DGE-Mediensprecher Weber. Der Text basiert auf der Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.. Quellen: Prevalence and Clinical Manifestations of Primary Aldosteronism Encountered in Primary Care Practice Monticone S et al.; Journal of the American College of Cardiology, doi:10.1016/j.jacc.2017.01.052, 2017 Conn-Syndrom: Eine neue Studie belegt die Relevanz hormoneller Blutdruckursachen Martin Reincke; Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, 2017