Die Dosis macht das Gift. Gilt das auch für Halluzinogene? Nach der Rehabilitation von Cannabis als Medikament haben kalifornische Ärzte jetzt eine Idee wieder aufgenommen, die seit Jahrzehnten als eingeschlafen galt, das Behandeln mit Psychodrogen. Ans LSD haben sie sich zwar noch nicht gewagt. Aber „Psilo“ ist ja auch schon ein Anfang. Und: Es hilft.
Kalifornien ist bekanntlich die Heimat all derer, denen konventionelle Lebensläufe zu bieder sind. Das Land war eine der Hochburgen der Hippie-Bewegung. Es liegt zudem in enger Nachbarschaft zu Mexiko und bietet damit auch dann raschen Zugriff auf halluzinogene Drogen, wenn LSD gerade nicht verfügbar ist.
Die Pforten der Wahrnehmung liegen an der Westküste
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass eine aktuell in den Archives of General Psychiatry publizierte Studie zum klinischen Einsatz von Psilocybin nicht in Garmisch-Partenkirchen, Münster oder Buxtehude, sondern in Los Angeles und San Diego stattgefunden hat. Psilocybin ist ein pflanzliches Alkaloid, das in einigen vor allem in Mittelamerika vorkommenden Pilzarten enthalten ist. Wegen der Wirkungen der Droge werden diese Pilze auch „Narrenschwämme“ genannt. Bei Psilocybin handelt es sich um ein Halluzinogen, das nach der Aufnahme in den Körper zu Psilocin abgebaut wird, der eigentlichen Wirksubstanz.
Psilocin bewirkt beim Menschen eine Veränderung des Bewusstseinszustands, die jener ähnelt, die auch durch LSD ausgelöst wird. Insgesamt ist der Effekt allerdings etwas gutartiger als bei seinem synthetischen Verwandten: Die Halluzinationen sind kürzer und werden als etwas weniger intensiv beschrieben. Es gab deswegen schon in der Vergangenheit einzelne Versuche, Psilocybin als Medikament einzusetzen, teilweise auch in Kombinationstherapien mit anderen psychoaktiven Substanzen. Mit der Veränderung im Zeitgeist ab den späten siebziger Jahren wurde diese Art der Untersuchungen weitgehend auf Eis gelegt. Doch die Zeiten des übertriebenen Konservatismus sind in der Medizin bekanntlich vorbei. In den letzten Jahren waren wir bereits Zeuge der Einführung oder angestrebten Einführung von Medikamenten, die auf Tetrahydrocannabinol (THC) und auf Cannabisextrakt basieren. Da war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch jene Drogen als potenzielle Heilmittel wiederentdeckt würden, die schon damals sehr viel mehr Faszination ausgeübt haben als Cannabis.
Horrortrip Fehlanzeige: Psilo ist sicher, verträglich und bedingt wirksam
Charles Grob, Psychiater am Harbor-UCLA Medical Center in Los Angeles, hat sich für seine zwar kleine, aber immerhin doppelblinde, randomisiert kontrollierte Studie erwachsene Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium ausgesucht, die – das war die Therapieindikation – unter Angst litten. Die insgesamt zwölf Patienten wurden dabei nicht auf zwei Gruppen verteilt, die miteinander verglichen wurden. Vielmehr dienten die Patienten in einem Cross-over-Studiendesign jeweils als eigene Kontrolle: In zwei Behandlungssitzungen, die einige Wochen auseinander lagen, erhielten sie entweder Psilocybin in einer Dosis von 0,2 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht oder aber 250 Milligramm Niacin-Placebo. Beides war „verpackt“ in gleich aussehende Kapseln. Gemessen wurden Depression, Stimmung und Angst mit Hilfe standardisierter Scores (Beck Depression Inventory, Profile of Mood States, State-Trait Anxiety Inventory), und zwar direkt nach der Behandlung, zwei Wochen später und dann monatlich für ein halbes Jahr.
Interessiert hat die Autoren natürlich primär die Sicherheit dieser als eher moderat einzustufenden Psilocybin-Dosis in der Einmalbehandlung. Hier gab es keine Probleme: „Wir haben keine unerwünschten psychologischen Effekte der Behandlung gesehen. Alle Behandlungen wurden gut toleriert. Es gab keine Hinweise auf Angst oder auf einen Horrortrip“, so Grob. Auch in Sachen Wirksamkeit enttäuschte die Droge nicht. Es gab einen Trend hin zu einer Verbesserung der Stimmung und der Angst. Das Signifikanzniveau wurde teilweise, aber nicht durchgehend erreicht.
Drogen als Pillen: Mehr Nutzen als Schaden?
Ähnlich wie bei der Behandlung mit dem synthetischen Cannabis-Bestandteil THC stellt sich auch beim „Psilo“ die Frage, ob der „richtige Stoff“ gewählt wurde. Die Ärzte nutzten synthetisches Psilocybin, was den Vorteil hat, dass es standardisierbar ist. Den Effekt der Pilze, die sehr viel mehr Inhaltsstoffe enthalten, kann es aber nicht eins zu eins nachbilden. Das wird auf einschlägigen Pilznutzerportalen entsprechend kritisiert.
Auch ganz grundsätzliche Kritik an einem zunehmend gesellschaftlich akzeptierten Einsatz von Medikamenten, die auf Drogen basieren, gibt es immer wieder. So hat Professor Ekkehard Englert von der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie gerade erst im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur vor psychischen Erkrankungen gewarnt, die durch den Einsatz von Medikamenten auf Cannabis-Basis verursacht werden können. Aufgegriffen hat das unter anderem die Zeitung Die Welt. Vor allem das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, sei bei Cannabis-Konsumenten erhöht. Englert sieht auch die Gefahr, dass eine illegale Droge durch die Zulassung als Medikament eine Art staatliches Unbedenklichkeitssiegel erhält, woran niemand Interesse haben könne. Sollten Kapseln mit „Psilo“ demnächst auch in Deutschland Einzug halten, dürften diese Diskussionen an Schärfe gewinnen.