Ob die Biofeedback-Therapie wirksam ist, darüber streiten sich die Geister. Dennoch wird sie bei einer Vielzahl von Erkrankungen wie etwa Inkontinenz und Migräne angewendet. Die IGeL-Leistung spaltet auch in anderer Hinsicht: Gegner reden von Abzocke, Anhänger von Sinnvollem, das aus reinen Kostengründen den Patienten von den Kassen vorenthalten wird.
„Ärzte sind keine Kaufleute, und sie verkaufen keine Ware“, sagte 2008 Professor Jörg-Dietrich Hoppe, Bundesärztekammer-Präsident, in einem Interview mit dem „Deutschen Ärzteblatt“. Hoppe, so das Standesblatt, halte das Verhalten mancher Ärzte für nicht akzeptabel. Der BÄK-Präsident: „Die individuellen Gesundheitsleistungen sind noch eine diffuse Angelegenheit. Es gibt Ärzte, die solche Leistungen nicht erbringen, die das abstoßend finden und deshalb erst gar nicht damit anfangen. Und es gibt solche, die davon heftig Gebrauch machen ... Auf der anderen Seite sollte man sich im Klaren darüber sein, dass der im Sozialgesetzbuch verwendete Begriff einer „notwendigen Leistung“ sehr dehnbar ist.“
Eine Therapie für und gegen fast alles
Ob nun die Biofeedback-Therapie für einen Patienten wichtig oder notwendig ist, ist eine Frage, die angesichts dieser „dehnbaren“ Begriffe sicher unterschiedlich beantwortet werden kann. Weniger strittig dürfte sein, dass diese „Geräte-unterstützte“ Verhaltenstherapie wirksam ist, etwa bei Inkontinenz, Migräne und anderen Kopfschmerzformen. Angewendet wird sie bei einer Vielzahl von Erkrankungen - nach Angaben der „Deutschen Gesellschaft für Biofeedback“ zum Beispiel auch bei:
Eine umfassende Liste zu den Indikationen gibt es bei der US-amerikanischen Verbindung für angewandte Psychophysiologie und Biofeedback (AAPB).
Untersucht wird derzeit der Nutzen einer Biofeedback-Therapie unter anderem auch bei Kindern mit posttraumatischen Kopfschmerzen. Relativ neu sei dabei die Steuerung über Herzfrequenz und auch Herz-Frequenz-Variabilität, berichten die Kinderpsychologen Ethan Benore und T. Shawn Sullivan vom Kinderkrankenhaus in Akron in Ohio. Vorläufige Daten seien sehr viel versprechend. Im „Heartsong Center for Integrative Wellness“ mit Sitz in Silver City (Neu-Mexico) sollen sogar Patienten mit „Posttraumatischem Stress-Syndrom“ durch Biofeedback- geheilt werden. Die Therapie wird als „Brainwave Optimization“ bezeichnet und mit einem speziellen Gerät des in Scottsdale (Arizona) ansässigen Unternehmens „Brain State Technologies“ durchgeführt. 1200 US-Dollar kostet die knapp 20-stündige Behandlung.
Biofeedback – sicher kein „esoterischer Humbug“
Definiert wird Biofeedback nach Angaben des Psychologen und Pressesprechers der deutschen Biofeedback-Gesellschaft Professor Peter Kropp als „direkte Rückmeldung einer Körperfunktion mit dem Ziel, diese Funktion in eine gewünschte Richtung zu verändern. Dazu ist es nötig, dass diese Funktion visuell, akustisch oder taktil zurückgemeldet und bewusst wahrgenommen wird.“ Meist wird dazu ein elektronisches System verwendet. Dabei ist entscheidend, dass dieses Signal, das ohne Biofeedback nicht oder nur unvollkommen wahrgenommen werden kann, durch die Biofeedback-Anwendung präzise und vollständig bewusst wird. Wichtig sei zudem, dass wahrgenommene Signale auch willentlich verändert werden können. Zu den am häufigsten abgeleiteten Signalen zählen:
Bei einer besonderen Form des Biofeedbacks, dem HEG-Neurofeedback, wird - als Parameter des Hirnstoffwechsels - die zerebrale Sauerstoff-Sättigung als Signal verwendet. Angewendet wird die Hemo-Enzephalographie zum Beispiel bei Konzentrationsstörungen, beim ADHS und auch bei Störungen der Impulskontrolle. Dass Biofeedback kein „esoterischer Humbug“ ist, belegen viele Studien. Erst vor wenigen Wochen haben zum Beispiel die italienische Neurobiologin Dr. Andrea Caria (Universität Tübingen) und ihre Kollegen in der Zeitschrift „Biological Psychiatry“ berichtet, dass Menschen sogar lernen können, die Aktivität bestimmter Hirnregionen, etwa der an der Regulation von Emotionen beteiligten Insula, willkürlich zu verändern.
Kopfschmerzen – die „Parade“-Indikation
Besonders bewährt hat sich das Biofeedback-Prinzip bei Schmerz-Patienten. Gut belegt ist etwa die Wirksamkeit bei Migräne und Spannungs-Kopfschmerzen. Von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft werden Biofeedback-Therapien daher ausdrücklich empfohlen. Das Hauptproblem der Biofeedback-Therapie ist daher nicht ein mangelnder Wirksamkeitsbeleg. Hauptproblem ist vielmehr, dass die Kosten nicht automatisch von den Kassen übernommen werden. Verhandlungen mit dem zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss werden geführt, sind aber noch nicht abgeschlossen. Wie fast immer in solchen Fällen - wird daher der Vorwurf der Rationierung bis hin zur Zweiklassen-Medizin laut. Dr. Volker Malzacher von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft spricht sogar von einer heimlichen Rationierung bei Kopfschmerz-Patienten, die zunehmend selbst die Kosten für Leitlininien-gemäße Therapien übernehmen müssten.
Auch Peter Kropp beklagt, dass nicht nur ein „erheblicher Mangel an Therapieangeboten“ bestehe. 332 Mitglieder zählt übrigens die Deutsche Gesellschaft für Biofeedback. „Viel problematischer“ sei, so Kropp, „dass trotz nachgewiesener Wirksamkeit die Zusatzleistung „Biofeedback“ als Leistung bei den Krankenkassen keine finanzielle Unterstützung erfährt, obwohl der Geräteeinsatz und das benötigte Verbrauchsmaterial zu nicht unerheblichen zusätzlichen Behandlungskosten führen“. Insgesamt funktioniere das Geschäftsmodell Biofeedback bei ihm nicht, bekennt zum Beispiel ein niedergelassener Neurologe und Psychiater, der die Therapie Migräne-Patienten für nur 45 Euro pro Sitzung anbietet. „Die Leute hier kaufen lieber Triptane, anstatt in ein Verfahren zu investieren, das Eigenaktivität fordert und dann auch noch Geld kostet“, sagt der Kollege.
Auch beim Biofeedback gibt’s die Qual der Wahl
Obgleich nun Biofeedback eine unstreitig wirksame Therapie bei vielen Indikationen ist, bedeutet dies nicht, dass alles, was als Biofeedback-Therapie angeboten wird, auch tatsächlich Biofeedback ist. Womit sich natürlich die Frage der Seriösität stellt. Eine gute Orientierung für Patienten wie Therapeuten offeriert hier die Gesellschaft für Biofeedback, die nicht nur viele Informationen und Adressen anbietet, sondern durch ihr Ausbildungsangebot zum Biofeedback-Therapeuten auch für Qualitätssicherung sorgt – was sicher notwendig ist. Denn allein die Wahl der richtigen Biofeedback-Methode und des richtigen Geräts kann schon mühsam sein. Der Markt sei in den letzten Jahren mit einer Fülle von Geräten und Verfahren überschwemmt worden, von denen behauptet werde, dass sie nach dem Biofeedback-Prinzip funktionierten, erklärt etwa die Technik-Expertin Dr. Tania M. Slawecki von der US-Universität „Penn State“ auf der Webseite der AAPB. Beispiele für angebliche Biofeedback-Verfahren seien, so Slawecki, unter anderen das „Nutri-Energetics System“, bei dem über einen speziellen Sensor und eine Software elektromagnetische Felder, etwa der Finger, analysiert würden. Der Patient erhalte dann als „Feedback“ Informationen über sein energetisches Gleichgewicht. Diese Methode, schreibt Slawecki, ähnele mehr einer Kombination von Kernspintomografie und Homöopathie als einem richtigen Biofeedback-Verfahren. Kritiker reden sogar von einem „pseudomedizinischen Verfahren“.
Ein weiteres angebliches Biofeedback-Verfahren sei das „Ondamed®-System“. Hierbei werde, so heißt es auf der Ondamed-Webseite, der Patient mit Hilfe von Geräuschen und magnetischen Pulsen stimuliert und die Reaktion durch Messung des Patienten-Pulses von einem Therapeuten registriert, der dann den Patienten über seine Reaktionen informiere. Zusätzliche, so genannte „entspannende Frequenzen“ sollen dem Patienten helfen, sich zu entspannen. Eine bewusste und selbst gesteuerte Entspannung durch den Patienten finde also nicht statt, erklärt Slawecki „Der Patient sitzt also nicht selbst am Steuer“, was aber bei einem richtigen Biofeedback-Verfahren der Fall sein müsse. Ob die Therapie wirksam sei oder nicht, sei allerdings eine andere Frage.