Bariatrische Chirurgie hat viele Kritiker – aber auch immer mehr Anhänger. Jetzt macht ein endoskopisches Verfahren auf sich aufmerksam, das den Y-Roux-Bypass imitiert, ohne dass eine martialische Operation nötig wäre. Für das „Kondom von innen“ liegen jetzt 12-Monats-Daten vor.
Magenband, Magenverkleinerung mit Duodenal-Switch oder Y-Roux-Bypass: Das sind die derzeit gängigen Optionen im therapeutischen Arsenal der bariatrischen Chirurgie. Während das Magenband als ein vergleichsweise schonender und reversibler Eingriff gilt, sind Duodenal-Switch und Y-Roux-Bypass nicht ohne Weiteres umzukehren. Der Chirurg ändert die gesamte Architektur des oberen Verdauungstrakts mit dem Ziel, dass die aufgenommene Nahrung weniger effektiv verdaut und entsprechend weniger umfangreich resorbiert wird.
Bariatrische Eingriffe: Metabolisch erfolgreich, aber nicht unumstritten
Vor allem mit Duodenal-Switch und Y-Roux-Bypass sind die Ergebnisse des bariatrischen Ansatzes durchaus eindrucksvoll. Professor Rudolf Weiner vom Krankenhaus Sachsenhausen berichtete kürzlich über eine Gruppe von 284 Patienten mit einem durchschnittlichen BMI von 55, die sich bei ihm einem bariatrischen Eingriff unterzogen hatten. Ganz abgesehen von den bekannt deutlichen Effekten auf das Körpergewicht beobachtete Weiner auch erhebliche metabolische Folgen: „Die Rate der Hypertoniker hat sich halbiert, und die der Diabetes-Patienten ist auf ein Drittel zurück gegangen“, so Weiner. Auch der Fettgehalt der Leber änderte sich dramatisch. Hatten zum Zeitpunkt des Eingriffs praktisch alle Patienten eine histologisch gesicherte Steatohepatitis, so waren es nach 18 Monaten bei Y-Roux-Bypass nur noch 12 Prozent und bei Duodenal-Switch gar keiner mehr. Nur beim Magenband waren die Effekte nicht so ausgeprägt.
Trotz dieser Daten hat die bariatrische Chirurgie zahlreiche Kritiker. Hingewiesen wird auf eine fragliche Langzeiteffektivität, unklare Langzeitfolgen am Verdauungstrakt sowie auf mögliche psychische Folgen der Eingriffe wie etwa eine Depression. Kein Wunder also, dass reversible Ansätze gesucht wurden und werden, reversibel wie das Magenband, dabei aber möglichst genauso effektiv wie der Y-Roux-Bypass. Ein Verfahren, das genau das für sich in Anspruch nimmt, ist die so genannte EndoBarrier, ein Medizinprodukt, das in Europa seit einigen Jahren vor allem in den Niederlanden experimentell erprobt wird. Ursprünglich erfolgte der Einsatz, um bei stark übergewichtigen Patienten vor operativen Eingriffen das Gewicht forciert zu reduzieren und auf diese Weise das OP-Risiko zu senken. Jetzt haben die europäischen Behörden die EndoBarrier aber auch für einen bis zu zwölfmonatigen Einsatz bei stark übergewichtigen Patienten mit Typ 2-Diabetes zugelassen.
Zottenschonende Nahrungsaufnahme
Die EndoBarrier wird von dem US-Unternehmen GI Dynamics hergestellt. Salopp gesagt handelt es sich um einen Plastikschlauch, eine Hülse, die endoskopisch über den Mund in den Verdauungstrakt des Übergewichtigen eingeführt wird. Das obere Ende des Schlauchs kommt am Eingang des Duodenums zu liegen und wird dort fixiert. Dann wird der etwa ein Meter lange Schlauch ausgerollt, sodass die Nahrung künftig in diesem Abschnitt des Darms nicht mehr mit der Darmwand in Kontakt kommt. Erst am Schlauchende trifft der im Magen anverdaute Nahrungsbrei wieder auf neue Verdauungsenzyme. Das Prinzip ähnelt tatsächlich stark dem des Y-Roux-Bypasses, der ja auch zur Folge hat, dass Nahrung aus dem Magen eben nicht erst ins Duodenum kommt, sondern weiter distal einfließt. Das Universitätsklinikum Maastricht hat drei kurze Videos ins Netz gestellt, die den Eingriff grafisch verdeutlichen.
Interessanter Ansatz also, aber wie sieht es mit harten Daten aus? Der Hersteller spricht von klinischen Studien mit über 300 Patienten. Publiziert wurde in diesem Jahr in den Annals of Surgery eine randomisierte Studie im oben genannten präoperativen Kontext mit 41 Patienten, von denen 30 die Darmhülse für drei Monate erhielten. Elf dienten als Kontrollgruppe. Der BMI in der Interventionsgruppe ging innerhalb von drei Monaten um 19 Prozent runter, gegenüber sieben Prozent in der Kontrollgruppe. Bei sieben von acht Patienten mit Typ 2-Diabetes verbesserten sich die metabolischen Parameter. Allerdings traten bei allen Patienten vor allem in der Woche nach dem Eingriff unerwünschte Ereignisse wie Übelkeit und Schmerzen auf. Bei vier Patienten musste die Hülse wegen Dislokationen oder Obstruktionen vorzeitig entfernt werden.
Absenkung des Cholesterins und des HbA1c
Neue Daten gab es in diesem Jahr auf dem Kongress der IFSO in Los Angeles. 24 übergewichtige Menschen mit einem durchschnittlichen BMI von 45 wurden ein Jahr lang mit einer EndoBarrier ausgestattet. Eine Kontrollgruppe gab es nicht. Der BMI ging in diesem Fall um im Mittel 20 Prozent runter. Kardiometabolisch verbesserte sich das Gesamtcholesterin von 196,5 auf 161 mg/dl und der diastolische Blutdruck von 84,8 auf 71,2 mmHg. Eine weitere Studie, die bei der Digestive Disease Week 2010 vorgestellt wurde, fand einen positiven Effekt auf den HbA1c bei Diabetikern. Beide Studien wurden noch nicht voll publiziert. Eine randomisierte, seitens der Ärzte nicht verblindete Multicenterstudie mit Sham-Endoskopie im erneut präoperativen Kontext wurde schließlich in der Zeitschrift Gastrointestinal Endoscopy veröffentlicht. Der Gewichtseffekt war ähnlich wie in den anderen Studien. Bei 8 von 21 Patienten musste der Schlauch vor Ende der 12-wöchigen Studienphase entfernt werden.