Eine Studie mit mehr als 7.000 Patienten zeigt erstmals, dass mit einfachen Ultraschalluntersuchungen bis zu 30.000 Leistenbruch-Operationen vermeiden werden könnten. Die Daten wurden kürzlich von der DEGUM veröffentlicht.
Die Zahlen sprechen für sich. Rund 250.000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Leistenbruch. Was zu welchem Zeitpunkt in derartigen Fällen zu tun ist, meinen selbst medizinische Laien zu wissen. Dass eine Operation nur dann notwendig ist, wenn sich Darmschlingen im Leistenkanal einklemmen könnten, zählte bisher zu den Binsenweisheiten – dürfte sich aber nun bestätigen, sofern die Mediziner der Republik der Argumentation der DEGUM folgen.
Tatsächlich liefert eine jetzt veröffentlichte Studie mit mehr als 7.000 Patienten, „dass eine einfache Ultraschalluntersuchung diese Gefahr frühzeitig erkennt“, wie die DEGUM betont, und: „Bis zu 30.000 Operationen lassen sich auf diese Weise vermeiden“.
Dass die ebenso häufige wie verhasste Inguinal-Hernie dem Skalpell entgehen soll, mutet auf den ersten Blick wie ein kaum einzulösendes Versprechen an. Drängen nämlich Teile der Eingeweide in den Leistenkanal können sie sich dort verklemmen. Ein Prozess, infolge dessen die Darmschlingen absterben.
Genau das sei „eine lebensgefährliche, aber sehr seltene Komplikation”, wie der auf Leistenbruchoperationen spezialisierte Hamburger Studienautor Helmar Gai erklärt. Was unzählige Generationen von Ärzten schon immer vor ein Problem stellte, ist eine besondere Tücke der Malaise: Von außen ist der Beule in der Leiste nicht anzusehen, ob sie für den Patienten zum Risiko werden kann. „Selbst Computer- oder Kernspintomografie helfen in der Regel nicht weiter, da sie nur Momentaufnahmen liefern”, beschreibt Gai den Gau mit der High-Tech Diagnostik.
Ebenso simpel hingegen scheint der Ausweg aus der Beulen-Falle. Setzten Ärzte nämlich Ultraschalluntersuchungen ein, könnten sie nach Gais Erkenntnissen und Angaben der DEGUM „beobachten, wie sich die Hernie verändert, wenn der Patient durch Pressen den Druck im Bauchraum erhöht“.
Über 7.000 Patienten an der der Klinik Fleetinsel liefern die Datenbasis für derartige Thesen – Gai zufolge zeige die Studie nahezu unerschütterlich, dass die Form der Hernie in der Ultraschalluntersuchung „eine gute Risikoabschätzung ermöglicht“.
Beule, Röhre oder Sanduhr?
Ob eine OP ansteht, oder der Patient gar ohne größere Einschränkungen weiterleben kann, entscheiden drei spezielle Formen im Ultraschall. Rund 25 Prozent der Menschen mit Leistenbruch weisen eine schlichte Beule auf – und dürfen aufatmen. „Diese Patienten müssen nicht operiert werden, solange sie keine oder nur sehr geringe Beschwerden haben“, meint Gai, und: „Sie müssen sich auch nicht körperlich einschränken“.
Lediglich ruckartige Bewegungen bei gleichzeitiger starker Anspannung der Bauchdecke könnten zum Problem avancieren. Ganz anders hingegen sieht es für mehr als die Hälfte der Menschen mit Hernien aus – bei ihnen erkennen die Spezialisten in der Sonographie eine röhrenförmige Ausdehnung. Gleichwohl befördert die Röhre auf dem Monitor den Patienten nicht zwangsläufig in die Chirurgie: Bei Beschwerdefreiheit ist eine Operation nicht erforderlich, solange keine Darmschlingen in die Hernie vordringen.
Sanduhrförmige Hernien jedoch erfordern laut DEGUM grundsätzlich eine Operation – nur tritt die Sanduhr bei weniger als einem Viertel aller Patienten auf. Nach Gais Schätzung könnten durch Ultraschalluntersuchungen allein in Deutschland bis zu 30.000 Hernienoperationen vermieden werden – pro Jahr. Das würde der DEGUM zufolge zudem viele Patienten „vor Schmerzen in der Leiste bewahren, zu denen es nach fünf bis 35 Prozent der Operationen kommt“.
Beule, Röhre oder Sanduhr. Dass die Bilder praktisch frei vom diagnostischen Makel sind, attestiert eine weitere Besonderheit der Hamburger Studie: In keinem einzigen Fall mussten die Klinikärzte eine Notfalloperation wegen einer eingeklemmten Hernie durchführen.