Vor einigen Jahren machten italienische Epidemiologen auf sich aufmerksam, weil sie zeigen konnten, dass Kaffeekonsum mit einer geringeren Inzidenz von Leberkarzinomen einhergeht. Jetzt liefern Wissenschaftler aus Hannover eine plausible Begründung für die italienischen Daten.
Mit ihrer Publikation in der Fachzeitschrift Journal of Hepatology haben die Wissenschaftler der Brescia HCC Study Group vor fünf Jahren wahrlich ein Fass aufgemacht. In einer cleveren Fall-Kontroll-Studie untersuchten die Italiener, ob es eine Assoziation zwischen der Entwicklung von hepatozellulären Karzinomen (HCC) und Kaffeekonsum gibt. Sie identifizierten 250 HCC-Patienten, wählten sich dazu 500 passende Vergleichspatienten ohne HCC aus und fragten gezielt nach dem Kaffeekonsum in den zehn Jahren vor dem Stichtag.
Eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung in Fall-Kontroll-Studien
Was sie zeigen konnten, ließ das Herz jedes klinischen Pharmakologen schneller schlagen: Es gab nicht nur eine signifikante Assoziation zwischen Kaffeekonsum und niedriger HCC-Inzidenz. Auch eine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung ließ sich demonstrieren. Bei ein bis zwei Tassen Kaffee pro Tag in den zehn Jahren vor dem Stichtag war das HCC-Risiko 20 Prozent geringer als bei keinem Kaffeekonsum. Bei drei bis vier Tassen waren es 60 Prozent und bei 5 oder mehr Tassen 70 Prozent. Was ist schon eine Fall-Kontroll-Studie, mag man einwenden. Aber ähnlich wie beim Rotwein und dem kardiovaskulären Risiko fiel das Thema Kaffee und hepatisches Risiko auf fruchtbaren wissenschaftlichen Boden.
Noch im selben Jahr berichteten Japaner über exakt die gleiche Beobachtung bei einer japanischen Kohorte. Andere Kohorten folgten. Zwei Jahre später erschien die erste und angesichts der mittlerweile zahlreichen Daten wenig überraschend positive Metaanalyse. Und erst vor wenigen Wochen berichteten chinesische Ärzte für den Spezialfall der Hepatitis B-Patienten erneut über eine inverse Korrelation zwischen Kaffeegenuss und HCC. Die spannendere Arbeit haben freilich fast zur gleichen Zeit Wissenschaftler um Sandra Kalthoff aus der Arbeitsgruppe von Professor Michael Manns, Medizinische Hochschule Hannover, publiziert. Ihnen ging es nicht um eine weitere Fall-Kontroll-Studie, sondern um den potenziellen Mechanismus, der dem schützenden Effekt des Kaffees auf die Leber zugrunde liegen könnte.
Kaffee bringt bei transgenen Mäusen die Leber auf Trab
Die Forscher wurden fündig und werden darüber in Kürze in der Zeitschrift Gastroenterology berichten. Angesehen haben sie sich konkret bestimmte Stoffwechselenzyme der Leber, die so genannten UDP-Glukuronosyl-Transferasen (UGT1A). Zum einen wurden Zellkulturexperimente gemacht, bei denen die Zellen mit unterschiedlich zubereitetem Kaffee versetzt wurden. Zum anderen wurde der Kaffee an transgene Mäuse verfüttert, die UGT1A exprimierten. „Der Effekt war sehr deutlich“, sagte Professor Herbert Blum von der Universität Freiburg bei der IV. Falk Gastro-Conference in Freiburg.
Bei den transgenen Mäusen wurde die Transkription von UGT1A um den Faktor 10 bis 14 hochreguliert. Und bei den Zellen waren verschiedene UGT1A-Varianten drei- bis sechsmal aktiver, wenn Kaffee in die Petrischalen gekippt wurde. Das ist deswegen eine plausible Erklärung für die niedrigere HCC-Inzidenz beim Menschen, weil UGT1A ein Enzym ist, dass in der Leber Giftstoffe konjugiert und damit unschädlich macht. Mehr UGT1A, mehr Entgiftung, weniger mutagene Reize, weniger Krebs, das wäre so in etwa die postulierte Kausalkette.
Nespresso oder what else?
Bleibt die Frage, welche Art von Kaffee die Leber denn besonders zu schätzen weiß. Hier gibt es eine gute Nachricht: Sie ist nicht besonders wählerisch. Klar ist: Am Koffein liegt es nicht, und auch die Zubereitungsart scheint egal zu sein. „Die Versuche funktionierten mit Filterkaffee, mit Instantkaffee und mit entkoffeiniertem Kaffee“, so Blum. Ergo: Wer sich abends zu viel hinter die Binde kippt, sollte am nächsten Morgen zumindest mit Kaffee nachspülen, um der Leber die Arbeit zu erleichtern. Gar nicht saufen ist natürlich trotzdem besser…