Verliert ein Sportler beim Training zu viel Flüssigkeit, drohen ihm Überhitzung, Austrocknung und Salzverlust. Ein von deutschen Forschern entwickeltes Sensor-Shirt zeigt Sportlern mittels Farbwechsel rasch und einfach an, was und wieviel sie gerade ausschwitzen.
Wer im Sommer Sport treibt, kommt schnell ins Schwitzen. Normalerweise ist das kein Problem: Der verdunstende Schweiß kühlt den Körper und schützt so vor Überhitzung. Gefährlich wird es, wenn der Sportler zu wenig trinkt und zu viel Flüssigkeit verliert. Die Austrocknung kann Schwindel oder Herzrhythmusstörungen, Nierenversagen oder Bewusstlosigkeit zur Folge haben. Vor allem ungeübte Läufer, Radfahrer und Wanderer unterschätzen leicht das Risiko.
Künftig könnte vielleicht speziell präparierte Bekleidung die Betroffenen warnen. Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper Technologien (EMFT) mit Hauptsitz in München haben ein Verfahren entwickelt, das Flüssigkeitsverlust sichtbar machen kann. Sie färbten weiße Baumwoll-T-Shirts mit einem blassvioletten Farbstoff, der gelb wird, sobald er mit Schweiß in Berührung kommt. „Der Farbumschlag ist deutlich zu sehen und umso stärker, je mehr man schwitzt“, erklärt Privatdozent Gerhard Mohr, Leiter der EMFT-Arbeitsgruppe Sensormaterialien in Regensburg. „Der Sportler kann so erkennen, dass es Zeit ist, etwas zu trinken.“
Chemische Reaktion verursacht Farbwechsel
Die an der EMFT entwickelten T-Shirts funktionieren ähnlich wie Lackmus-Papier, das sich unterschiedlich verfärbt, je nachdem ob es mit einer basischen oder sauren Flüssigkeit in Berührung kommt. Der Farbwechsel ist Folge einer chemischen Reaktion, bei der sich Protonen an die im Lackmus enthaltenen Farbstoffe anlagern oder abspalten. Auch beim neuen Sensor-Shirt findet eine solche Reaktion statt: Wenn der Stoff des T-Shirts mit einer basischen Substanz in Kontakt gerät – beispielsweise mit Waschmittel in der Waschmaschine – spalten sich Protonen vom Farbstoff ab und er wird violett. Saure Flüssigkeiten wie Schweiß führen dazu, dass sich Protonen anlagern und der Stoff sich gelb färbt.
Die T-Shirts können vom Sportler immer wieder getragen werden, da der Farbwechsel reversibel ist: Die gelbe Farbe verschwindet beim nächsten Waschen. Erst wenn der Stoff erneut von Schweiß getränkt wird, erscheint sie von neuem. Nebenwirkungen wie zum Beispiel trockene Haut oder Rötungen erwartet Mohr keine: „Der Farbstoff ist fest mit den Baumwoll-Fasern des T-Shirts verbunden. Er kann deshalb nicht mit der Haut reagieren“, so der Chemiker.
Die Idee, T-Shirts mit einem pH-sensitiven Farbstoff zu behandeln und Schweiß sichtbar zu machen, kam ihm beim Joggen. Ursprünglich hatten er und seine Mitarbeiter den Farbstoff entwickelt, weil sie optische Sensoren bauen wollten. Deshalb waren die Forscher auf der Suche nach einer Substanz, die sich gut mit der Zellulose in Messfolien verbindet. Diese sind Kernstück von Geräten, mit denen man den Säuregehalt von Flüssen, Abwässern oder Aquakulturen überwachen kann.
Weitere Farbstoffe in Entwicklung
Im Moment ist Mohrs Team dabei, einen weiteren Farbstoff für Bekleidungsstoffe zu etablieren, der sichtbar macht, wie viele Natriumionen der Schweiß von Sportlern enthält. „Natrium ist Bestandteil von Salzen“, erklärt Mohr. „Je höher seine Konzentration im Schweiß ist, desto größer ist der Salzverlust und desto wichtiger ist es für den Sportler, salzhaltige Getränke – beispielsweise Mineralwasser oder isotonische Drinks – zu sich zu nehmen.“ Mohr hält es für möglich, T-Shirts zukünftig an mehreren Stellen jeweils mit einem anderen Farbstoff zu färben und so gleichzeitig Säuregehalt und Mineralstoffausscheidung beim Schwitzen zu messen.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten sieht der Forscher bei Wundverbänden: Ins Verbandmaterial integrierte Farbstoffe könnten Aufschluss darüber geben, wie weit die Wundheilung fortgeschritten ist. Gesunde Haut hat einen natürlichen Säureschutzschild und damit einen anderen pH-Wert als entzündete Haut. Ein Sensorverband würde diesen Unterschied sichtbar machen – Ärzte und Pfleger könnten auf einen Blick erkennen, ob die Wunde gut heilt oder ob sie eitert und umgehend antibakteriell behandelt werden muss.
Armband misst Temperatur
In der EMFT-Abteilung Polytronik und Multifunktionale Systeme in München gehen die Wissenschaftler noch einen Schritt weiter: Unter der Leitung von Professor Karlheinz Bock wollen sie Messfolien direkt in die Bekleidung integrieren, um beispielsweise die Hauttemperatur zu ermitteln. Bisher wurden solche Folien in Form eines Armbands verwirklicht, das sich der Sportler ans Handgelenk anlegen kann. Die Temperaturmessung mit Hilfe dieses Armbands erfolgt indirekt über die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes. Auf der Folie befindet sich eine elektrische Leiterbahn, die im unmittelbaren Kontakt mit der Hautoberfläche steht. Ändert sich jetzt die Temperatur auf der Haut, ändert sich auch der elektrische Widerstand auf der Folienoberfläche.
Damit ein Sportler mit dem Sensorarmband seine Daten schnell und unkompliziert erheben kann, ist in das Armband eine Auswerteeinheit mit einem einfachen Display eingebaut, auf dem Symbole aufleuchten, sobald sich die Temperatur ändert. Möglich wäre aber auch, dass ein akustisches Warnsignal ertönt, falls die Hauttemperatur einen vordefinierten Bereich über- oder unterschreitet.
Ein Kleidungsstück mit den neuen Foliensensoren gibt es bislang allerdings noch nicht. Denkbar wäre es, die Folien auf die Innenseite eines eng anliegenden T-Shirts zu kleben oder einzunähen, damit sie die Haut berühren können. Allerdings müssen die Forscher noch klären, ob ein solches Sensor-Shirt waschbeständig wäre. In Kleidungsstücke integrierte Sensorik könnte eines Tages auch der medizinischen Forschung neue Möglichkeiten eröffnen. Informationen über Hauttemperatur, Hautfeuchte oder Puls würden dann Medizinern schnelle Rückschlüsse auf Stoffwechselerkrankungen, Fieber oder Störungen im Nervensystem erlauben.